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Kultur - 21.06.2019

Klimakiller Kreuzschifffahrt?

Die Kreuzschifffahrtbranche boomt. Gleichzeitig wächst der Protest: Die schwimmenden Hotelanlagen verpesten nicht nur die Umwelt, sondern bringen auch Städte an den Rand des Kollaps, behaupten Kritiker. Ein Faktencheck.

Ganze sechs Stunden dauerte es, bis die 70.000 PS starke „Zuiderdam“ Anfang Juni aus dem Kieler Hafen auslaufen konnte. 50 Aktivisten der Gruppe „Smash Cruiseshit“ behinderten das Kreuzfahrtschiff mit Kanus und Schlauchbooten an der Ausfahrt – bis der Protest von einem Sondereinsatzkommando der Polizei aufgelöst wurde. Auch wenn die Kritik am Kreuzfahrttourismus wächst: Die Branche boomt wie nie zuvor. 2018 buchten weltweit 28,5 Millionen Touristen eine Reise auf einem schwimmenden Hotel, mehr als 2 Millionen davon aus Deutschland, Tendenz steigend. Was früher für viele ein Traum blieb, ist heute für eine große Masse dank gesunkener Preise erschwinglich.

Umweltschützer kritisieren, dass vor allem die Umwelt den Preis für die günstigen Traumreisen zahlt. Denn der überwiegende Teil der weltweit rund 300 Kreuzfahrtschiffe fährt immer noch mit Schweröl, dem schmutzigsten Treibstoff überhaupt. Eigentlich ist Schweröl ein Abfallprodukt der Erdölverarbeitung. Die Reedereien nehmen den Raffinerien ihren Sondermüll dankend ab und nutzen ihn als günstigen Treibstoff für ihre Ozeanriesen. Ein klassisches Win-Win-Geschäft könnte man meinen – nur eben nicht für die Umwelt.

Die Aktivistengruppe „Smash Cruiseship“ bei der Blockade der „Zuiderdam“ im Kieler Hafen

Denn bei der Verbrennung von Schweröl werden nicht nur große Mengen CO2 (Kohlendioxid) freigesetzt, sondern auch giftige Stoffe wie Schwefel, Feinstaub und Schwermetalle. Darunter leidet nicht nur die Umwelt. Auch die Bewohner von Küstenstädten klagen zunehmend über schmutzige Luft. Denn Klimaanlagen, Licht und Heizung der Schiffe müssen schließlich auch im Hafen weiterlaufen. Immerhin schalten die Schiffe in den Häfen auf den teuren Marinediesel um. Der ist zwar etwas sauberer als Schweröl, aber immer noch schadstoffhaltig genug.

Theoretisch könnten die weißen Riesen während ihrer Liegezeiten – die bei den meisten Kreuzfahrten immerhin rund 40 Prozent der gesamten Reisezeit ausmachen – auch Strom von Land beziehen. Bisher allerdings bieten mit Hamburg (Deutschland) und Kristiansand (Norwegen) nur zwei Häfen in ganz Europa den so genannten Landstrom an. Um diesen zu beziehen müssten die Reedereien ihre Schiffe für viel Geld nachrüsten. Doch der finanzielle Anreiz und der politische Druck fehlen. Das sieht man schon allein daran, dass selbst Schiffe mit Landstromanschluss diesen meist nicht nutzen.

Spiel und Spaß auf dem schwimmenden Hotel: Kreuzfahrten sind nicht nur mehr ein Privileg der Gutbetuchten

Landstrom sei „eine gute Option“, sagt Helge Grammerstorf, Deutschland-Chef des Weltverbands der Kreuzfahrtindustrie CLIA, im Gespräch mit der DW. „Aber wir müssten grünen Strom von Land bekommen, sonst macht das unter ökologischen Gesichtspunkten keinen Sinn.“ Die Schadstoffbelastung in den Hafenstädten würde zwar sinken, nicht aber im Umfeld der Kohlekraftwerke. Außerdem müsse der Ökostrom zu guten wirtschaftlichen Konditionen angeboten werden, erklärt Grammerstorf. „Daran wird gearbeitet, mit durchaus guten Aussichten auf Erfolg.“ Doch fest steht: Solange es kein flächendeckendes Netz gibt und der Strom zu teuer ist, werden die Dieselmotoren weiterlaufen und damit die Luft der Hafenstädte belasten.

Das Umweltengagement der Reedereien ist umstritten

Die Kreuzfahrtindustrie weist darauf hin, Milliarden zu investieren, um ihre Schiffe umweltfreundlicher zu machen. Dabei setze man vor allem auf Flüssigerdegas (LNG-Antriebe) und Abgasnachbehandlungsanlagen, erklärt Grammerstorf.

