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Kultur - 13.03.2019

ESC 2019: Alle 41 Teilnehmer-Songs stehen fest

Seit Januar liefen in den Teilnehmerländern die nationalen Vorentscheide für den Eurovision Song Contest im israelischen Tel Aviv. Nun sind alle Acts und Lieder ermittelt – und wir haben mal reingehört.

Am Sonntag wurde das letzte große Geheimnis gelüftet: Gastgeber Israel verriet, mit welchem Lied der Sänger Kobi Marimi (Titelbild) das Land vertreten soll. Marimi hatte die Show „Next Star for Eurovision“ für sich entscheiden: Der 27-Jährige setzte sich in der Endrunde mit einer souligen Version des Beatles-Klassikers „Let it Be“ gegen seine drei Finalkonkurrentinnen durch. In Tel Aviv wird er mit einer herzzerreißenden Ballade antreten, die jetzt schon die Geister scheidet. Mit Netta, der quirligen und schrillen Vorjahressiegerin hat dies nichts mehr zu tun. Böse Zungen lästern: Israel will den Contest nicht nochmal austragen.

Die Schweden haben am Samstag Abend in der letzten Runde ihres „Melodifestivalen“ John Lundvik zu ihrem Kandidaten gewählt. „Too late for Love“ ist eine Powersoul-Ballade, die an den sehr erfolgreichen Song aus Österreich vom letzten Jahr erinnert. César Sampson wurde 2018 in seiner sehr starken Soulballade von einem Gospelchor unterstützt und kam auf Platz 3 in Lissabon; Ähnliches bekommen wir jetzt auch beim schwedischen Kandidaten in zu hören.

John Lundvik wird für Schweden singen. Das Lied ist gut, das Konzept nicht neu

Viele Länder, egal ob aus Ost- oder West-Europa, setzen in diesem Jahr auf junge hübsche Männer, die Balladen singen, die oftmals nach dem selben Muster gestrickt sind. Es geht langsam los und explodiert dann im Refrain. Auch die meisten weiblichen Acts kommen mit den üblichen dramatischen Songs daher, in denen es letztlich darauf ankommen wird, wie gut sie performen und wie geschickt Tänzer, Pyrotechnik, Lichteffekte und Windmaschinen eingesetzt werden.

Ein paar viel versprechende Songs

So wird es in Tel Aviv wenig musikalische Überraschungen geben; ein paar Lieder aber haben es in sich und werden schon jetzt sehr hoch gehandelt:

Ganz weit vorne in der Gunst der Fans liegt zurzeit der Beitrag aus den Niederlanden. Der eher unbekannte 24-jährige Duncan Laurence kommt mit der zarten Ballade „Arcade“ und versetzt nicht nur weibliche Fans, sondern auch die Schwulenszene in hellstes Entzücken. Die Schweiz schickt mit Luca Hänni einen ähnlichen Act nach Tel Aviv. Den Sänger kennen treue Fans der deutschen TV-Castingshow „Deutschland sucht den Superstar“ seit 2012: In dem Jahr hat er die Show nämlich gewonnen. 

Luca Hänni beim DSDS-Finale 2012. Inzwischen ist er 24 Jahre alt und hat viele Fans

Malta überrascht mit einem sehr tanzflächenkompatiblen Song – einer Mischung aus Reggaeton, Elektro und einem ESC-gefälligen Refain. Das könnte eine Überraschung geben, denn „Chameleon“, gesungen von Michela, erinnert ein bisschen an „Fuego“, den Beitrag aus Zypern, der im letzten Jahr für Furore gesorgt hatte.

Der Italiener Mahmoud, von seinem eigenen Innenminister verhöhnt und gehasst, wird in Tel Aviv mit „Soldi“ eine Popnummer bringen, die einen pumpenden Refrain mit hohem Wiedererkennungscharakter hat. Damit wird er weit kommen.

