Home Politik Nur ein Mann könnte Netanjahu stoppen
Politik - 18.11.2018

Nur ein Mann könnte Netanjahu stoppen

Die Krise rund um Gaza hat dem Ansehen des Premierministers schwer geschadet und könnte seine Regierung zu Fall bringen. Trotzdem steht zwischen ihm und einer fünften Amtszeit in Folge nur ein Mensch. Doch der ist kein Politiker. 0

Noch am Freitag warnte Israels Premierminister seine Koalition: Schon 1992 hätten Israels Konservative ihre eigene Regierung gestürzt – das habe einen Wahlsieg der Linken ermöglicht, die dann die verhassten Oslo-Friedensverträge mit den Palästinensern unterzeichnete.

Seine Partner, so Benjamin Netanjahu, sollten deshalb jetzt nicht auch seine Regierung zu Fall bringen und damit einen „historischen Fehler“ wiederholen. Tatsächlich schwelt in Jerusalem eine Regierungskrise, die erneut historische Folgen haben könnte. Und wieder geht es um Krieg und Frieden.

Aus Protest gegen ein Waffenstillstandsabkommen mit der radikal-islamischen Hamas im Gazastreifen hatte Verteidigungsminister Avigdor Lieberman vergangene Woche seinen Rücktritt eingereicht und eine damit die Koalition als Ganze infrage gestellt.

Netanjahu regiert jetzt nur noch mit einer Mehrheit von einer Stimme im Parlament. Schon will die Knesset über Neuwahlen beraten. Selbst Netanjahus verbliebene Partner schließen sich einer solchen Forderung an, als Termin wäre der März 2019 wahrscheinlich. Noch am Sonntagabend wollte sich Netanjahu deshalb mit einem seiner Koalitionspartner, Finanzminister Mosche Kachlon, treffen.

Netanjahu hat zuletzt in Umfragen stark verloren, weil er mit der Hamas einen Waffenstillstand schloss, nachdem diese innerhalb von zwei Tagen fast 500 Raketen auf Israel abgeschossen hatte. Nach Berechnungen der Meinungsforscher bekäme seine Likud-Partei bei Wahlen weniger als 30 Sitze, so wenige wie seit vielen Monaten nicht.

Gil Yaron über die Folgen des Lieberman-Rücktritts für die Netanjahu-Regierung Das Video konnte nicht abgespielt werden.
Bitte versuchen Sie es später noch einmal.

Der Rücktritt bringt Netanjahu in die Bredouille. Sobald Liebermans Partei „Israel unser Heim“ die Koalition verlässt, beruht deren Mehrheit im Parlament nur noch auf einer Stimme. Sehen Sie hier eine Einordung von unserem Israel-Korrspondneten Gil Yaron.

Der Regierungschef musste sich von seinem Verteidigungsminister vorwerfen lassen, Israel langfristig zu gefährden. In der Bevölkerung herrscht allgemeiner Unmut über Netanjahus Sicherheitspolitik. Laut neusten Umfragen sind 73 Prozent der Israelis unzufrieden damit, wie er die letzte Eskalation mit der Hamas in Gaza handhabte.

Und trotz alldem dürfte der nächste Premierminister wieder Netanjahu heißen, selbst wenn es Neuwahlen gäbe. In Israels schnelllebiger Politik werden Krisen bald vergessen. Das könnte auch diesmal der Fall sein, vor allem, wenn rund um Gaza tatsächlich Ruhe einkehren sollte.

Die Kritik von Lieberman dürfte nur in kleinen Kreisen nachhaltig wirken. Im Gegensatz zu Netanjahus erwiesener Erfahrung aus einem Wehrdienst in einer Eliteeinheit und fast einem Jahrzehnt im Amt beschränkt sich Liebermans Kampferfahrung auf einen Job als Türsteher während seiner Studentenzeit und eine Tracht Prügel, die er einmal zwei Mitschülern seines Sohnes verabreichte.

