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Kultur - 06.07.2019

Bestsellerautor Bernhard Schlink wird 75

Mit seinem Roman „Der Vorleser“ gelang dem promovierten Juristen Bernhard Schlink ein Welterfolg. Nun wird der literarische Quereinsteiger 75 Jahre alt.

Ein Jurist, der Bücher schreibt, das ist erst einmal nichts Außergewöhnliches. Erstaunlich aber ist der Erfolg, mit dem Bernhard Schlink, geboren am 6. Juli 1944 in Bielefeld, über Jahrzehnte beide Berufe gemeistert hat.

Da ist zum einen seine juristische Bilderbuchkarriere: Schlink studierte in Heidelberg und Berlin, nach seiner Promotion lehrte er zunächst in Bonn und Frankfurt, später dann an der Humboldt-Universität in Berlin. Von 1987 bis 2006 war Schlink als Verfassungsrichter für das Land Nordrhein-Westfalen tätig. Nach dem Mauerfall arbeitete er zudem an einer Übergangsverfassung für die DDR mit.

Zentrale Themen: Moral und Schuld

Parallel dazu begann Schlink mit dem Schreiben und versuchte sich zunächst als Krimiautor. 1987 erschien sein Debütroman „Selbs Justiz“, der erste Teil der Trilogie rund um den knorrigen Privatdetektiv Gerhard Selb. Dieser erweist sich, wie später auch andere Schlink-Charaktere, als moralisch zweifelhafte Figur. Denn während des Dritten Reichs, so heißt es, war Selb ein ehrgeiziger Staatsanwalt, der selbst vor Todesurteilen gegen Regimegegner nicht zurückschreckte.

Der große Coup gelang dem schreibenden Jura-Professor Schlink dann aber 1995 mit seinem ersten, nicht-kriminalistischen  Roman „Der Vorleser“. Darin geht es wieder um die schuldhafte Verstrickung in das Nazi-Regime, diesmal allerdings deutlich drastischer, nämlich in Form einer Liebesgeschichte zwischen einem Teenager und einer Massenmörderin.

Vielfach übersetzt und Oscar-prämiert

Der Gymnasiast Michael Berg ist gerade einmal 15 Jahre alt, als die 20 Jahre ältere Analphabetin Hanna ihn verführt. Bei den Treffen erfreut das „Jungchen“ seine Geliebte mit Lesungen aus Klassikern der Weltliteratur, bis Hanna unvermittelt verschwindet. Nach Jahren aber holt die Affäre Michael wieder ein: Der Jurastudent erfährt, dass ausgerechnet seine Hanna eine skrupellose KZ-Wärterin war und vor Gericht steht.

Ein Erfolg: Die deutsch-amerikanische Verfilmung von „Der Vorleser“ mit Kate Winslet und David Kross in den Hauptrollen

„Der Vorleser“ wurde zum Welterfolg und landete als erstes Buch eines Deutschen überhaupt auf Platz 1 der Bestsellerliste der „New York Times“. Inzwischen ist der Roman in 52 Sprachen übersetzt und erfolgreich verfilmt worden. Die Hollywood-Schauspielerin Kate Winslet bekam für ihre Hauptrolle der Hanna einen Oscar.

Stimme der 68er-Generation

Doch Schlink erntete für seine Geschichte um die ehemalige SS-Schergin, die sich für Homer und Theodor Fontane begeistert, nicht bloß Wohlwollen. Einige, vor allem jüdische Intellektuelle, empfanden die Figur als geschmacklose Provokation, weil Schlinks Analphabetin beim Leser eher Mitleid als Abscheu hervorrufe. Man warf dem „Vorleser“ „Kulturpornografie“ vor, Kitsch und Verharmlosung von Nazi-Gräueln.

Bernhard Schlink konnte die Empörung über seinen „Vorleser“ jedoch nie so recht begreifen. „Wenn Täter immer Monster wären, wäre die Welt einfach“, sagte er 2009 in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeine Zeitung. Statt um eine literarische Rechtfertigung der Täter, so Schlink, sei es ihm allein um die Ausleuchtung des moralischen Dilemmas gegangen, in dem sich seine Generation befinden würde: Einerseits müsste die sich gegen ihre Nazi-Eltern abgrenzen, andererseits wollte sie deren Verhalten aber auch verstehen.

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Eine Zwickmühle, in der auch die Helden der späteren Schlink-Romane „Die Heimkehr“ (2006) und „Das Wochenende“ (2008) gefangen bleiben. In „Die Heimkehr“ spürt der vaterlos aufgewachsene Peter zwar seinen Nazi-Vater auf, muss aber feststellen, dass dieser immer noch ein „Evangelium der Härte“ vertritt. In „Das Wochenende“ treffen sich Freunde eines RAF-Terroristen, der nach langer Haft freikommt, und erkennen desillusioniert, dass ihr Kampf gegen „die Mördergeneration“ nicht mehr vertretbar ist.

In Schlinks neuestem Roman „Olga“ (2018) verliebt sich die gleichnamige Protagonistin, eine gehörlose Lehrerin aus einfachen Verhältnissen, in Herbert, den Sohn eines herrschaftlichen Gutsbesitzers aus der Nachbarschaft. Später tritt, ähnlich wie beim „Vorleser“, ein jüngerer Mann in das Romangeschehen ein. Schlink verfolgt Olgas gesamtes Leben und streift somit verschiedene Epochen deutscher Geschichte im Schnelldurchlauf.

Schlink bezieht politisch Stellung

In Schlinks Büchern geht es oft um Gewissensfragen rund um die Themen Liebe, Schuld und Verantwortung. Der Autor ist ein schreibender Moralist, der seine Botschaft weniger künstlerisch denn handwerklich-solide zu verpacken weiß. Und mögen sich seine Helden auch noch so sehr in Selbsttäuschungen flüchten, wie in den Erzählbänden „Liebesfluchten“ (2009) und „Sommerlügen“ (2010): Am Ende müssen sie doch stets einer unbequemen Wahrheit ins Gesicht sehen.

Nicht anders hält es der Jurist und Autor im echten Leben. Immer wieder bezieht Schlink, der zwischen seinen beiden Wohnsitzen New York und Berlin pendelt, politisch Stellung. Seit 45 Jahren ist er Mitglied der sozialdemokratischen SPD. In Bezug auf die rechtspopulistische „Alternative für Deutschland“ (AfD) lautet sein Appell, die Bürger sollten sich nicht „Hass und Feindseligkeit, Zwietracht und Ausgrenzung“ hingeben. Das Wichtigste, sagt Schlink, sei „nicht zu resignieren“.

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