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Kultur - 07.02.2019

Wahnsinn mit Methode: Das deutsche Schulsystem

Eltern wollen immer das Beste für ihr Kind, gute Bildung ist da keine Ausnahme. Aber es ist gar nicht so einfach, in Deutschland die richtige Schule zu finden, findet unsere amerikanische DW-Reporterin Louisa Schaefer.

  • Das ABC des deutschen Schulsystems

    Vom Kleinkind bis zum Teenager

    Bis zum sechsten Lebensjahr besuchen die Kleinen den Kindergarten. Danach beginnt die Schulpflicht – mindestens bis zum 15. Lebensjahr bzw., je nach Bundesland, der 9.oder 10 Klasse. Hausunterricht ist nur in Ausnahmefällen, wie zum Beispiel bei schwerer Krankheit, erlaubt.

  • Das ABC des deutschen Schulsystems

    Die Grundschule

    Den ersten Schultag versüßen die Eltern ihren Kindern mit einer Schultüte voller Leckereien, danach beginnt der „Ernst des Lebens“. Das Bildungssystem wird in Deutschland nicht von der Bundesregierung, sondern von den einzelnen Bundesländern gestaltet. In den meisten Ländern gehen die Kinder vier Jahre in die Grundschule, bevor sie in die weiterführende Schule kommen, in Berlin allerdings sechs.

  • Das ABC des deutschen Schulsystems

    Auf Empfehlung des Lehrers

    Bevor Grundschüler auf eine weiterführende Schule wechseln, sprechen die Lehrer eine Empfehlung aus, welche Schulform für das Kind am besten geeignet ist: das Gymnasium, die Gesamtschule oder doch Real-oder Hauptschule? Allerdings hören vor allem in Nordrhein-Westfalen die wenigsten Eltern auf den Rat des Klassenlehrers und schicken ihr Kind dann doch auf die Schule ihrer Wahl.

  • Das ABC des deutschen Schulsystems

    Das Gymnasium

    Die Schule für künftige Akademiker bereitet die Kinder auf ein Studium an der Universität vor. Abgeschlossen wird das Gymnasium nach der 12. oder 13. Klasse mit der Fachhochschulreife oder dem Abitur. Auf dem Stundenplan steht alles von Mathematik über Chemie und andere Naturwissenschaften bis hin zu Sprachen, Sozialkunde, Kunst und Musik, Philosophie und Sport.

  • Das ABC des deutschen Schulsystems

    Die Realschule

    Realschüler lernen in den meisten Bundesländern von der 5. bis zur 10. Klasse. Der Stoff ist fast der gleiche wie im Gymnasium, jedoch werden u.a. weniger Sprachen gelehrt. Die Realschule soll die Schüler auf den Besuch einer Techniker- oder Wirtschaftsschule vorbereiten. Schüler mit guten Noten können auch das Abitur machen, müssen dann aber zum Gymnasium oder in die Gesamtschule wechseln.

  • Das ABC des deutschen Schulsystems

    Die Hauptschule

    An der Hauptschule wird ähnlicher Stoff wie an den weiterführenden Schulen unterrichtet, allerdings ist das Lerntempo langsamer. Es gibt viel praxisorientierte Kurse, um die Schüler auf die Berufsschule oder eine Lehre vorzubereiten. Nach dem Abschluss können Schüler immer noch zur Realschule wechseln oder sich auf einer Gesamtschule oder einem Gymnasium für das Abitur qualifizieren.

  • Das ABC des deutschen Schulsystems

    Die Gesamtschule

    Die Gesamtschulen expandierten in den 1970er Jahren als schulreformerisches Kernstück der SPD-Regierung und als Alternative zum dreigeteilten Schulsystem. Gymnasium, Realschule und Hauptschule sind alle in dieser Schulform integriert. Schüler können nach der 13. Klasse ihr Abitur machen. Oder sie lernen mehr praxisorientiert und besuchen nach der 9. oder 10. Klasse eine Berufsschule.

  • Das ABC des deutschen Schulsystems

    Run auf begehrte Plätze

    Fast die Hälfte aller Kinder gehen heute aufs Gymnasium. Aber auch die Gesamtschule steht hoch im Kurs. Zumal sich hier niemand sofort festlegen muss, ob er später mal eine akademische Laufbahn einschlagen oder einen praktischen Beruf ausüben möchte. In Großstädten ist die Nachfrage nach Gesamtschulplätzen derzeit höher als das Angebot: So mussten in Köln 2018 1000 Bewerber abgewiesen werden.

