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Kultur - 18.06.2019

„This Place“: Internationale Fotografen zeigen ihr Bild von Israel

12 Künstler verschiedener Nationen waren zu dem Langzeit-Projekt „This Place“ eingeladen. Das Ziel: Israel aus persönlichem Blickwinkel zu erkunden. Ihre Foto- und Videoarbeiten sind jetzt im Jüdischen Museum zu sehen.

  • „This Place“: Internationale Fotografen zeigen ihr Bild von Israel

    Wendy Ewald, At Home (photograph by Amal/2013)

    Seit über vier Jahrzehnten arbeitet die US-amerikanische Fotografin Wendy Ewald mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Sie nimmt sich Zeit, um mit ihren Protagonisten ins Gespräch zu kommen und hört sich ihre Träume und Geschichten an. Dann gibt sie ihnen die Kamera in die Hand, damit sie ihre eigenen Aufnahmen machen können. Später stellt sie diese Fotos zu künstlerischen Tableaus zusammen.

  • „This Place“: Internationale Fotografen zeigen ihr Bild von Israel

    Frédéric Brenner, Palace Hotel (2009)

    Eine Riesenbaustelle mitten in Jerusalem: das frühere „Palace Hotel“ – ehemals das Luxushotel der arabisch-libanesischen Welt wurde von einem Investor völlig entkernt. Der Fotograf Frédéric Brenner kam zufällig vorbei und hielt die Bauarbeiten mit der Kamera fest. Übrig blieb damals nur die leere Hülle der Fassade. Heute ziert sie das berühmte jüdische Fünf-Sterne-Hotel „Waldorf-Astoria“.

  • „This Place“: Internationale Fotografen zeigen ihr Bild von Israel

    Nick Waplington, ohne Titel

    Der britische Fotograf Nick Waplington vertrat sein Land 2011 auf der Biennale von Venedig. Für das Projekt „This Place“ beschäftigte er sich intensiv mit den israelischen Siedlern. In den besetzten Gebieten im Westjordanland bauen sie neue Häuser und Wohnungen und leben dort in strenggläubigen Communities. „Ich wollte wissen, warum diese Menschen dort sind und über Stereotype hinausgehen.“

  • „This Place“: Internationale Fotografen zeigen ihr Bild von Israel

    Martin Kollar, Field Trip/ Israel (2009-2011)

    Kollar verbrachte das Jahr 2010 in Israel und reiste dort viel herum. Er erkundete mit der Kamera, wie und wo sich die andauernde subtile Präsenz der Kriegs- und Konfliktsituationen zwischen Israelis und Palästinensern im Alltag niederschlägt. Oft fand er seltsame Anordnungen, eigenartige Stilleben von Belagerungen und Sperren. Es obliegt der Fantasie des Betrachters, sie mit Bedeutung zu füllen.

  • „This Place“: Internationale Fotografen zeigen ihr Bild von Israel

    Gilles Peress, Contact Sheet/Palestian Jerusalem (2013)

    Peress, 1946 in Frankreich geboren, hat sich mit seinen Fotoarbeiten auf Ost-Jerusalem konzentriert. Er durchstreifte zu unterschiedlichen Tageszeiten die Siedlung Silwan, die hauptsächlich von Palästinensern bewohnt wird. Er machte Aufnahmen von Checkpoints, Zäunen, Mauern, von grenznahen Landschaften und Geschäftsstraßen. Und ordnete die Momentaufnahmen wie vergrößerte Kontaktbögen an.

  • „This Place“: Internationale Fotografen zeigen ihr Bild von Israel

    Josef Koudelka, Route 60/Beit Jala, Bethlehem (2009)

    Josef Koudelka, Jg. 1938, begann in den 1950er Jahren in der Tschechoslowakei zu fotografieren. Später arbeitete er für die berühmte Agentur „Magnum“ in Paris. Den ausgebildeten Luftfahrtingenieur faszinieren bis heute Luftaufnahmen: malerische Landschaftsportraits, aufgenommen von einem erhöhten Standpunkt. Dieses Foto zeigt eine Aufnahme von Bethlehem von oben.

