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Kultur - 21.02.2019

Die Vorlieben der Oscar-Academy

Was für Filme nominiert die Academy für einen Oscar? Die DW-Analyse zeigt: Dramatische Wendungen helfen bei einer Nominierung als „Best Picture“. Alkohol allerdings auch.

Sollten Sie jemals den Oscar für den besten Film, den wichtigsten Preis für englischsprachige Filme, in Händen halten wollen, möchten wir Ihnen Folgendes ans Herz legen: Schauen Sie Nachrichten oder blättern Sie im Geschichtsbuch und suchen sich ein dramatisches Ereignis, das Sie nacherzählen. Denn nichts zieht bei den Oscar-Nominierungen so sehr wie die Verfilmung einer herzzerreißenden wahren Begebenheit. Wichtig ist: Drama, Drama, Drama.

Denn aus der ganzen Masse an Filmen, die sich für die Teilnahme am Oscar-Rennen qualifiziert haben, sind es überdurchschnittlich oft Dramen, die die Academy nominiert oder mit dem Oscar als „Best Picture“ auszeichnet.

Das zeigt die Grafik: Bei den für die Oscars qualifizierten Filmen sind rund 19 Prozent Dramen. Unter den Gewinnern als „Bester Film“ sind Dramen dann allerdings häufiger vertreten, nämlich mit rund 38 Prozent. Bei den Komödien ist es umgekehrt: Unter den Oscar-Qualifizierten sind recht viele Komödien; die goldene Statue gewinnt allerdings selten eine. 

Was der Academy gefällt

Doch welche Bestandteile braucht ein Film noch, um der Academy zu gefallen? Es gibt weitere Merkmale, die die Chancen auf eine Nominierung als „Best Picture“ erhöhen:

Wenn Sie Ihren Film planen und die reale Geschichte, die Sie in der Tageszeitung gefunden haben, für eine Verfilmung nicht reicht, dürfen Sie – gemäß dem Academy-Geschmack – auch gerne ein bisschen nachhelfen. Ein paar Beispiele: Der Gegenspieler in Clint Eastwoods „American Sniper“, dem Biopic über den US-Scharfschützen Chris Kyle, wurde kurzerhand aus unterschiedlichen Figuren zusammengeschustert – und der Film als „Best Picture“ nominiert; in „12 Years a Slave“ wurde die juristische Auseinandersetzung über die Herkunft von Solomon Northup aus Praktikabilität verkürzt – und der Film als bester Film des Jahres ausgezeichnet.

Verkürzt, aber wahr: die Geschichte des Films „12 Years a Slave“

Wenn Sie die Ratschläge aus dieser Analyse also annehmen und dann tatsächlich bei der Oscar-Zeremonie im Dolby Theatre in Hollywood Ihre Gold-Statue entgegennehmen, danken Sie aber bitte nicht nur der Academy, sondern ebenfalls den fleißigen Nutzerinnen und Nutzern der Online-Datenbank TVTropes.org. Das ist ein Wiki, also eine Mitmach-Datenbank, in der nichtkommerzielle Nutzerinnen und Nutzer Motive, Muster und wiederkehrende Elemente in unterschiedlichen Medien eintragen können – nicht nur in Filmen, sondern auch beispielsweise in Videospielen oder Mangas.

Denn durch deren Arbeit konnte die DW erst die Motive und Bestandteile – sogenannte Tropes – ausmachen, die einen statistisch signifikanten Einfluss auf eine Oscar-Nominierung in der Kategorie „Bester Film“ haben.

Filme mit bestimmten Zutaten haben demnach eine höhere Wahrscheinlichkeit, von der Academy of Motion Picture Arts and Sciences als „Bester Film“ nominiert zu werden, als Filme ohne sie. 

Die Methodik

Das ist ein Ergebnis der Analyse von 2682 Filmen, die seit dem Jahr 2000 für die Oscars zur Auswahl standen und denen Menschen in der Online-Datenbank TVTropes.org filmische Motive zugeordnet haben. Daraus kann man den Geschmack der Oscar-Academy der letzten rund 20 Jahre untersuchen und vermeintliche Präferenzen ableiten.

Auf TVTropes.org wird – gerne in einem ironischen Ton – vermerkt, wie oft Menschen glücklich verheiratet sind, Anspielungen an andere Filme vorkommen oder der Butler der Mörder ist. Nutzerinnen und Nutzer können nicht nur Beispiele dafür sammeln und ergänzen, sondern auch eigene Seiten erschaffen. Da gibt es dann auch erstaunlich kuriose Motive: wann Sushi auf einem menschlichen Körper serviert wird, Kinder in ein Camp zum Abspecken gesteckt werden oder Buenos Aires als Hauptstadt Brasiliens herhalten muss.

Die Academy mag Romanverfilmungen und bittersüße Enden

Unter der Überschrift „Honor Before Reason“ werden bei TVTropes.org beispielsweise Szenen gelistet, in denen Ehre und Stolz mehr zählen als der Verstand – auch das scheint der Academy zu gefallen. Zumindest ist es viermal wahrscheinlicher für einen Film mit diesem Motiv für einen Oscar nominiert zu werden als für einen Streifen ohne.

Ebenso scheint ein bittersüßes Filmende einer Oscar-Nominierung zuträglich zu sein – die Wahrscheinlichkeit für eine Oscar-Nominierung ist fast dreimal höher als mit einem anderen Ende.