  • Das ABC des deutschen Schulsystems

    Die Orientierungsphase

    Wenn Schülern der 5. und 6. Klasse während der Orientierungsphase im Gymnasium der Stoff zu schwer wird, sprechen sich Lehrer oft für den Wechsel zur Realschule oder auf die Hauptschule aus. Umgekehrt können Schüler mit guten Noten jetzt noch relativ problemlos auf das Gymnasium wechseln. Ein Platz an der Gesamtschule ist dann allerdings nur noch schwer zu ergattern.

  • Das ABC des deutschen Schulsystems

    Andere Länder, andere Modelle

    Nicht alle Bundesländer haben ein dreigeteiltes Schulsystem: In Sachsen besuchen die Kinder nach der Grund- die Oberschule (eine Kombination aus Haupt- und Realschule) oder das Gymnasium. In einigen Ländern wäre dann noch die Gemeinschaftsschule im Angebot, eine Art Gesamtschule von der 1. bis zur 10. Klasse. Und Bayern hat 2011 statt der Haupt- die Mittelschule eingeführt. Ganz schön verwirrend.

  • Das ABC des deutschen Schulsystems

    Die Berufsschule

    Nach dem Haupt- oder Realschulabschluss wird auf der Berufsschule weitergelernt. Hier gehen Theorie und Praxis Hand in Hand, so dass die Auszubildenden später einmal begehrte Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt werden. Berufsschulen kooperieren eng mit Fabriken und Unternehmen, die dem Nachwuchs Praktika in ihren Betrieben anbieten und so schon potenzielle spätere Mitarbeiter rekrutieren können.

  • Das ABC des deutschen Schulsystems

    Gemeinsames Lernen

    Kinder mit Behinderung besuchen in der Regel Förder- oder Sonderschulen, wo auf ihre speziellen Bedürfnisse eingegangen wird. Kritiker bemängeln, dass man die Kinder so ausgrenze. Mittlerweile werden einige von ihnen an Regelschulen unterrichtet. Doch diese „Inklusion“ ist umstritten: Gegner finden, die Kinder würden mangels ausgebildeter Lehrkräfte nicht spezifisch genug gefördert.

  • Das ABC des deutschen Schulsystems

    Wechselnder Stundenplan

    Mal endet der Unterricht mittags um zwölf, dann wieder um drei oder vier Uhr nachmittags. Für berufstätige Eltern ist das eine ganz schöne Herausforderung. Noch viel zu wenige Schulen bieten eine Ganztagsbetreuung an, wo die Kinder nach dem Unterricht ihre Hausaufgaben machen oder verschiedenen Aktivitäten nachgehen können.

  • Das ABC des deutschen Schulsystems

    Privatschulen in der Minderzahl

    Auch in Deutschland gibt es einige Privatschulen, darunter die Waldorf- und die Montessori-Schule, Internate und Konfessionsschulen. Aber die meisten Kinder besuchen staatliche Schulen. Und keine Angst: Das Niveau ist hoch und muss sich nicht hinter dem privaten Angebot verstecken.

    Autorin/Autor: Louisa Schaefer (suc)


  • Das ABC des deutschen Schulsystems

    Vom Kleinkind bis zum Teenager

    Bis zum sechsten Lebensjahr besuchen die Kleinen den Kindergarten. Danach beginnt die Schulpflicht – mindestens bis zum 15. Lebensjahr bzw., je nach Bundesland, der 9.oder 10 Klasse. Hausunterricht ist nur in Ausnahmefällen, wie zum Beispiel bei schwerer Krankheit, erlaubt.

  • Das ABC des deutschen Schulsystems

    Die Grundschule

    Den ersten Schultag versüßen die Eltern ihren Kindern mit einer Schultüte voller Leckereien, danach beginnt der „Ernst des Lebens“. Das Bildungssystem wird in Deutschland nicht von der Bundesregierung, sondern von den einzelnen Bundesländern gestaltet. In den meisten Ländern gehen die Kinder vier Jahre in die Grundschule, bevor sie in die weiterführende Schule kommen, in Berlin allerdings sechs.

  • Das ABC des deutschen Schulsystems

    Auf Empfehlung des Lehrers

    Bevor Grundschüler auf eine weiterführende Schule wechseln, sprechen die Lehrer eine Empfehlung aus, welche Schulform für das Kind am besten geeignet ist: das Gymnasium, die Gesamtschule oder doch Real-oder Hauptschule? Allerdings hören vor allem in Nordrhein-Westfalen die wenigsten Eltern auf den Rat des Klassenlehrers und schicken ihr Kind dann doch auf die Schule ihrer Wahl.