  • „This Place“: Internationale Fotografen zeigen ihr Bild von Israel

    Rosalind Fox Solomon, Jerusalem (2011)

    Solomon ist die Älteste unter den Künstlern dieses ambitionierten Projektes. 1930 in Illinois/USA geboren hat sie viel in Indien, Peru und auch im Süden der USA gearbeitet und dort fotografiert. Fünf Monate blieb Solomon 2010/11 in Israel, fuhr in Bussen über Land, fotografierte Pilger, Touristen, Flüchtlinge. Ihre Arbeiten zeigen Momente der Freude aber auch tiefer Traurigkeit.

  • „This Place“: Internationale Fotografen zeigen ihr Bild von Israel

    Stephen Shore, St. Sabas Monestary, Judean Desert (2009)

    Archaisch wie aus der Bibel wirkt diese Farbfotografie des New Yorker Stephen Shore (Jg. 1947). „Was mir in Israel und im Westjordanland auffiel, war ein verrücktes Netz an Energien, etwas ganz Eigenes, was dort vor sich ging“, sagt er im Interview. Das griechisch-orthodoxe St. Sabas, im Jahr 483 in der Nähe von Bethlehem gegründet, ist das älteste Kloster Palästinas – und bis heute bewohnt.

  • „This Place“: Internationale Fotografen zeigen ihr Bild von Israel

    Fazal Sheik, From the Desert (2011)

    Der afghanisch-deutsche Fotograf Fazal Sheik (*1965 in New York) spürte in zahllosen Überland-Flügen über die israelische Negev-Wüste die Überreste verlassener Beduinen-Siedlungen auf. Er fotografierte die Überbleibsel der systematischen Vertreibung durch den israelischen Staat, die sich in den Wüstensand eingegraben haben. Seine Arbeit widmet er den Heimatvertriebenen dieser Welt.

  • „This Place“: Internationale Fotografen zeigen ihr Bild von Israel

    Spektakulärer Museumsbau

    Das jüdische Museum Berlin bekam durch den Anbau des US-amerikanischen Architekten Daniel Liebeskind eine völlig neue Anmutung. Die Dauerausstellung, die gerade neu konzipiert und überarbeitet wird, widmet sich jüdischen Leben früher und heute. Das Fotoprojekt „This Place“, das schon in Tel Aviv, Prag und New York zu sehen war, ist noch bis zum 20. Januar 2020 im Jüdischen Museum zu Gast.

    Autorin/Autor: Heike Mund


  • „This Place“: Internationale Fotografen zeigen ihr Bild von Israel

    Wendy Ewald, At Home (photograph by Amal/2013)

    Seit über vier Jahrzehnten arbeitet die US-amerikanische Fotografin Wendy Ewald mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Sie nimmt sich Zeit, um mit ihren Protagonisten ins Gespräch zu kommen und hört sich ihre Träume und Geschichten an. Dann gibt sie ihnen die Kamera in die Hand, damit sie ihre eigenen Aufnahmen machen können. Später stellt sie diese Fotos zu künstlerischen Tableaus zusammen.

  • „This Place“: Internationale Fotografen zeigen ihr Bild von Israel

    Frédéric Brenner, Palace Hotel (2009)

    Eine Riesenbaustelle mitten in Jerusalem: das frühere „Palace Hotel“ – ehemals das Luxushotel der arabisch-libanesischen Welt wurde von einem Investor völlig entkernt. Der Fotograf Frédéric Brenner kam zufällig vorbei und hielt die Bauarbeiten mit der Kamera fest. Übrig blieb damals nur die leere Hülle der Fassade. Heute ziert sie das berühmte jüdische Fünf-Sterne-Hotel „Waldorf-Astoria“.

