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Kultur - 02.01.2019

Schriftsteller Edgar Hilsenrath mit 92 Jahren gestorben

Der jüdische Autor erlag einer Lungenentzündung, wie sein französischer Verlag Le Tripode mitteilte. Edgar Hilsenrath wurde unter anderem durch „Der Nazi & der Friseur“ bekannt – eine Satire, die zu Kontroversen führte.

Edgar Hilsenrath wurde 1926 als Sohn eines jüdischen Kaufmanns in Leipzig geboren. 1938 floh er mit seiner Mutter und seinem jüngeren Bruder vor den Nazis nach Rumänien. Nach der Machtergreifung der dortigen Faschisten drei Jahre später wurde die Familie in ein Ghetto auf dem Gebiet der heutigen Ukraine verschleppt. Russische Truppen befreiten sie 1944, und Hilsenrath kam schließlich mit gefälschten Papieren über die Türkei und Syrien nach Palästina, wo er erst als Landarbeiter im Kibbuz und dann als Tellerwäscher in Haifa seinen Lebensunterhalt verdiente.

1951 zog Hilsenrath in die USA und begann mit dem Schreiben. Sein Erstlingswerk „Nacht“ über den Überlebenskampf im Ghetto erschien 1964 zunächst nur auf englisch, wurde dann aber auch in deutscher Spache ein großer Erfolg. 1975 kehrte der Schriftsteller nach Deutschland zurück. „In Amerika war ich auf verlorenem Posten mit der deutschen Sprache“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur (dpa) in einem Interview zu seinem 85. Geburtstag. 

Viele Ablehnungen, viel Erfolg

In München schrieb er den Roman „Der Nazi & der Friseur“, den er selbst als „die erste schwarze Satire über die Nazizeit und den Staat Israel“ bezeichnete. Die Geschichte erzählt von einem fiktiven NS-Massenmörder, der nach Kriegsende unter dem Namen eines von ihm ermordeten jüdischen Jugendfreundes nach Palästina auswandert und dort zum Kriegshelden aufsteigt. Als alternder Mann holt ihn schließlich sein Gewissen ein. 

Der Roman, zunächst in den USA, Frankreich, England und Italien veröffentlicht, wurde ein internationaler Erfolg. In Deutschland aber wurde er zunächst von 60 deutschen Verlagen abgelehnt. Über ein solches Thema dürfe man nicht satirisch schreiben, hieß es zur Begründung. „Die Shoah aus der Sicht eines Täters zu erzählen, war sehr kontrovers“, sagte Hilsenrath der dpa.  „Die Deutschen wollten keine Groteske über den Holocaust, da hatten sie Gewissensbisse.“ 1977 wurde das Buch dann aber doch verlegt und setzte sich beim Publikum durch, auch, weil sich prominente Autoren wie Heinrich Böll für das Werk einsetzten. 

Zu den weiteren Werken Hilsenraths gehört „Das Märchen vom letzten Gedanken“ (1989), in dem er den Genozid an den Armeniern 1915 mit dem jüdischen Holocaust in Beziehung setzt, und die autobiographische Erzählung „Die Abenteuer des Ruben Jablonski“ (1997). Sein letzter Roman, „Berlin… Endstation“, erschien 2006. Die Bücher des Autors wurden mit wichtigen Literaturpreisen bedacht und in 18 Sprachen übersetzt. Weltweit wurden sie über fünf Millionen Mal verkauft, einige seiner Werke erschienen auch als Hörspiele.

Edgar Hilsenrath starb am 30. Dezember in Wittlich (Rheinland-Pfalz).

haz/jj/ka (dpa, afp, munzinger)

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