Home Kultur Operngala: Stimmen lassen die Kassen der Aids-Stiftung klingeln
Kultur - 14.05.2019

Operngala: Stimmen lassen die Kassen der Aids-Stiftung klingeln

Die Bonner Operngala hat den Gästen nicht nur hochkarätige Arien geboten, sondern der Deutschen Aids-Stiftung auch einen beträchtlichen Spendenerlös beschert.

Hätte man seine Weingläser vom Empfang mit in den Zuschauerraum nehmen dürfen, sie wären wohl zersprungen, so brillierte die Sopranistin Ruth Iniesta in den hohen Stimmlagen ihrer Arien. Auch die Mezzosopranistin und erfahrene Rossini-Interpretin Lilly Jorstad begeisterte als Aschenputtel mit ihren Koloraturen in höchsten Tönen. Die Bravo- Rufe aus dem Publikum waren verdient. 

Singen für einen guten Zweck

Die Deutsche Aids-Stiftung hatte eingeladen zur 8. Operngala in der Bonner Oper. Für die Benefizveranstaltung traten internationale Sänger, Musiker und Tänzer ohne Gage auf und sangen Arien aus ihren Lieblingsopern.

Moderatorin Anja Bröker (l.) mit den Sopranistinnen Olena Tokar, Veronika Dzhioeva und der Mezzosopranistin Lilly Jorstad

Der spanische Tenor Airam Hernandez hatte sich für „Una furtiva lagrima“ (Eine verstohlene Träne) aus Donizettis „Liebestrank“ entschieden, für die er Bravo-Rufe und viel Applaus bekam. Außerdem sang er Werthers Lied „Warum weckst du mich“ aus Jules Massenets Werther-Oper. „Ich habe diese beiden Arien ausgesucht, weil sie von der Hoffnung sprechen“, sagte Hernandez der Deutschen Welle. Das passe auch zu dem Kontext der Aids-Gala. „Manche Leute, die an HIV erkrankt sind, denken vielleicht, das sei das Ende ihres Lebens, aber das stimmt nicht. Diese Aids-Stiftungen geben ihnen Hoffnung.“

Aids ist noch immer unheilbar

Aids sei bis heute nicht heilbar, betonten die Initiatoren der Operngala, Helmut Andreas Hartwig und Arndt Hartwig zur Eröffnung der Gala, auch wenn die Medizin seit der Verbreitung der Krankheit in den 80er Jahren erhebliche Fortschritte gemacht habe. Der Deutschen Welle erzählte Arndt Hartwig, dass Aidskranke auch in Deutschland immer noch diskriminiert würden. „Es gibt bis heute noch Ärzte, die damit Schwierigkeiten haben, überhaupt HIV Patienten bedienen zu wollen, und da möchten wir aufklären, dass diese Angst nicht mehr sein muss.“

Countertenor Nils Wanderer unterstützt auch eigene Charity-Projekte

Der Countertenor Nils Wanderer bezwang in der höchsten Männerstimme mit Leichtigkeit kokett und charmant die Arie des Cäsar in Georg Friedrich Händels gleichnamiger Oper. Das Thema Aids liegt dem 25-jährigen besonders am Herzen. „Ich glaube immer noch, Aids braucht mehr Aufmerksamkeit und Unterstützung“, sagte er der DW. Als junger Sänger und Künstler trifft er immer wieder Kollegen, die das HIV Virus in sich tragen. „Es sind auch ältere Kollegen, die mit Aids vor vielen Jahren infiziert wurden und jetzt unter ernsten Gesundheitsproblemen leiden.“

Aids- Aufklärung und Prävention sind wichtig

Die Deutsche Aids-Stiftung kämpft gegen Diskriminierung, und setzt sich für Aufklärung und besonders für die Prävention ein. Aids-Prävention ist auch ein Anliegen des Ehepaares Rangar und Uschi Yogeshwar, die in diesem Jahr die Schirmherrschaft der Operngala übernommen haben. „Damals in den 1980er Jahren war Aids im Bewusstsein“, sagte der ARD Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar. „Heute wissen viele junge Leute gar nicht mehr genau, was Aids ist.“ Das Ehepaar unterstützt deshalb ein regionales Schulprojekt, bei dem Jugendliche Gleichaltrige für das Thema sensibilisieren sollen.

Die Initiatoren der Operngala Helmut Andreas (l.) und Arndt Hartwig (r.)

ARD Moderatorin Anja Bröker, die durch den Abend führte, holte zwischen den Arien immer wieder Partner der Deutschen Aids-Stiftung auf die Bühne. Die Spenden der Gala sollen auch dem „Dream-Projekt“ in Mosambik zugute kommen. Dort werden HIV-infizierte schwangere Frauen unterstützt und mit Medikamenten versorgt, so dass sich das Virus nicht auf die Kinder überträgt. Dieter Wenderlein aus der Gemeinschaft Sant’Egidio schilderte eindrucksvoll, wie wichtig die Hilfe in Mosambik sei, gerade auch nach den verheerenden Verwüstungen, die der Zyklon auf der Insel hinterlassen habe. „40 000 Menschen sind in den Gesundheitszentren in HIV Behandlung“ erläuterte er, „und mit unseren Lebensmittellieferungen haben wir nach dem Zyklon bereits 80 000 Menschen erreicht.“