  • „This Place“: Internationale Fotografen zeigen ihr Bild von Israel

    Nick Waplington, ohne Titel

    Der britische Fotograf Nick Waplington vertrat sein Land 2011 auf der Biennale von Venedig. Für das Projekt „This Place“ beschäftigte er sich intensiv mit den israelischen Siedlern. In den besetzten Gebieten im Westjordanland bauen sie neue Häuser und Wohnungen und leben dort in strenggläubigen Communities. „Ich wollte wissen, warum diese Menschen dort sind und über Stereotype hinausgehen.“

  • „This Place“: Internationale Fotografen zeigen ihr Bild von Israel

    Martin Kollar, Field Trip/ Israel (2009-2011)

    Kollar verbrachte das Jahr 2010 in Israel und reiste dort viel herum. Er erkundete mit der Kamera, wie und wo sich die andauernde subtile Präsenz der Kriegs- und Konfliktsituationen zwischen Israelis und Palästinensern im Alltag niederschlägt. Oft fand er seltsame Anordnungen, eigenartige Stilleben von Belagerungen und Sperren. Es obliegt der Fantasie des Betrachters, sie mit Bedeutung zu füllen.

  • „This Place“: Internationale Fotografen zeigen ihr Bild von Israel

    Gilles Peress, Contact Sheet/Palestian Jerusalem (2013)

    Peress, 1946 in Frankreich geboren, hat sich mit seinen Fotoarbeiten auf Ost-Jerusalem konzentriert. Er durchstreifte zu unterschiedlichen Tageszeiten die Siedlung Silwan, die hauptsächlich von Palästinensern bewohnt wird. Er machte Aufnahmen von Checkpoints, Zäunen, Mauern, von grenznahen Landschaften und Geschäftsstraßen. Und ordnete die Momentaufnahmen wie vergrößerte Kontaktbögen an.

  • „This Place“: Internationale Fotografen zeigen ihr Bild von Israel

    Josef Koudelka, Route 60/Beit Jala, Bethlehem (2009)

    Josef Koudelka, Jg. 1938, begann in den 1950er Jahren in der Tschechoslowakei zu fotografieren. Später arbeitete er für die berühmte Agentur „Magnum“ in Paris. Den ausgebildeten Luftfahrtingenieur faszinieren bis heute Luftaufnahmen: malerische Landschaftsportraits, aufgenommen von einem erhöhten Standpunkt. Dieses Foto zeigt eine Aufnahme von Bethlehem von oben.

  • „This Place“: Internationale Fotografen zeigen ihr Bild von Israel

    Rosalind Fox Solomon, Jerusalem (2011)

    Solomon ist die Älteste unter den Künstlern dieses ambitionierten Projektes. 1930 in Illinois/USA geboren hat sie viel in Indien, Peru und auch im Süden der USA gearbeitet und dort fotografiert. Fünf Monate blieb Solomon 2010/11 in Israel, fuhr in Bussen über Land, fotografierte Pilger, Touristen, Flüchtlinge. Ihre Arbeiten zeigen Momente der Freude aber auch tiefer Traurigkeit.

  • „This Place“: Internationale Fotografen zeigen ihr Bild von Israel

    Stephen Shore, St. Sabas Monestary, Judean Desert (2009)

    Archaisch wie aus der Bibel wirkt diese Farbfotografie des New Yorker Stephen Shore (Jg. 1947). „Was mir in Israel und im Westjordanland auffiel, war ein verrücktes Netz an Energien, etwas ganz Eigenes, was dort vor sich ging“, sagt er im Interview. Das griechisch-orthodoxe St. Sabas, im Jahr 483 in der Nähe von Bethlehem gegründet, ist das älteste Kloster Palästinas – und bis heute bewohnt.