Wenn beispielsweise Frodo im letzten Teil der „Herr der Ringe“-Verfilmung von Regisseur Peter Jackson seinen Freund Sam in Mittelerde zurücklässt, um die seelischen Wunden seiner Ring-Bürde im symbolischen Jenseits zu pflegen, könnte das die Academy beeindrucken.

Tragisch: Am Ende des Films lässt Frodo Sam allein zurück in Mittelerde

Der bei der Oscar-Verleihung 2004 als „Best Picture“ prämierte „Herr der Ringe“-Film ist ohnehin ein gutes Beispiel, an das Sie sich halten können, wenn Sie mit Ihrer Produktion den Geschmack der Academy treffen wollen. Denn er erfüllt als Romanverfilmung (siehe auch „Der englische Patient“, „Slumdog Millionär“ oder „Forrest Gump“) mit atemberaubenden Landschaftsaufnahmen (ebenfalls in „Jenseits von Afrika“, „Titanic“ und „Der mit dem Wolf tanzt“ zu sehen) gleich noch zwei weitere nominierungsträchtige Merkmale.

Drama und Tragik sind gut, ein bisschen Kitsch und ein wohliges Gefühl in der Bauchgegend dürfen allerdings auch nicht fehlen. Denn auch Motive wie eine glückliche Hochzeit erhöhen die Chancen zur Nominierung als „Best Picture“.

Der Quoten-Alkoholiker

Und dann wäre da noch der Alkohol. Unter den acht Bewerbern für den besten Film sind in diesem Jahr gleich vier Filme, in denen Nutzerinnen und Nutzer von TVTropes.org Alkoholiker entdeckt haben: In „A Star is Born“ trinkt sich der untergehende Musikstar Jackson Maine, gespielt von Bradley Cooper, in seinen Ruin. Mahershala Ali trinkt als talentierter Pianist in „Green Book“ gern die ein oder andere Flasche Cutty Sark. Das Ku-Klux-Klan-Mitglied Ivanhoe ist in „BlacKkKlansman“ ständig betrunken und in „Vice“ haben sowohl die Figuren Dick Cheney als auch Präsident George W. Bush ein Alkoholproblem.

In „A Star is Born“ hat Country-Sänger Jackson Maine mit seinem Alkoholproblem zu kämpfen

Und bei der Auflistung sind noch nicht einmal die Alkoholexzesse aus „Bohemian Rhapsody“ oder das Trinken aus Einsamkeit und Frust des mexikanischen Familiendramas „Roma“ aufgezählt – beide Filme sind ebenfalls für den Oscar als „Bester Film“ nominiert.

Für Nominierungs-Anwärter lohnt es sich also, sich an diesen Merkmalen zu orientieren. Wenn Sie nun also ein herzzerreißendes Drama nach einer wahren Geschichte mit einem Quoten-Alkoholiker in atemberaubender Landschaft abdrehen, haben Sie dann eine Garantie, auch einen Oscar zu gewinnen? Nein: Es gibt laut Analyse keine bestimmten Motive, die statistisch signifikant häufiger von der Nominierung zum Oscar-Gewinn geführt haben. Allein bei den Nominierungen lassen ich Erfolgsmerkmale identifizieren.

Drama ist nicht alles

Wenn Sie nun trotzdem Ihren Oscar-Film produzieren möchten – denn Studien zeigen, allein eine Nominierung lohnt sich an den Kinokassen enorm – seien Sie gewarnt: Es kommt zwar auf die Bestandteile Ihres Films an, aber eben nicht nur.

Damit ein Film als „Best Picture“ zur Auswahl steht, muss er unter anderem im vorangegangenen Jahr mindestens sieben aufeinanderfolgende Tage lang in Los Angeles County im Kino gelaufen sein. Netflix beispielsweise hat „Roma“, ein Drama um eine mexikanischen Oberschicht-Familie in den 70er Jahren und ihr Kindermädchen, gezielt nur für diesen Zweck kurz im Kino laufen lassen.

Netflix-Film „Roma“ kam extra für die Oscars ins Kino

Wie die beiden amerikanischen Soziologen Gabriel Rossman und Oliver Schilke 2014 in ihrer Oscar-Studie beschreiben, ist auch das Erscheinungsdatum eines Films sehr wichtig: Eine Oscar-Nominierung ist wahrscheinlicher, je später der Film im Jahr veröffentlicht wird. Denn dann ist er der Academy noch präsent, bevor im Januar die Nominierungen bekannt gegeben werden und darauf die Produzentinnen und Produzenten bis kurz vor der Verleihung in L.A. um die Gunst der Academy-Mitglieder buhlen – denn so lange können noch Stimmen abgegeben werden. Letzten Endes entscheidet die vom Hollywood Reporter auf rund 8200 Personen geschätzte Academy – wer genau darin sitzt, wird geheimgehalten – aus 17 Film-Gewerken über den „Besten Film“ des Jahres.

„Roma“: Teuerste Werbekampagne seit Jahren

Für eine Nominierung spielen neben dem Inhalt aber auch das Werbebudget eines Films eine wichtige Rolle. Netflix hat für „Roma“ die teuerste Oscar-PR-Kampagne seit Jahren gestartet und laut PR-Experten zehn bis 20 Millionen Dollar ausgegeben, wie die New York Times berichtet.

Viel Drama und tolle Landschaftsaufnahmen können also helfen, ein dickes Budget ist für das Oscar-Rennen aber wohl dennoch unerlässlich.

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