Auch Bilal Hassani aus Frankreich muss viele Anfeindungen in seinem Land hinnehmen. Er ist marokkanischer Abstammung und macht aus seiner Homosexualität keinen Hehl. In seinem Lied „Roi“ lässt er sich nicht unterkriegen.

Lake Malawi: „Friend of a Friend“. Das ist lupenreiner fröhlicher funky Soulpop, der allerdings klingt, als habe man ihn aus den 80er Jahren nochmal wiedererweckt. Tschechien setzt damit wie vergangenes Jahr auf junge, unverbrauchte Gesichter mit Spaß an der Musik und großer Tanzlust.

Die Ausreißer

Kate Miller-Heidke auf ihrem „Kleid-Berg“

Australien will mit Operngesang punkten. „Zero Gravity“ ist ein Song, der hinaussticht und sicher viele Fans haben wird. Der Gesang, der an manchen Stellen an Mozarts „Königin der Nacht“ erinnert, ist allerdings gewöhnungsbedürftig. Das Arrangement spielt mit so vielen verschiedenen Tempi und Stilen, dass das Lied kaum zu fassen ist. Die Sängerin Kate Miller-Heidke stand beim australischen Vorentscheid auf einem – man kann es kaum anders beschreiben – gigantischen „Kleid-Berg“.

Sehr merkwürdig kommt Polen mit „Pali Się“ daher. Ein Damenquartett namens Tulia schreit uns drei Minuten lang an. Es ist zwar ein traditioneller polnischer Gesang, der auch „weißer Gesang“ genannt wird. Ob das außer in den osteuropäischen Ländern ankommt, ist fraglich. Der Song ist gut und interessant komponiert und arrangiert. Doch für Ohren, die das nicht gewöhnt sind, werden die „weißen Stimmen“ von Tulia zu schrill sein.

Was kommt da aus Portugal? Sein Name ist Conan Osíris und auch sonst ist er alles andere als konventionell. Sein Lied „Telemóveis“ (Handy) ist eine Fusion aus Fado, Techno und arabischen Einflüssen mit Modern-Dance-Elementen. Eine Toncollage, in der nichts zueinander zu passen scheint. In den einschlägigen Foren wurde bereits ausgiebig über „Telemóveis“ gelästert. Eines kann man sagen: Der Song ist ebenso realitätsfremd wie mutig und wird das Publikum entweder total begeistern oder abschrecken.

Conan Osiris. In Tel Aviv wird er ein Phantasiekostüm und eine archaische Maske tragen

Island war eines der Länder, die den ESC in Israel aus politischen Gründen boykottieren wollten. Nun schicken sie doch einen Act nach Tel Aviv – der es aber in sich hat: Mit dem Industrial-Hammer „Hatrið mun sigra“ (Hass wird siegen) hat die Band Hatari den isländischen Vorentscheid „Söngvakeppnin“ für sich entschieden. Die drei jungen Edelgrufties haben sich im Vorfeld schon politisch geäußert – in Tel Aviv müssen sie sich damit zurückhalten, um nicht disqualifiziert zu werden.

Es geht auch ohne Pathos

Spanien schickt eine fröhliche Merengue-Uptempo-Nummer ins Rennen, die wahrscheinlich chancenlos sein wird, sich aber erfrischend von den anderen Songs abhebt.

Ebenso der Beitrag aus Lettland: „That Night“ von Carousel ist eine wundervoll unaufgeregte sanfte Akustikpopnummer. Auch dies eine Wohltat zwischen all den überproduzierten ESC-Songs.

Ein Poplied, gesungen mit frecher Frauenstimme, die so ein bisschen klingt wie alle Popsängerinnen gerade klingen: Dieses Rezept findet Dänemark gut und schickt Leonora mit „Love is forever“ ins Rennen. Das Lied ist auf englisch und französisch gesungen, deutsche und dänische Textzeilen sind auch dabei. Ein süßer Song, der so viele ESC-Fans wie möglich erreichen will und dies wahrscheinlich auch tut.