  • „This Place“: Internationale Fotografen zeigen ihr Bild von Israel

    Fazal Sheik, From the Desert (2011)

    Der afghanisch-deutsche Fotograf Fazal Sheik (*1965 in New York) spürte in zahllosen Überland-Flügen über die israelische Negev-Wüste die Überreste verlassener Beduinen-Siedlungen auf. Er fotografierte die Überbleibsel der systematischen Vertreibung durch den israelischen Staat, die sich in den Wüstensand eingegraben haben. Seine Arbeit widmet er den Heimatvertriebenen dieser Welt.

  • „This Place“: Internationale Fotografen zeigen ihr Bild von Israel

    Spektakulärer Museumsbau

    Das jüdische Museum Berlin bekam durch den Anbau des US-amerikanischen Architekten Daniel Liebeskind eine völlig neue Anmutung. Die Dauerausstellung, die gerade neu konzipiert und überarbeitet wird, widmet sich jüdischen Leben früher und heute. Das Fotoprojekt „This Place“, das schon in Tel Aviv, Prag und New York zu sehen war, ist noch bis zum 20. Januar 2020 im Jüdischen Museum zu Gast.

    Autorin/Autor: Heike Mund


Initiator Frédéric Brenner ist ein international bekannter Fotograf, der selbst in Galerien und Museen ausstellt. Während der Arbeit an seinem Projekt „This Place“ habe er allerdings viele Hüte aufgehabt, erzählt er im DW-Interview: „Ich war Manager, Kurator, Reiseleiter, technischer Assistent, Fundraiser und vieles mehr. Für meine eigene Arbeit blieb manchmal nur wenig Zeit.“

Brenner wurde 1959 in Frankreich geboren. Als professioneller Fotograf widmete er sich hauptsächlich jüdischem Leben – in Israel und anderen Ländern weltweit. Seine bekannteste Arbeit ist „Diaspora“: 25 Jahre lang porträtierte er jüdische Gemeinschaften in mehr als 40 Ländern. Themen wie Heimat, Zugehörigkeit, Ausgrenzung, Gemeinschaft, Religiosität beschäftigten ihn nicht nur als Fotokünstler.

Keine künstlerischen Vorgaben

2005 reifte die Idee für sein ambitioniertes Fotoprojekt: „This Place“ sollte Künstler unterschiedlicher Nationalitäten, Religionen und biografischer Prägung zusammenbringen. Jeder durfte aus seinem eigenen kulturellen und religiösen Hintergrund heraus das Land Israel erkunden und seine Motive selbst wählen. Der subjektive Blick war ausdrücklich erwünscht.

Initiator des Projektes: Der Fotograf Frédéric Brenner

Vorgaben, weder zeitlich noch inhaltlich, gab es nicht. Einzige Einschränkung: Israelische und palästinensische Fotografen sollten nicht dabei sein. „Wir wollten Leute mit einem frischen Blick, die nicht involviert sind in den täglichen politischen Konflikt in Israel“, erzählt Brenner.

Es brauchte viele Jahre intensiver Zusammenarbeit mit Kuratoren und dem Galeristen Brenners in New York, bis daraus ein künstlerisches Konzept wurde. „Ich wusste, ich würde Mitstreiter brauchen“, sagt Brenner im Rückblick. „Künstler, die von Fragen getrieben sind und deren Arbeiten Risse und Paradoxien ausleuchten können.“

Reisen in ein unbekanntes Land: Israel

Zwölf international renommierte Fotografen und Fotokünstler, Brenner eingeschlossen, bereisten für das Projekt immer wieder das Land Israel. Sie erkundeten mit der Kamera die höchst unterschiedlichen israelischen Landschaften und, nach interner Diskussion zwischen Projektleiter, Kurator und teilnehmenden Fotografen, auch das von Israel besetzte Westjordanland (Westbank).

Verlassene Beduinensiedlungen in der israelischen Negev-Wüste (Foto: Fazal Sheikh/2011)

Von der kargen Negev Wüste ganz im Süden über kleinere Orte und historische Städte wie Jerusalem, Ramallah, Bethlehem bis hoch zu den Golan-Höhen an der Grenze zu Syrien und weiter zur Küstenstadt Tel Aviv waren die Fotografen unterwegs. Mal allein, mal mit Team. Ihr empathischer Blick auf Israel zeigte am Schluss ein faszinierendes Puzzle der multi-religiösen Gesellschaft und Vielfarbigkeit dieses Landes.