Auch die Deutsche Welle, die mit ihren TV, Online und Hörfunkangeboten viele Menschen auf dem afrikanischen Kontinent erreicht, unterstützt als Partner die Ziele der Deutschen Aids-Stiftung. „Als deutscher Auslandssender haben wir die Aufgabe, das Thema immer wieder zur Sprache zu bringen“, sagte Intendant Peter Limbourg bei der Gala. „Gerade in Afrika müssen wir weiter darüber reden und aufklären.“

Spaß und Abwechslung müssen sein

Olena Tokar und Airam Hernandez singen im Duett aus Verdis „La Traviata“

„Tue Gutes und habe Freude daran“, lautet jedes Jahr das Motto der Operngala. Die ukrainische Sopranistin Olena Tokar kann dieses Motto ganz und gar unterstützen. „Solche Benefizkonzerte sind für mich sehr wichtig“, sagte sie im DW-Interview. „Ich habe immer ein Gefühl wie bei einem Geburtstag, wenn man nicht selbst die Geschenke bekommt, sondern etwas schenkt.“ Tokar berührte die Herzen nicht nur im Duett mit Airam Hernandez aus Verdis Oper La Traviata, sondern auch mit der berühmten Arie der Mimi aus dem ersten Akt von Puccinis Oper La Bohème, in der sie mit ihrer warmen Stimme gleichermaßen Freud und Leid ausdrückt. Denn die junge verliebte Mimi ist krank und weiß, dass sie am Ende sterben wird.

Ruth Iniesta hatte die „Glut in den Augen“ bei der Polonaise der Elena

Die frischen und feurigen Arien hatte sich die spanische Sopranistin Ruth Iniesta ausgesucht. Fröhlich keck und mit langem Atem sang sie die Arie der Norina aus Donizettis Don Pasquale. Dafür wurde sie ebenso vom Publikum gefeiert wie für die Polonaise der Elena aus dem „Barbier von Sevilla“ von Géronimo Giménez, in der sie ihr Können mit atemberaubenden Koloraturen unter Beweis stellte. Die weltbekannte Sopranistin Veronika Dzhioeva hatte Puccinis Tosca gewählt. Die dunkle warme Farbe ihrer ausladenden nuancierten Stimme unterstrich die Tragik der Liebesarie. Spaßig wurde es dann wieder mit dem Tenor Andrei Danilov, der den Zwerg „Klein Zack“ aus Offenbachs Oper „Hoffmanns Erzählungen“ nicht nur stimmlich ausdrucksstark interpretiere, sondern ihn auch schauspielerisch imitiere und verhöhnte.

Mal lustig, mal ergreifend: Die Operngala soll Abwechslung bringen. Das ist nicht nur dem künstlerischen Leiter Alard von Rohr wichtig, sondern auch den Hartwigs, die dafür sorgen, dass die Opernarien durch andere Programmpunkte wie Einspielfilme, Videopräsentationen oder Tanz – in diesem Jahr mit dem Tanzpaar Theda Dellbrück und Ivan Smetkin – ergänzt werden. Ein Höhepunkt der Operngala war in dieser Hinsicht der klassische Star-Gitarrist  Milos Karadaglic aus Montenegro, der den Libertango von Astor Piazzola und den Beatles-Song „Here Comes the Sun“ interpretierte. „Als Gitarrist hat man diese wundervolle Möglichkeit Klassik und Mainstream zu spielen. Deshalb gibt es ein großes Publikum für die Musik, die ich spiele“, sagte er der Deutschen Welle. „Heute geht es darum zu feiern und Geld zu sammeln. Da will ich den Leuten eine gute Zeit bereiten.“

Begleitet wurde er wie alle Sänger vom Beethovenorchester, das durchweg frisch und beschwingt bei der Sache war. „Für uns ist das wie Urlaub“, sagte Dirigent und Leiter Dirk Kaftan. „Es ist das einzige Programm, das wir nicht selbst zusammenstellen müssen“. Auch Kaftan durfte ein Lieblingsstück wählen und entschied sich für „Köcekce“ des türkischen Komponisten Ulvi Cemal Erkin von 1943. Ein Feuerwerk orientalischer Rhythmen und Melodien, das den Bläsern einiges an Können abverlangte.

Applaus für Dirk Kaftan und das Bonner Beethoven-Orchester

Alle Menschen werden Brüder

Auch das ist ungewöhnlich bei einer Operngala: Der Aufruf, zur Europawahl zu gehen. Dafür warben die Initiatoren Helmut Andreas Hartwig und Arndt Hartwig am Ende der Gala und stimmten gemeinsam mit den 1200 Besuchern der Gala und dem Bonner Opernchor die Europahymne, Schillers Ode an die Freude aus Beethovens 9. Symphonie an. Die Botschaft „Alle Menschen werden Brüder“ erklang auch im Hinblick auf das Beethovenjahr 2020, das in Beethovens Geburtsstadt Bonn besonders gefeiert wird.

Die vielen Spendenaufrufe der Hartwigs rund um die Operngala haben sich gelohnt. Mit einem Reinerlös von 240 000 Euro stellte die Veranstaltung auch in diesem Jahr wieder einen neuen Spendenrekord für die Deutsche Aids-Stiftung auf.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Check Also

Jens Spahn reist in den Kosovo, um Pflegekräfte anzuwerben

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU): Im Kosovo und in Albanien sei die Pflegeausbildung b…