Wahrscheinlich chancenlos

Serhat – ein sympathischer Sänger mit Crooner-Qualitäten aber leider mit dem falschen Song

Das kleine San Marino gibt nicht auf. Veteran Serhat kommt – nachdem er 2016 schon in Stockholm für San Marino angetreten war – zurück und will mit einer Dancefloor-Nummer in Tel Aviv punkten. Das Popnümmerchen „Say Na na na“ ist allerdings so billig, dass auch seine charismatische Stimme es nicht retten wird.

Finnland schickt einen seiner bekanntesten Popexporte: Darude. Das Elektro-Duo hat sich einen Sänger dazu geholt. „Look Away“ beginnt wie eine der vielen ESC-Balladen, die im Refrain zum Dancefloor-Booster werden. Man sollte meinen, dass es hier richtig krachen würde, denn schließlich ist mit Darude ein Act am Start, der in den späten 1990ern mit „Sandstorm“ einen unvergessenen Technoklassiker geliefert hat. Das Duo aber ist in die Jahre gekommen – leider unterscheidet sich der Song nicht sehr von vielen anderen diesjährigen Songs im Teilnehmerfeld.

„S!sters“: Die deutschen ESC-Fans hoffen, dass Laurita (links) und Carlotta einen perfekten Auftritt abliefern

Wie sich die beiden deutschen Teilnehmerinnen S!sters schlagen werden, steht in den Sternen. Zurzeit liegen sie bei den Buchmachern im letzten Drittel, aber solche Trends sind so lange vor dem Wettbewerb noch keine verlässlichen Indikatoren.

Zankapfel

Die Ukraine hatte die Fans schon seit Monaten mit tollen Beiträgen in den Vorentscheid-Runden entzückt. Und schließlich wurde auch mit „Siren Song“ von Maruv ein extrem guter Song ausgewählt. Ende Februar allerdings sagte die Ukraine ihre Teilnahme ab. Maruv tritt nämlich auch in Russland und in den von Russland besetzten Gebieten der Ukraine auf, was von allerhöchster Stelle missbilligt wird. Die Sängerin sollte einen Vertrag unterzeichnen, in dem sie zusagen sollte, dass sie nie mehr in Russland auftreten werde. Hier wird der ESC mal wieder zum Politikum und zum Zankapfel zweier verfeindeter Nationen. Die Ukraine hatte schon vor zwei Jahren der russischen Kandidatin die Einreise verboten, so dass Russland beim ESC in Kiew nicht teilgenommen hat.

Sergey Lazarev ist nicht nur in Russland ein Star. Viele ESC-Fans lieben den smarten Sänger

Und schließlich Russland: Sergey Lazarev ist ein Superstar. In Stockholm 2016 hat er mit einer unglaublichen Performance den dritten Platz gemacht. Nun wollen es die Russen wohl wissen und schicken Lazarev ein weiteres Mal zum ESC. Sein Song wurde bis vor kurzem unter Verschluss gehalten, um die Spannung zu steigern: Das musste ein unglaublicher Knaller werden. Die Enttäuschung war groß, als „Scream“ enthüllt wurde. Noch eine Ballade. Zweifelsohne sehr gut gesungen, Lazarev ist in zwei Oktaven zu Hause, und das zeigt er eindrucksvoll. Auf jeden Fall wird es bei diesem Song ordentlich windig werden auf der Bühne.

Diese, vom deutschen Designer Florian Wieder gebauten, Bühne ist übrigens zur Freude vieler Fans in diesem Jahr wieder etwas aufwändiger. Nachdem 2018 in Lissabon viel Wert auf Schlichtheit gelegt wurde, dürfte es in diesem Jahr in Tel Aviv wieder richtig schön krachen und ballern. Das muss es auch. Denn die vielen Balladen könnten sonst etwas ermüdend wirken.

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