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Kultur - 09.03.2019

Networkerin Tijen Onaran: „Die Digitalisierung hilft Frauen, sichtbar zu werden“

Digitalisierung und Diversität sind die großen Themen der Speakerin Tijen Onaran. Warum ihr Netzwerk „Global Digital Women“ für Frauen neue berufliche Chancen bietet, erläutert sie am Weltfrauentag im DW-Interview.

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Auf ihrem Profil zählt Tijen Onaran 17 Jobs auf: von der aufstrebenden Politikerin, die mit 20 für den Landtag kandidierte, bis hin zur Gründerin des internationalen Frauennetzwerks“Global Digital Women“. Ihre Jobs in der Politik hat sie aufgegeben, um Frauen zu ermutigen, Digitalisierung als Karrierechance zu nutzen. Tijen Onaran ist Speakerin, (Gender-) Unternehmensberaterin und leidenschaftliche Networkerin, die sich besonders für Diversität einsetzt. Sie selbst hat einen muslimischen Background, ist in Deutschland aufgewachsen und auf ein katholisches Mädchengymnasium gegangen. Gerade ist ihr erstes Buch „Die Netzwerkbibel – Zehn Gebote für erfolgreiches Networking“ erschienen. Ihr Ziel: tolle und kompetente Frauen zusammenzubringen und sie in männerdominierten Branchen sichtbar zu machen. Warum die Digitalisierung dabei eine große Rolle spielt, erläutert sie am Weltfrauentag im DW- Interview.

DW:Frau Onaran, Sie haben das Netzwerk Global Digital Women vor vier Jahren ins Leben gerufen, um Frauen gerade in der Digitalbranche zu vernetzen und sichtbar zu machen. Warum braucht es dieses spezielle Netzwerk?

Veranstaltungen im digitalen Kontext sind meist sehr männlich geprägt. Bei Podiumsdiskussionen zu „künstlicher Intelligenz“ oder „Blockchain“ sitzen oft männliche Experten. Auch in den Medien habe ich festgestellt, dass viele Geschichten von Gründern und nicht von Gründerinnen erzählt werden. Das ändert sich mittlerweile, aber das war ein Punkt der mich vor vier Jahren dazu bewogen hat, die Frauen nicht nur zu vernetzen, sondern auch selbst Veranstaltungen zu organisieren um diese kompetenten Frauen auch analog zusammenzubringen. Dadurch werden sie sichtbar.

Es ist wichtig, dass sie ihre eigene Geschichte erzählen. Ich glaube fest daran, wer nicht sichtbar ist, der findet auch nicht statt. Damals, als wir anfingen, waren es zwölf Frauen, die zu unserem ersten Event kamen, mittlerweile haben wir eine Community von über 30.000 Frauen.

Sie haben im letzten Jahr zusätzlich das Onlinemagazin „FemaleOneZero“ gegründet, um Frauen-Geschichten auch digital zu verbreiten…

Unsere Veranstaltungen sollen nachhaltig sein. Ich möchte nicht, dass die Frauen dort ganz viel Wissen ansammeln, sich vernetzen und das war’s. Ich wollte das dauerhaft dokumentieren. Da haben wir überlegt, ein Onlinemagazin zu gründen, das auch auf Englisch erscheint, um auf diese Weise dem globalen Gedanken des Global Digital Women-Netzwerks noch gerechter zu werden. Dort bilden wir unsere Veranstaltungen ab, aber auch die Geschichten von spannenden Frauen.

Zum Beispiel Frauen aus Marokko, Indien oder Unternehmerinnen aus Afrika. Was Unternehmertum und digitale Expertise anbelangt, da ist man im afrikanischen Raum schon viel weiter als hier in Deutschland. Das finde ich interessant, das will ich abbilden, um auch deutschen Frauen zu zeigen, dass sich in Ländern etwas tut, von denen man es vielleicht nicht erwartet.

Was bedeutet Netzwerken für Sie persönlich?

Für mich bedeutet Netzwerken Freiheit, aber auch Unabhängigkeit. Diese Unabhängigkeit finde ich besonders für die Länder spannend, die das Thema Frauenrechte und Gleichberechtigung noch nicht so stark auf ihrer Agenda haben, wo es Restriktionen gibt. Heutzutage kann ich mein Netzwerk selbst ausbauen. Die digitalen Kanäle bieten mir einen Zugang und demokratisieren auf diese Weise unsere Gesellschaft.

Wie hilft das Netzwerk Global Digital Women den Frauen konkret?

Einmal organisieren wir Veranstaltungen in verschiedenen Städten, wo Frauen auf spannende Persönlichkeiten treffen, die zum Teil schon in hohen Positionen sind und eine Vorbildfunktion haben.

Um die Frauen sichtbar zu machen, haben wir auch einen Award ins Leben gerufen, den „Digital Female Leader Award“, der Frauen auszeichnet, die Digitalisierung prägen oder gestalten. Es erscheinen dann auch Portraits von ihnen in Zeitschriften und sie bekommen dadurch einen gewissen Expertenstatus.