  • Das ABC des deutschen Schulsystems

    Das Gymnasium

    Die Schule für künftige Akademiker bereitet die Kinder auf ein Studium an der Universität vor. Abgeschlossen wird das Gymnasium nach der 12. oder 13. Klasse mit der Fachhochschulreife oder dem Abitur. Auf dem Stundenplan steht alles von Mathematik über Chemie und andere Naturwissenschaften bis hin zu Sprachen, Sozialkunde, Kunst und Musik, Philosophie und Sport.

  • Das ABC des deutschen Schulsystems

    Die Realschule

    Realschüler lernen in den meisten Bundesländern von der 5. bis zur 10. Klasse. Der Stoff ist fast der gleiche wie im Gymnasium, jedoch werden u.a. weniger Sprachen gelehrt. Die Realschule soll die Schüler auf den Besuch einer Techniker- oder Wirtschaftsschule vorbereiten. Schüler mit guten Noten können auch das Abitur machen, müssen dann aber zum Gymnasium oder in die Gesamtschule wechseln.

  • Das ABC des deutschen Schulsystems

    Die Hauptschule

    An der Hauptschule wird ähnlicher Stoff wie an den weiterführenden Schulen unterrichtet, allerdings ist das Lerntempo langsamer. Es gibt viel praxisorientierte Kurse, um die Schüler auf die Berufsschule oder eine Lehre vorzubereiten. Nach dem Abschluss können Schüler immer noch zur Realschule wechseln oder sich auf einer Gesamtschule oder einem Gymnasium für das Abitur qualifizieren.

  • Das ABC des deutschen Schulsystems

    Die Gesamtschule

    Die Gesamtschulen expandierten in den 1970er Jahren als schulreformerisches Kernstück der SPD-Regierung und als Alternative zum dreigeteilten Schulsystem. Gymnasium, Realschule und Hauptschule sind alle in dieser Schulform integriert. Schüler können nach der 13. Klasse ihr Abitur machen. Oder sie lernen mehr praxisorientiert und besuchen nach der 9. oder 10. Klasse eine Berufsschule.

  • Das ABC des deutschen Schulsystems

    Run auf begehrte Plätze

    Fast die Hälfte aller Kinder gehen heute aufs Gymnasium. Aber auch die Gesamtschule steht hoch im Kurs. Zumal sich hier niemand sofort festlegen muss, ob er später mal eine akademische Laufbahn einschlagen oder einen praktischen Beruf ausüben möchte. In Großstädten ist die Nachfrage nach Gesamtschulplätzen derzeit höher als das Angebot: So mussten in Köln 2018 1000 Bewerber abgewiesen werden.

  • Das ABC des deutschen Schulsystems

    Die Orientierungsphase

    Wenn Schülern der 5. und 6. Klasse während der Orientierungsphase im Gymnasium der Stoff zu schwer wird, sprechen sich Lehrer oft für den Wechsel zur Realschule oder auf die Hauptschule aus. Umgekehrt können Schüler mit guten Noten jetzt noch relativ problemlos auf das Gymnasium wechseln. Ein Platz an der Gesamtschule ist dann allerdings nur noch schwer zu ergattern.

  • Das ABC des deutschen Schulsystems

    Andere Länder, andere Modelle

    Nicht alle Bundesländer haben ein dreigeteiltes Schulsystem: In Sachsen besuchen die Kinder nach der Grund- die Oberschule (eine Kombination aus Haupt- und Realschule) oder das Gymnasium. In einigen Ländern wäre dann noch die Gemeinschaftsschule im Angebot, eine Art Gesamtschule von der 1. bis zur 10. Klasse. Und Bayern hat 2011 statt der Haupt- die Mittelschule eingeführt. Ganz schön verwirrend.

  • Das ABC des deutschen Schulsystems

    Die Berufsschule

    Nach dem Haupt- oder Realschulabschluss wird auf der Berufsschule weitergelernt. Hier gehen Theorie und Praxis Hand in Hand, so dass die Auszubildenden später einmal begehrte Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt werden. Berufsschulen kooperieren eng mit Fabriken und Unternehmen, die dem Nachwuchs Praktika in ihren Betrieben anbieten und so schon potenzielle spätere Mitarbeiter rekrutieren können.

