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Kultur - 18.06.2019

Das Goethe-Institut fragt nach der Zukunft der Menschheit

„Die Route wird neu berechnet“ – unter diesem Titel lädt das Goethe-Institut zu einem Zukunftssymposium nach Weimar. Ein Interview mit Johannes Ebert, dem Generalsekretär, zur Kultur des Menschen in der digitalen Welt.

Es ist bereits das zweite Kultursymposium des Goethe-Instituts, das in diesem Jahr vom 19. bis 21. Juni in der Goethe-Stadt Weimar stattfindet. Bei gut 50 Veranstaltungen, Vorträgen, Diskussionen und Kunstaktionen will man sich drängenden Zukunftsfragen widmen. Ausgangspunkt der Debatten sind die aktuellen gesellschaftlichen Umbrüche, die durch die Globalisierung und Digitalisierung in Gang gebracht worden sind.

Deutsche Welle: Johannes Ebert, „Die Route wird neu berechnet“ lautet der Titel des Symposiums des Goethe-Instituts in Weimar. Welche Route meinen Sie und wohin soll die führen?

Johannes Ebert: Wir sind an einer Schwelle und an einem Wendepunkt, so nehmen wir das wahr, in der gesellschaftlichen Situation weltweit. Wohin geht man von diesem Wendepunkt, und welche Faktoren gibt es, die uns dabei beeinflussen? Wir konzentrieren uns auf dem diesjährigen also zum Ersten auf die Frage, wie orientiert man sich in der Welt – im Sinne von: Wie findet man seinen Weg? Das zweite Thema betrifft Fragen der Steuerungssysteme und der Autonomie: Wie behält der Mensch seine Eigenständigkeit und Unabhängigkeit angesichts beispielsweise digitaler Einflussnahme, einer Steuerung durch Algorithmen?

Johannes Ebert

Ein drittes Thema fragt nach der Regression – dass sich auf der ganzen Welt die politische Situation weg entwickelt von einer Offenheit hin zu einer Renationalisierung und der Einschränkung von Freiheiten. In einem vierten Block, den Diginomics, stellen wir uns die Frage, wohin steuert die Wirtschaft angesichts neuer Modelle von Plattformen, angesichts neuer digitaler Elemente? Das ist das Besondere an dem Symposium: Wir legen diese vier Stränge nebeneinander und schauen, wo sind die Verbindungen? Wie beeinflusst das eine das andere?
Welche gesellschaftlichen Umbrüche haben Sie besonders im Auge?

Natürlich die Digitalisierung, die uns sehr stark beeinflusst – positiv wie auch negativ. So richten wir hier den Blick in die Zukunft – etwa darauf, wie sich die Beziehungen zwischen Roboter und Mensch entwickeln werden, zum Beispiel im medizinischen Bereich. Oder die Frage, wie sich Digitalisierung im Krieg auswirkt, beispielsweise mit Killerdrohnen. Es gibt natürlich sehr viele Chancen, sehr viel Positives – aber auch sehr viele Fragen. Das Gleiche gilt für die persönliche Autonomie, wenn meine Daten überall eingesammelt und verwertet werden. Auch dazu gibt es während des Kultursymposiums ein Panel, etwa zum Vergleich, wie Länder wie China, Estland oder Indien mit Daten umgehen. Insofern ist die Digitalisierung für mich ein sehr großer Umbruch.

Schließlich die Globalisierung: Wie gehen wir damit um, dass unsere Welt auf der einen Seite immer gleicher, immer ähnlicher wird – dass es große Fragen gibt, die sich nicht mehr national beantworten lassen? Dass es auf der anderen Seite jedoch Menschen gibt, die sich bedroht oder abgehängt fühlen, was dann zu einer Renationalisierungs- und Abschottungstendenz führen kann.

Die Folgen dieser Verunsicherung, von der Sie sprechen, sind überall zu besichtigen: die Populisten im Aufwind, religiöser Extremismus, das Aufkeimen von Nationalismus und Abschottung, Absage an Multilateralismus. Dreht sich die Welt zurzeit rückwärts?

Ja, das ist genau die Frage, die wir ansehen wollen beim Symposium. Wie gehen die Menschen miteinander um im Internet? Wie tragen die Daten dazu bei, Menschen einzuschränken? Oder auch welche Techniken es gibt, um gegen populistische Bewegungen im Kunstbereich zu arbeiten? Solche Dinge werden uns da beschäftigen.

Schöne neue Welt: Bestimmen Roboter künftig unser Schicksal?

Erleben wir aus Ihrer Sicht eine Art Kulturkrieg – zwischen Verfechtern des „Weiter so“ und den Rückwärts-Kämpfern? 

Ich scheue mich ein bisschen, das Wort Krieg in solchen Dingen zu verwenden…

Aber Sie haben schon das Gefühl, dass hier etwas Großes im Gange ist?

Ja, es ist etwas Großes im Gange. Doch nicht alles, was passiert, ist negativ. Die Digitalisierung vor allem, aber auch die politischen Entwicklungen zeigen, dass wir als Gesellschaft wirklich überlegen müssen, wohin die Reise geht und wie wir sie als Menschen gestalten wollen. Das Symposium liefert einen Beitrag zu dieser Diskussion. Wir konzentrieren uns auf diese Aspekte. Das bedeutsame Thema Ökologie übrigens streifen wir dieses Mal nicht, damit beschäftigen wir uns als Goethe-Institut in mehreren anderen Veranstaltungen.

Sehen Sie eine Alternativroute?

Ich glaube ja, (lacht) ich bin Optimist. Aber jeder muss bei sich selbst anfangen. Wir müssen mit unserer Diskussion auch Menschen erreichen, die vielleicht anderer Meinung sind oder die Dinge schlichtweg leugnen. Das ist eine große Aufgabe, die nicht einfach ist.

Johannes Ebert, Jahrgang 1963, ist seit 2012 Generalsekretär des Goethe-Instituts.

Das Zukunftssymposium „Die Route wird neu berechnet“ findet vom 19. bis 21. Juni in Weimar statt. Die Keynote zur Eröffnung hält die britische Futuristin und Designerin Anab Jain. Zu den prominenten Gästen zählen außerdem der indische Schriftsteller Pankaj Mishra („Willkommen im Zeitalter des Zorns“), der Harvard-Physikprofessor und Navigationsexperte John Huth sowie der australische KI-Experte Toby Walsh. Mit dabei ist auch das griechische Künstlerkollektiv „Most Mechanics Are Crooks“, das die Selbstinszenierung in den digitalen Medien thematisiert.  Als Festivalzentrum dient das E-Werk in Weimar, wie schon 2016 beim ersten Kultursymposium des Goethe-Instituts, damals zum Thema „Teilen und Tauschen“.

Das Gespräch führte Stefan Dege.

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