Entstanden ist ein visuelles Portrait 

Einige von ihnen waren zum ersten Mal dort und konnten erleben, was es heißt, in einem von Religiosität und biblischer Geschichte durchdrungenen Land zu leben. Alle Teilnehmer konnten sich Zeit nehmen, soviel wie ihre fotografischen Exkursionen benötigten. Finanziert wurde das aufwendige Projekt durch eine Stiftung.

Manche Fotografen reisten mehrfach für kürzere Stippvisiten nach Israel, andere blieben Wochen, sogar Monate im Land, um sich intensiv mit den von ihnen ausgewählten Protagonisten zu beschäftigen. Ihre Fotografien dokumentieren Israel in den Jahren 2009 bis 2014, die Auswahl hat jeder Künstler selbst getroffen. 

Religiöses Leben in Israel: Die jüdisch-orthodoxe Familie Weinfeld (Foto: Frédéric Brenner/2009)

Frédéric Brenner war es wichtig, den künstlerischen Blick von außen beizubehalten. Wobei Brenner – selbst Jude – als internationaler Fotograf mit wechselnden Wohnsitzen in Moskau, New York, Israel und aktuell in Berlin seine künstlerische Subjektivität im Gespräch einräumt. Seine Arbeiten spiegeln mit fast archäologischer Genauigkeit Orte und Seelenlandschaften dieses Landes und seines Volkes wieder.

Kein Widerspruch: Technologie und Touristenorte

Von deutscher Seite ist der Fotokünstler Thomas Struth dabei. Der Vertreter der international bekannten „Düsseldorfer Schule“ hat sich bei seinen Reisen nach Israel mit religiös und sozial aufgeladenen Orten beschäftigt, wie beispielsweise der Verkündigungs-Basilika in Nazareth. Auf seiner großformatigen Fotoarbeit bekommt die berühmte Sehenswürdigkeit durch die martialische Betonkonstruktion an der Decke die Anmutung eines militärischen Bunkers.

Auch technologisch hochgerüstete High-Tec-Orte interessieren Struth. Ein futuristisches Versuchslaboratorium im „Plasma Lab“ des Weizmann Instituts in Rehovot, wo weltweit anerkannte medizinische Grundlagenforschung betrieben wird, bekommt aus dem Blickwinkel von Struth skulpturale Züge. „Mein Interesse oder mein Vorsatz ist, etwas anzusprechen, das ein größeres Ausmaß, einen größeren Wert hat als das spezifische Detail“, sagt er dazu.

Sechs Mal ist der Fotograf nach Israel gereist. Sein Bild von der abstrakt-modernen Architektur des Rathauses von Tel Aviv zeigt mehr als nur die kühne Fassade, vieles schwingt hier zwischen den Zeilen mit. An diesem historischen Ort wurde am 4. November 1995 der damalige israelische Premierminister Yitzhak Rabin ermordet. Das Licht der anbrechenden Dämmerung umgibt das Gebäude mit einer unheimlichen Aura, alle Kanten wirken überscharf.

Biblische Motive in der Negev-Wüste

Auch der US-amerikanische Fotograf Jeff Wall ist für seine extrem großformatigen Foto-Tableaus bekannt. Vier Jahrzehnte lang hat er in der Kunstwelt dazu beigetragen, dass die Fotografie als wichtige zeitgenössische Kunstform anerkannt ist. Für das Projekt „This Place“ reiste er im Oktober 2010 nach Israel. Bei einer Rundreise durch die israelische Wüste Negev entdeckte er den Schlafplatz einer Gruppe von Beduinen, die als Olivenpflücker auf einer Farm arbeiteten. Seit Jahrhunderten leben Beduinen in dieser Gegend, viele wurden von der israelischen Regierung umgesiedelt, nur wenige konnten ihre Traditionen retten.