  • Das ABC des deutschen Schulsystems

    Gemeinsames Lernen

    Kinder mit Behinderung besuchen in der Regel Förder- oder Sonderschulen, wo auf ihre speziellen Bedürfnisse eingegangen wird. Kritiker bemängeln, dass man die Kinder so ausgrenze. Mittlerweile werden einige von ihnen an Regelschulen unterrichtet. Doch diese „Inklusion“ ist umstritten: Gegner finden, die Kinder würden mangels ausgebildeter Lehrkräfte nicht spezifisch genug gefördert.

  • Das ABC des deutschen Schulsystems

    Wechselnder Stundenplan

    Mal endet der Unterricht mittags um zwölf, dann wieder um drei oder vier Uhr nachmittags. Für berufstätige Eltern ist das eine ganz schöne Herausforderung. Noch viel zu wenige Schulen bieten eine Ganztagsbetreuung an, wo die Kinder nach dem Unterricht ihre Hausaufgaben machen oder verschiedenen Aktivitäten nachgehen können.

  • Das ABC des deutschen Schulsystems

    Privatschulen in der Minderzahl

    Auch in Deutschland gibt es einige Privatschulen, darunter die Waldorf- und die Montessori-Schule, Internate und Konfessionsschulen. Aber die meisten Kinder besuchen staatliche Schulen. Und keine Angst: Das Niveau ist hoch und muss sich nicht hinter dem privaten Angebot verstecken.

    Autorin/Autor: Louisa Schaefer (suc)


Man sollte meinen, es sei nicht schwer, sein Kind an einer weiterführenden Schule anzumelden. Man füllt ein paar Formulare aus, unterschreibt und reicht sie ein. Nicht so in Deutschland. Machen Sie sich auf eine Odyssee gefasst.

Meine ausländischen Freunde und ich machen uns manchmal über die berüchtigte deutsche Bürokratie lustig. „Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht?“ Das trifft definitiv auch auf das Bildungssystem zu. Erst letztens merkte ein australischer Freund an: „Man braucht einen Doktor, um das staatliche deutsche Schulsystem zu verstehen.“

Bloß nicht die falsche Entscheidung treffen!

In Deutschland sind die 16 Bundesländer und nicht die Bundesregierung für das Schulsystem zuständig – und deswegen ist es auch alles andere als einheitlich. Okay, auf einige Dinge hat man sich geeinigt. Nach der Grundschule kommen Kinder in die 5. Klasse einer weiterführenden Schule (außer eben in Berlin und Brandenburg, da wechseln sie erst zwei Jahre später). Für die meisten Eltern beginnt das große Grübeln, wohin sie ihr Kind schicken sollen, aber schon, wenn die Sprösslinge noch die 4. Klasse besuchen. Von September bis Februar, also den ganzen Herbst und die Weihnachtszeit hindurch bis ins neue Jahr hinein überlegt man hin und her, um bloß nicht die falsche Entscheidung zu treffen.

In den meisten Bundesländern dauert die Grundschule vier Jahre

Fast jeden Samstag besucht man irgendeine Schule, die gerade einen Tag der Offenen Tür anbietet. Mit dem Kind im Schlepptau schaut man sich Klassenräume an und redet mit Lehrern und Schülern, um herauszufinden, ob die Tochter oder der Sohn hier gut aufgehoben wären. Das ist ziemlich zeitaufreibend. Ganz zu schweigen davon, dass man sich vor lauter wohlklingenden Angeboten wie im Supermarkt fühlt, wo man von Reihen unterschiedlichster Salatsoßen quasi erschlagen wird. Welche nehme ich nur? Man möchte eigentlich nur noch auf dem Absatz kehrtmachen und weglaufen.  

Im Februar wird es ernst: Die Kinder bekommen ihre Zwischenzeugnisse und die Eltern eine Empfehlung des Klassenlehrers, auf welcher weiterführenden Schule der Nachwuchs am besten aufgehoben wäre. Man muss sich entscheiden und kann dann nur hoffen, auch einen Platz auf der Schule seines Verlangens zu ergattern.

Ein hierarchisches System

Viele Deutsche hören das zwar gar nicht gern, aber das Schulsystem ist ziemlich hierarchisch aufgebaut und zwingt Schüler schon sehr früh, eine bestimmte Richtung einzuschlagen. Ich lebe in Nordrhein-Westfalen, wo es ein dreigeteiltes System weiterführender Schulen gibt. Da ist einmal das Gymnasium für die aufgeweckten Kinder meist wohlhabender Eltern, die mal studieren sollen. In der Realschule  finden sich Kinder wieder, die vielleicht einen Schreibtischjob anstreben, vielleicht aber auch nicht. Und  schließlich gibt es die Hauptschule, die zukünftige Handwerker und Arbeiter ausbildet. Daneben gibt es noch schulformübergreifende Gesamtschulen und Gemeinschaftsschulen.

