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Politik - 21.10.2018

Nach nur zwei Jahren Haft ist Hassprediger Choudary wieder frei

Anjem Choudary gilt als geistiger Vater von Terroranschlägen in London, Paris und Brüssel. Nach kaum zwei Jahren Haft darf er unter Auflagen wieder auf die Straße – obwohl befürchtet wird, er könne weitere Anschläge planen. 0

Am Freitag im Morgengrauen hat die britische Justiz den Hassprediger Anjem Choudary auf freien Fuß gesetzt. In einem Van mit verdunkelten Scheiben verließ der 51-Jährige das Belmarsh-Gefängnis im Südosten Londons, das über einen Sondertrakt für verurteilte Terroristen verfügt. Choudary war im Sommer 2016 wegen des Aufrufs zur Unterstützung der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Er kommt nun auf Kaution frei.

Die vorzeitige Freilassung sorgt im Königreich für scharfe Kritik. Britische Medien bezeichnen den gebürtigen Londoner als „gefährlichsten Extremisten der Nation“, weil er mit mindestens 15 Terroranschlägen in Verbindung gebracht wird. Dazu gehören auch die in Paris im November 2015 und in Brüssel im März 2016. Der Islamist soll zudem maßgeblichen ideologischen Einfluss auf viele der mehr als 800 Briten gehabt haben, die sich dem IS in Syrien und Irak anschlossen.

Der Justiz fehlt jedoch die strafrechtliche Grundlage, Choudary zu einer längeren Haftstrafe zu verurteilen oder ihm die nach Verbüßung der Hälfte seiner Haftzeit zustehende Entlassung zu verwehren. Der Vorsitzende Richter am Krongericht Old Bailey in London befand bereits in seiner Urteilsbegründung 2016, dass „das Gericht nicht die ausreichende Macht hat, eine längere Haftstrafe zu verhängen“. Und dies, „obwohl ich meine Ansicht erklärt habe, dass der Angeklagte gefährlich ist und seine Botschaften weiter verkünden wird“.

„Choudary ist kein Kleingartenextremist“

Schon für die aktuelle Verurteilung Choudarys hatte die Justiz Jahre gebraucht. Der studierte Anwalt wusste sich bei seiner radikalen öffentlichen Hetze immer auf sicherem juristischen Terrain. Zynisch nutzte er die Grauzone zwischen freier Meinungsäußerung und Religionsfreiheit auf der einen Seite und strafbarem Aufruf zum Terrorismus auf der anderen.

Erst als er 2014 ein Video auf YouTube stellte, in dem er zum Aufbau eines IS-Kalifats in Großbritannien aufrief, hatte die Polizei Handhabe. Derzeit geht eine Gesetzesänderung durch das britische Parlament, die Aufruf und Unterstützung von Terror als gesondertes Delikt definieren und damit die Ahndung verschärfen würde.

Choudary wurde am Freitag in ein überwachtes Hostel im Osten Londons gebracht. Alle Versuche, sein neues Zuhause abzuschotten, schlugen fehl. Das Massenblatt „Daily Mail“ veröffentlichte umgehend den Standort der Unterkunft, in der die Londoner Justiz regelmäßig Schwerkriminelle wie Sexualstraftäter unterbringt, die wieder in die Gesellschaft eingegliedert werden sollen. Für die Behörden ist das Öffentlichwerden von Choudarys Aufenthalt aus zwei Gründen ein Problem: Seine Anhänger könnten ihn aufsuchen wollen. Gleichzeitig wird er von anderen, beispielsweise rechtsradikalen Extremisten bedroht.

Die Bewährungsauflagen für Choudary sind streng – und wegen der personalintensiven Überwachung kostspielig. Der verurteilte Hassprediger muss eine elektronische Fußfessel tragen, darf das Internet nur unter Aufsicht benutzen und gewisse Moscheen nicht besuchen. Vor allem darf er keinerlei öffentliche Auftritte machen oder mit Medien sprechen. Letzteres hatte vor Choudarys Verhaftung maßgeblich zu seiner fragwürdigen Bekanntheit beigetragen. Er setzte sich regelmäßig auf die Studiosofas der meistgeschauten TV-Sendungen, um verklausuliert zum Dschihad aufzurufen.

„Anjem Choudary ist kein gewöhnlicher Kleingartenextremist. Er hat die islamistische Agenda in Großbritannien angeführt. Jetzt bewegt er sich wieder frei auf unseren Straßen – ohne im geringsten Bedauern für seine Taten ausgedrückt oder seine Ansicht geändert zu haben“, warnt Alan Mendoza, Direktor der Denkfabrik Henry Jackson Society.

„Es gibt keine Garantie, dass er sein Vorgehen in der Zukunft ändert, weshalb er wahrscheinlich wieder gefährliche Extremisten um sich scharen wird. Seine Anhänger stehen in Verbindung mit einem Dutzend Terroranschlägen. Daher ist es wahrscheinlich, dass weitere folgen werden.“

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