Und trotz der immer größer werdenden Unzufriedenheit betrachtet weiterhin die überwiegende Mehrheit der Israelis Netanjahu als den Politiker, der am besten dazu geeignet ist, das Land zu führen. Umfragen zeigen, dass der Likud unter Netanjahu wieder stärkste Partei in der Knesset werden könnte und nur Netanjahu realistische Chancen hätte, eine stabile Koalition zu bilden.

Nur ein Mensch steht deshalb noch zwischen „Bibi“ und dessen fünfter Amtszeit in Folge: Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit – ein Beamter, der von Netanjahu persönlich ernannt wurde.

Seit Monaten liegen auf Mandelblits Schreibtisch Empfehlungen der Polizei, gegen Netanjahu wegen Amtsmissbrauchs und Korruption Anklage zu erheben. Israelische Medien behaupten unter Berufung auf anonyme Quellen im Justizministerium, dass eine Entscheidung in dieser kritischen Frage Ende November fallen soll.

Es geht um mindestens drei Affären. In der Ermittlungsakte mit der Ordnungsnummer 1000 steht Netanjahu unter Verdacht, von nahestehenden Milliardären über Jahre Geschenke im Wert von Zehntausenden Euro erhalten zu haben, darunter teure Zigarren und roten Champagner.

Laut Akte 2000 soll Netanjahu einem Zeitungsverleger angeboten haben, dessen Konkurrenz auszuschalten. Im Gegenzug sollte dieser die Kritik in seinem Blatt am Premier dämpfen.

In der Akte 4000 heißt es, Netanjahu habe einem Unternehmer Steuervergünstigungen und andere Vorteile gewährt. Dieser soll dafür die Berichterstattung in seinen Medien zugunsten des Premiers beeinflusst haben.

Wichtige Koalitionspartner Netanjahus wie Finanzminister Kachlon und Bildungsminister Naftali Bennett haben erklärt, sie könnten von einem weiteren Regierungsbündnis mit Netanjahu Abstand nehmen, falls gegen den Premier Anklage erhoben werde – machten diese Entscheidung aber vom Ausmaß der Vorwürfe abhängig. Die Wahlkampagnen beider Politiker stützten sich in der Vergangenheit zu einem großen Teil auf ihr Image als Vertreter einer neuen, „saubereren“ Politik.

Die Parteien in der Opposition, die ebenfalls als Partner für Netanjahu infrage kämen, schlossen eine Koalition mit ihm kategorisch aus, falls es zu einer Angeklage käme. Das würde seinen Spielraum einengen und könnte Koalitionsverhandlungen im Voraus zum Scheitern verurteilen.

Viele in Israel fragen sich, ob Staatsanwalt Mandelblit sich derart in Israels Politik einmischen will – und das zu Ungunsten seines politischen Mentors. Mandelblit war Sekretär des Kabinetts unter Netanjahu, bevor der ihn zum Generalstaatsanwalt ernannte. Mandelblit könnte seinem ehemaligen Chef indes auch schaden, ohne sich direkt gegen ihn zu entscheiden.

In der Akte 3000, in der es um den Kauf von vier deutschen Kriegsschiffen und drei U-Booten der Firma ThyssenKrupp geht, empfahl die Polizei ebenfalls, Anklage wegen Korruption zu erheben. Der Verdacht richtet sich gegen Netanjahus engstes Umfeld, wie den Rechtsanwalt David Schimron, einen Cousin und engen Berater Netanjahus, und gegen David Scharan, der Netanjahus Büro leitete.

Mandelblit muss entscheiden, ob sie vor Gericht kommen. Angesichts der Schwäche der israelischen Opposition liegt so die politische Zukunft des Premiers und ganz Israels maßgeblich in Händen der Justiz.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Check Also

Jens Spahn reist in den Kosovo, um Pflegekräfte anzuwerben

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU): Im Kosovo und in Albanien sei die Pflegeausbildung b…