Wenn sie ehrlich sind, müssen die meisten deutschen Eltern zugeben, dass sie stolz und erleichtert sind, wenn ihr Kind vom Lehrer eine Empfehlung fürs Gymnasium bekommt. Ich hingegen finde, dass es viel zu früh ist, die schulische Laufbahn der Kinder schon in der vierten Klasse festzulegen. Meine Tochter hat zwar eine Empfehlung fürs Gymnasium, aber ich finde trotzdem nicht, dass sie schon in der 5. Klasse dorthin gehen sollte.

Welche Empfehlung gibt die Klassenlehrerin wohl für den Nachwuchs?

Zu jung für den Wechsel 

Derzeit besucht sie noch eine Grundschule in einem Kölner Vorort – und da geht es fast zu wie im Märchen. Wenn ich sie und ihren Bruder dort abhole, gießen sie gerade die Petunien oder sind irgendwo auf dem Schulhof voller alter Baumriesen ins Spiel vertieft. Schafe und Hühner laufen auf dem Gelände herum und manchmal auch ins Gebäude hinein. Während der Pausen können sich die Kinder hier austoben. Sie lernen aber auch, was Empathie und Hilfsbereitschaft bedeutet: Denn in ihre Klasse gehen auch behinderte Kinder, denen sie wie selbstverständlich helfen. Und das alles in einer staatlichen Schule am Rand einer Millionenstadt.     

Ich bin mir sicher, dass das nicht die Regel ist. Aber wer würde seine Kinder im zarten Alter von zehn Jahren nicht gerne weiter hierher gehen lassen? Warum sollen sie schon im nächsten Jahr die gleiche Schule wie 15- und 16-jährige Teenager besuchen? Ich bin in den USA aufgewachsen, wo erst nach der Middle School (Klasse 6 bis 8) bzw. Junior High School (Klasse 7 und 8) die High School (Klasse 9 bis 12) besucht wird.

In der Grundschule geht’s nicht nur ums Lernen, sondern auch ums Spielen

Warum können meine Kinder nicht bis zur sechsten Klasse in der Grundschule bleiben – so wie es in Berlin üblich ist? Und in vielen Ländern rund um den Globus? „In der vierten Klasse wollen die Kinder einfach nur spielen und nicht darüber nachdenken müssen, welche weiterführende Schule sie demnächst besuchen“, sagte mir die Klassenlehrerin meiner Tochter. Da ist sie sich mit ihren Kollegen einig.  

Auch die in Frankfurt ansässige Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ist dieser Ansicht. „Es ist einfach zu früh, dann schon den weiteren Bildungsweg für Neunjährige festzulegen,  kommentierte die GEW gegenüber der Tageszeitung „Welt“.

„In Brandenburg und Berlin setzen wir auf sechs Jahre Grundschule, damit die Kinder länger zusammen bleiben und gemeinsam lernen können“, sagt Beate Stoffers, Pressesprecherin für Bildung in Berlin.

Der Weisheit letzter Schluss?

Ich habe mich entschieden: Meine Tochter (und ein Jahr später dann auch meinen Sohn) werde ich auf die Gesamtschule schicken und so das Dreiklassensystem umgehen. Es scheint mir gerechter und kommt der Amerikanischen High School, die ich besucht habe, am nächsten. Meine Tochter kann in der Gesamtschule Abitur machen, wenn sie möchte; ihr stehen aber auch andere Wege offen.

Kinder brauchen Zeit, um ihre Fähigkeiten zu entwickeln

Ich bin mir sicher, das ist die beste Lösung. Zwar ist die Schule nicht gerade am Ende der Straße, sondern in einem ganz anderen Bezirk, circa 40 Minuten Busfahrt entfernt.  Ein langer Weg für eine Zehnjährige. Aber ich weiß, dass meine intelligente und charmante kleine Tochter ihren Weg auf der weiterführenden Schule machen wird. Und vielleicht wird sie ja tolle Lehrer haben, die ihr dabei helfen.

Und trotzdem: Warum muss es in Deutschland so kompliziert sein, die richtige Schule zu finden?  

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