„Daybreak“: Schlafende Olivenpflücker am frühen Morgen (Foto: Jeff Wall/2011)

Ein Jahr später, im Herbst 2011, kehrte Wall dorthin zurück und wählte einen Standpunkt für seine Kamera. Zwei Wochen lang machte er jeden Morgen vor Sonnenaufgang ein Foto von den schlafenden Beduinen, im Hintergrund das nahe Gefängnis neben der israelischen Oliven-Farm.

Eine serielle Arbeit, die sich nur in winzigen, fast malerischen Nuancen veränderte. Jeden Tag entwickelte er dieses Foto in einer provisorischen Dunkelkammer in seinem Hotelzimmer. Erst später traf er die endgültige Auswahl.

Seine großformatige Fotoarbeit „Daybreak“ hängt in der Berliner Ausstellung zentral am Kopfende eines Raumes – wie ein biblisches Landschaftsgemälde aus dem 17. oder 18. Jahrhundert und doch von höchster digitaler Bildqualität. Im Großformat fängt Wall die zarte Farbigkeit kurz bevor der Tag anbricht ein. Alles wird durch die Lichtstimmung egalisiert. Sozialkritische Implikationen sind zwischen den Zeilen.

Künstler-Projekt mit politischen Ambitionen

Dem Fotografen Frédéric Brenner, der durch seinen eigenen jüdischen Familienhintergrund  eher einen Innenblick auf das Thema „Israel“ hat, ging es bei „This Place“ nicht um fotografische Effekte, nicht um Klischeebilder oder den journalistischen Blick. Deshalb wurden auch keine Fotoreporter eingeladen.

„Unnamed Road“: Fotoarbeit der südkoreanischen Künstlerin Jungjin Lee, die in New York lebt

Die zwölf Profi-Fotografen haben sich sehr speziell mit jeweils eigenen ästhetischen Konzepten den Geschichten hinter den Fassaden – der Gebäude, der Menschen, der Religiosität, der offiziellen Politik, des israelisch-palästinensischen Konfliktes, gewidmet. Ein Konzept, das gut in die bisherige Ausstellungsphilosophie des Berliner Jüdischen Museums passt.

Diese künstlerischen Positionen, die nach Stationen in Tel Aviv, Prag und New York jetzt als Gastausstellung im Jüdischen Museum in Berlin gezeigt werden, zeichnen ein vielschichtiges Bild unterschiedlicher Lebensbereiche dieses Landes. „Israel ist ein Ort der radikalen Andersartigkeit und der radikalen Dissonanz“, sagt Brenner im DW-Interview. „Dieses Projekt hat auch mit einer Art Polyphonie zu tun, die das Land heute prägt. Wobei wir verstehen sollten, dass wir uns auf diese Polyphonie einlassen müssen – auch in uns selbst.“

Überraschender Rücktritt des Direktors

Landmarke in Berlin: Das Jüdische Museum

Die ausgestellten 200 Foto- und Videoarbeiten präsentieren ein multireligiöses Israel unterschiedlichster Menschen, die in Israel und im Westjordanland leben: Juden, Christen, Muslime, Kopten, Drusen, Palästinenser und viele andere. Ein kosmopolitischer, internationaler Ansatz, der Initiator Frédéric Brenner bei der Auswahl wichtig war.

Die öffentliche Diskussion um den Rücktritt des derzeitigen Museumsdirektors Peter Schäferüberlagert die Wahrnehmung dieser sehr sehenswerten Gast-Ausstellung im Jüdischen Museum derzeit. Erste Vorschläge für eine mögliche Nachfolge der Leitungsposition sind in den Medien aufgetaucht.

Das internationale Fotoprojekt „This Place“ ist noch bis zum 5. Januar 2020 im Jüdischen Museum Berlin zu sehen.

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