Und tatsächlich: Mit der „AIDAnova“ ist im letzten Jahr das erste Schiff der Welt mit LNG-Antrieb vom Stapel gegangen. Das Flüssigerdgas ist wesentlich umweltfreundlicher als Schweröl: Keine Rußpartikel, fast keine Stickstoff- und Schwefelemissionen sowie 20 Prozent weniger CO2-Ausstoß. Kritiker monieren allerdings, dass LNG vorwiegend durch Fracking gewonnen wird, ein Verfahren, das so hohe Umweltrisiken birgt, weswegen es in Deutschland weitgehend verboten ist.

Die „AIDAnova“ bei ihrer Überführung im Herbst 2018

Und LNG ist teuer. So wird die Branche wohl mittelfristig weiterhin auf Schweröl setzen – und das, obwohl die UN-Organisation IMO (International Maritime Organization) bereits schärfere Grenzwerte für Schwefel- und Stickstoffgehalt im Kraftstoff beschlossen hat. „Die Hoffnung, dass man mit den Schwefelgrenzwerten automatisch das Schweröl loswird, wird sich wohl leider nicht erfüllen“, sagt Katharina Koppe vom Umweltbundesamt gegenüber der DW. Denn die Abgasnachbehandlungssysteme, die so genannten Scrubber, sind laut Koppe „extrem umstritten“. Diese verringerten zwar die Emissionen der Kreuzfahrtschiffe, belasteten mit ihrem Abwasser jedoch gleichzeitig die Meere.

Geht es um die Klimabilanz von Kreuzfahrtschiffen, sollte man den Blick allerdings weiten: Gemessen am globalen Tourismusaufkommen haben Kreuzfahrten lediglich einen Anteil von zwei Prozent. Zum Vergleich: Fast 60 Prozent der Reisenden nahmen 2018 das Flugzeug zu ihrem Urlaubsziel – diese Klimabilanz ist viel verheerender. Auch ein Blick auf die Seeschifffahrt insgesamt ist angebracht. Denn im Vergleich zu den 40.000 Handelsschiffen, die 90 Prozent des Welthandels abwickeln und die ebenfalls überwiegend mit Schweröl fahren, erscheinen die 300 Kreuzfahrtschiffe wie eine fast vernachlässigbare Größe.

Wie nachhaltig ist Kreuzfahrt-Tourismus?

Doch Urlaub auf dem Kreuzfahrtschiff ist nicht nur im Bezug auf die Umweltfolgen problematisch. Der Kreuzfahrtboom hat, wie auch die Billigflieger, den Tourismus stark verändert. Die schwimmenden Hotelanlagen spucken täglich Tausende von Besuchern in Städte wie Amsterdam, Venedig und Dubrovnik. Doch die Besucher bleiben nur wenige Stunden. Gegessen und geschlafen wird im schwimmenden Hotel, Stadtrundgänge und Museumsbesuche sind meist vom Kreuzfahrt-Veranstalter selbst organisiert. Das lokale Tourismusgewerbe guckt in die Röhre. Zurück bleiben genervte Anwohner und jede Menge Müll.

Demonstranten protestierten am 8. Juni in Venedig gegen Kreuzfahrtschiffe, nachdem die „MSC Opera“ im Hafen ein Touristenboot gerammt hatte

Weil sie an dem wachsenden Andrang zu ersticken drohen, haben Städte wie Dubrovnik in Kroatien und Bergen in Norwegen die Anzahl der Kreuzfahrschiffe, die im Hafen anlegen dürfen, reduziert. Palma de Mallorca will nachziehen. Andere Städte wie Venedig und Amsterdam haben angekündigt, die Anleger für Kreuzfahrtschiffe aus der Innenstadt zu verbannen.

CLIA-Deutschland-Direktor Grammerstorf hält dagegen, dass die Kreuzfahrtbranche nur einen sehr geringen Anteil an den Touristenmassen in den Städten habe: „In Barcelona sind es gerade einmal acht Prozent, in Venedig sogar nur fünf Prozent. Das heißt, selbst wenn es die Kreuzfahrten gar nicht gäbe, wären über 90 Prozent des Gästeaufkommens immer noch in der Stadt.“ Grammerstorf betont zugleich: „Wir haben selbstverständlich ein Interesse an nachhaltigem Tourismus, weil wir natürlich nicht wollen, dass die Destinationen unserer Reisen an Attraktivität verlieren.“ Zudem sei die Kreuzfahrtindustrie für die Hafenstädte immer noch ein sehr gutes Geschäft.

Doch auch wenn Kreuzfahrten nur einen geringen Anteil am Massentourismus und dessen Umweltfolgen haben: Die Branche wächst im Vergleich zum globalen Reisemarkt überproportional schnell. Immer mehr Schiffe werden in den kommenden Jahren über die Weltmeere kreuzen und mit ihnen immer mehr Touristen.

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