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Politik - 20.10.2018

Kein Grund zum Ärgern

Diese Woche interessierte die besonders die Geschichte über den ersten Palästinenser, der sich um einen Sitz in Jerusalems Stadtrat bewirbt. Israel-Korrespondent Gil Yaron überraschte er mit seiner Meinung zur neuen US-Botschaft. 0

Das sind die Augenblicke, für die man Nahostkorrespondent wird: Wenn man plötzlich das vollkommen Unerwartete trifft und das Gefühl bekommt, man erlebt historischen Wandel hautnah mit. Wie das Interview, das ich mit Ramadan Dabasch führte, dem palästinensischen Kandidaten für einen Sitz in Jerusalems Stadtrat.

Wir hatten uns im Jugendzentrum in seinem Stadtteil Zur Baher verabredet. Wie im Orient üblich, kam mein Partner zu spät. Das gab mir genügend Zeit, im Foyer noch einen süßen Kaffee mit Kardamom zu schlürfen und dann durch das Gebäude zu schlendern. Bis ich den Balkon fand, mit wunderbarem Ausblick auf die Hügel im Süden der Heiligen Stadt.

Mitten im Blickfeld auf dem Berg gegenüber erblickte ich einen inzwischen weltbekannten, quaderförmigen Großbau: die neue US-Botschaft in Jerusalem. Tausende Palästinenser hatten monatelang gegen die Verlegung der US-Vertretung von Tel Aviv hierher demonstriert. Mehrheitlich muslimische Staaten hatten sogar vor dem Ausbruch eines neuen Kriegs gewarnt, und damit die Europäer besorgt. Während ich ein wenig Schatten suchte, um mich vor der gleißenden Jerusalemer Spätsommersonne zu schützen, schlenderte Dabasch auf die Terrasse und schüttelte mir die Hand.

„Na, wie sehr ärgerst Du Dich, wenn Du jeden Tag von Deiner Arbeit auf das umstrittene Gebäude da drüben gucken musst?“, fragte ich ihn, als Einstieg in unser Gespräch. Verwundert schaute Dabasch über seine Schulter, um das Panorama nach dem Haus abzusuchen, von dem ich sprach. Als er nicht fündig wurde fragte er: „Welches meinst Du?“ „Na die verlegte US-Botschaft.“

„Mich ärgern? Das tut sie gar nicht. Ich finde, das war ein richtiger Schritt. Schließlich ist Jerusalem Israels Hauptstadt“, erwiderte er, und lud mich in sein Büro. Ich folgte ihm in der Erwartung, dass nun ein Interview folgen dürfte, das viele vorgefertigte Meinungen infrage stellen würde.

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