Tijen Onaran hilft Unternehmen, für Frauen attraktiv zu werden

Außerdem beraten wir die Unternehmen dahingehend, wie sie das Thema Diversität umsetzten können. Das fängt schon bei der Gestaltung einer Stellenanzeige an, mit der man mehr Frauen erreichen will. Wir arbeiten auch darauf hin, dass die Firmen etwa Podiumsdiskussionen zu digitalen Themen mit kompetenten Frauen aus dem Unternehmen besetzen, und die Experten nicht nur in der Vorstandsebene suchen.

Das sind dann Unternehmen, die ihre Frauenquote erhöhen wollen oder sollen?

Meistens wurden sie aufgrund der Frauenquote angewiesen zu handeln. Im zweiten Schritt merken sie aber auch, dass es wirklich wichtig ist. Da kommt eine neue Generation von uns Frauen nach, aber auch von Männern. Beide Geschlechter sagen mittlerweile, das ist für mich kein spannender Arbeitgeber, der nicht auf Diversity setzt. Damit meine ich nicht nur die Frauenquote, sondern auch generationsübergreifende Teams und Teams, die aus Menschen verschiedener Länder bestehen.

Allein aus dieser Talent-Management-Perspektive heraus merken die Unternehmen, dass sie etwas verändern müssen. Sonst bekommen sie die Talente nicht mehr, weil die heutzutage alle Möglichkeiten dieser Welt haben.

Ihr Netzwerk ist auf Sichtbarkeit und Karriere ausgerichtet. Das scheint bei Männern üblicher zu sein als bei Frauen. Gibt es eine Erwartungshaltung, dass Frauen eher sozial orientiert netzwerken?

Bei Frauen geht es relativ schnell um eine Aktion, für die man sich zusammenschließt. Es gibt etwas, wogegen wir kämpfen müssen. Es geht nicht darum, den nächsten Karriereschritt zu tun. Ich glaube, dieses sehr zielorientierte Netzwerken, was häufig auch dazu führt, dass Netzwerken in diesem schlechten Image der „Vetternwirtschaft“ gelandet ist, ist vielen Frauen fremd. Ich kann das verstehen, aber deswegen setze ich mich auch so sehr für ein „professionelles“ Netzwerken ein, wo es darum geht, was ich beruflich erreichen will, wo ich hin will und mit wem ich Dinge zusammen umsetzen kann. Das hat nichts zu tun mit diesen männerdominierten Zirkeln, wo man nur guckt, wen brauche ich jetzt und wen brauche ich nicht mehr und wie werde ich den dann los. Es geht um ein Netzwerken mit Nachhaltigkeit.

Ich finde es ganz großartig, wenn ich in unserem Netzwerk sehe, dass durch den Award Frauen in den Unternehmen auch aufsteigen. Dann habe ich das Gefühl, es verändert sich auch wirklich etwas. Diesen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und auch politischen Anspruch habe ich.

Sie haben gerade Ihr erstes Buch herausgebracht, „Die Netzwerkbibel“, wo sie Hilfestellungen zum Netzwerken geben. Es geht um die Sichtbarkeit und wie man sein Netzwerk – auch im Unternehmen – aufbaut. Netzwerken wir in Deutschland anders?

Absolut! Vor allen Dingen weil das Netzwerkthema noch häufig in dieser Schmuddelecke ist. Viele fragen mich, ist das nicht immer dieses intransparente Ding, wo Jobs vergeben werden? Ich glaube, das hat sich verändert. Ein reines Netzwerk ohne Leistung bringt nichts, aber absolute Leistung ohne ein Netzwerk bringt auch nichts. Es ist immer ein Geben und Nehmen. Aber in Deutschland habe ich immer das Gefühl, dass es organisiert sein muss. Ich muss auf eine Veranstaltung gehen, da muss es eine Organisation geben, die ein Netzwerkformat entwickelt, wo ich dann partizipieren kann.

Global Digital Women ist ja ein solches Format. Dabei sind ihre Veranstaltungen ja auch für Männer interessant…

Ja, besonders für Männer, die sich für Diversität einsetzen. Gerade auch bei den Themen mit einem starken Digitalfokus wie etwa künstliche Intelligenz. Dann kommt immer die Frage: „Kann ich als Mann auch teilnehmen“, und dann sage ich immer: „Ja selbstverständlich.“ Das wäre in dem Moment genau das Falsche, die Männer auszuschließen.

Ich habe mal gesagt, ich arbeite an der Abschaffung meiner eigenen Organisation. Ich arbeite eigentlich daran, dass das Thema irgendwann obsolet ist, dass wir nicht mehr betonen müssen, dass es mehr Frauen in Führungspositionen oder auch in der Digitalbranche braucht. Um das zu erreichen, muss und will ich auch die Männer mit ihrer Sicht auf die Dinge integrieren. Ich finde es wichtig, gerade die mit ins Boot zu nehmen, die sich so stark für das Thema Diversität einsetzen – das sind ja immer noch nicht so viele.

Das Gespräch zum internationalen Frauentag am 8. März führte Gaby Reucher.

„Die Netzwerkbibel: Zehn Gebote für erfolgreiches Networking“ von Tijen Onaran ist Anfang 2019 im Springer Verlag erschienen. 

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