Home Politik „Damit begann auch Merkels Stern zu sinken“
Politik - 19.11.2018

„Damit begann auch Merkels Stern zu sinken“

Die Ära Merkel neigt sich dem Ende zu. Herfried Münkler, einer der renommiertesten Politikwissenschaftler Deutschlands, hat in einem Gastkommentar eine vorläufige Bilanz gezogen. Sein Blick auf die Kanzlerin fällt differenziert aus. 0

Herfried Münkler ist einer der führenden deutschen Politikwissenschaftler – und hat eine klare Meinung über Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). In einem Gastbeitrag in der „Neuen Zürcher Zeitung“ hat der 67-jährige Professor für Politische Theorie und Ideengeschichte an der Humboldt-Universität Berlin seinen „vorläufigen Rückblick“ auf die Kanzlerschaft Merkels niedergeschrieben.

Dass Merkel der Vorstellung von Politik ein weibliches Gesicht verliehen habe, habe Deutschland gut getan, meint Münkler. Deutschland sei mit ihr an der Spitze der Aufstieg zur führenden Macht innerhalb Europas auch deshalb gelungen, weil die Kanzlerin ein zurückhaltendes Auftreten an den Tag gelegt habe „und das Herauskehren eines deutschen Führungsanspruchs vermied“.

Dadurch habe Merkels Politik oft schwächer ausgesehen, als sie tatsächlich war. Sie habe sich durchgesetzt, obwohl sie auf „den Gestus des Durchsetzungswillens“ verzichtet habe, beschreibt Münkler seine Beobachtungen.

Als Merkel nationale und parteipolitische Belange hintanstellte, zum Beispiel bei der Griechenland-Rettung oder dem Offenhalten der Grenzen 2015, dürfte ihr laut Münkler klar gewesen sein, „dass sie damit einen Teil ihrer Wählerschaft verprellte“. Merkel habe kurzerhand immer wieder unterstellt, eine große Mehrheit der Deutschen werde ihre Entscheidungen schon nachvollziehen – viel darum geworben habe die Kanzlerin aber nicht: „An großen und grundsätzlichen Debatten lag ihr nicht, und sie hat diese gemieden, wo immer das möglich war.“

Münkler kommt zu dem Ergebnis, dass sich hierin ein Erbe der DDR zeigt, wo Merkel aufwuchs und bis zur Wende lebte. „Nicht die Kraft der Rhetorik, die sich gegen andere Sichtweisen und Vorschläge durchsetzt, sondern das Vertrauen in Fach- und Sachkompetenz galt hier, jedenfalls in der posttotalitären Phase unter Honecker, als Königsweg zur richtigen Entscheidung“, schreibt Münkler. Für Merkel gelte eine entideologisierte Expertise ohne großen Streit als Königsweg guter Politik – dem sei sie gefolgt.

Lange sei die heute 64-Jährige damit gut gefahren. „Zeitweilig galt Angela Merkel als die weltweit einflussreichste Politikerin“, hält Münkler fest. Doch der Zeitgeist habe sich geändert: Es gebe ein Bedürfnis danach, politische Fragen in konfrontativ geführten Debatten zu klären – „damit begann auch Merkels Stern zu sinken“.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Check Also

Jens Spahn reist in den Kosovo, um Pflegekräfte anzuwerben

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU): Im Kosovo und in Albanien sei die Pflegeausbildung b…