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Kultur - 17.11.2018

„Beat“ und mehr: Neue deutsche Serien starten weltweit

Der Serien-Boom hält an. Ob Netflix, Sky oder Amazon – die großen Streaming-Portale versuchen mit national zugeschnittenen Formaten auch internationale Zuschauerschichten zu erobern. Aktuellestes Beispiel: „Beat“.

Immer auf Hochtouren: Robert Schlag (sehr überzeugend: Jannis Niewöhner) in „Beat“

Wummernde Bässe, junge Menschen in ekstatischen Tanzbewegungen, ein dröhnender Techno-Club – kein Zweifel, die Serie „Beat“ hält zunächst, was sie verspricht. Die Kamera heftet sich auf die Fersen von Robert Schlag (Jannis Niewöhner), der den Abend beginnt wie immer. Eine Line Koks, ein paar Pillen, das ganze mit einem harten Drink runtergespült, und dann geht’s los. In die unterirdische Betonwelt der Berliner Clubs – hier ist die Welt des jungen Robert.

Beat ist der König der nächtlichen Techno-Szene

Doch Robert Schlag ist kein gewöhnlicher Partygänger. Der 28-jährige betreibt den „Club Sonar“ im Herzen von Berlin mit seinem Partner Paul (Hanno Koffler). Paul ist für das Geschäftliche zuständig, Robert für Musik, Gäste und das ganze Drumherum. Eigentlich könnte es so weiter gehen, Abend für Abend: Musik, Drogen, Sex. Und mancher Zuschauer der neuen Amazon-Serie „Beat“ wird das wohl auch erwarten. „Beat“, so wird Robert Schlag von allen genannt, ist der König der Techno-Szene – und „Beat“ könnte somit auch eine Serie über das Berliner Nachtleben sein, über junge Menschen und ihre Musik.

Liebe, Sex und Drogen auf dem Tanzparkett: Beat

Doch „Beat“ will mehr. Die Serie lässt schon in der ersten Folge ein ganzes Bündel an Genre-Zutaten einfließen – und steigert das dann mehr und mehr. Am ersten Abend werden im „Club Sonar“ plötzlich zwei Leichen entdeckt, dekorativ ausgeweidet und präpariert, schweben sie über den gerade noch ausgelassen tanzenden Gästen.

„Beat“: Viele Handlungsstränge, Fragen über Fragen

Wer steckt hinter dem grausamen Verbrechen? Und warum taucht bei Robert plötzlich der ESI (in der Serie das Kürzel für eine Europäische Geheimdienst-Organisation) auf und will ihn als V-Man anwerben? Wer ist der neue Kompagnon Philipp Vossberg (Alexander Fehling), den Paul als dritten Teilhaber des Clubs engagiert hat, ohne Robert davon zu unterrichten?

Und vor allem: Wer ist jener verrückte Nerd Jasper (Kostja Ullmann), der Robert nachstellt – beide verbindet offenbar eine lang zurückliegende Vergangenheit. Hat Jasper auch etwas mit den grausigen Menschen-Lagern zu tun, in denen es offenbar um illegalen Organhandel geht? Und wie verhält sich die Russen-Mafia zu dem Ganzen?

Robert gelingt es, die Geheimdienstmitarbeiterin Emilia (Karolin Herfurth) in den Club zu schleusen

„Beat“ ist ein wilder Genre-Mix aus Jugendstudie, Mystery, Thriller und Horror, schnell inszeniert und geschnitten, die Musik gibt den Takt vor. Regie hat Marco Kreuzpaintner geführt und anders als bei den meisten internationalen Serien, bei denen der Regisseur heute nur noch eine ausführende Funktion hat, ist Kreuzpaintner verantwortlich für „Beat“. Gemeinsam mit Norbert Eberlein hat der 1977 im bayrischen Rosenheim geborene Regisseur alle Bücher für die sieben Folgen von „Beat“ geschrieben.

Erinnerungen an die Hochzeit der Berliner Technoszene

„Wir hatten richtige Partys! Es ging dem ganzen Team darum, ein echtes Gefühl für die Szene zu vermitteln. Entsprechend haben wir uns die richtigen Leute als Statisten geholt“, sagte Kreuzpaintner während eines Pressetermins in London. Die berühmt-berüchtigte Berliner-Clubszene möglichst authentisch nachzuzeichnen, das war ein Ziel von „Beat“.

Auch die Betonszenerie habe dabei eine wichtige Rolle gespielt, so Kreuzpaintner. Sie „steht (…) für das Berliner Nachtleben nach der Wiedervereinigung: Es gab all diese leer stehenden Gebäude, wodurch ein Moment der Freiheit entstand. Die Leute hatten das Gefühl: Uns gehört die Stadt! Überall gab es Undergroundpartys.“

Er ist wieder da und erinnert mit seinem Outfit an Hitler: der durchgeknallte Killer Jasper (Kostja Ullmann)

Leider haben Kreuzpaintner und sein Team zu viel gewollt. So gelungen viele Szenen in und um die Technoszene in Berlin sind, so großartig die meisten Schauspieler agieren (zu denen auch noch Christian Berkel und Karoline Herfurth in tragenden Rollen gehören) und so dynamisch die Inszenierung ist: „Beat“ wirkt in der Überzeichnung der Motive, in den immer neu aufgeschichteten Erzählsträngen, den verschiedenen Zeitebenen und den absurd anmutenden Horrorszenarien irgendwann kaum noch glaubwürdig.

Die Serie wird von den vielen Erzählsträngen erschlagen

Der Stoff hätte vermutlich für mehrere Staffeln gereicht. In der Dichte, in der die Handlungsstränge hier ineinandergreifen, wirkt „Beat“ deutlich überfrachtet. Damit bestätigt diese neue deutsche Amazon-Serie freilich nur einen Trend. Netflix, Amazon und Co. schielen in ihrer expansiven, länderspezifisch ausgerichteten Strategie auf ein internationales Publikum.

Zwei Tage vor dem Start bei Amazon gab’s in Berlin eine Kino-Premiere

Dafür muss offenbar Action her – und immer wieder die gleichen dramaturgischen Erzählbausteine und Genre-Elemente. Schon bei anderen deutschen, von internationalen Anbietern produzierten Serien wie „You are Wanted“, „Dark“ und jüngst auch „Deutschland 86“, die neben dem heimischen Publikum eben auch immer einen internationalen Anspruch haben, wurde das deutlich. Auch bei „Beat“ gilt: Weniger wäre mehr gewesen!

Die sieben Folgen von „Beat“ sind seit dem 9. November bei Amazon Prime abrufbar. In der neuen Ausgabe von KINO beschäftigen wir uns intensiv mit dem neuesten Serien-Boom und nehmen auch aktuelle deutsche Serien wie „Das Boot“ und „Parfum“ unter die Lupe. Dazu: Beat-Regisseur Marco Kreuzpaintner im Interview.

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