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Politik - 19.11.2018

Polizeigewerkschaft zerpflückt Seehofers Abschiebepläne

Das Bundesinnenministerium will Abschiebungen in andere EU-Staaten mit einem Acht-Punkte-Plan erleichtern.

  • Die Gewerkschaft der Polizei kritisiert die Pläne als unzureichend. Als Beispiel werden die „No-name-Buchungen“ genannt.
  • Es gebe kein Personal, "um Ersatzkandidaten für Abschiebeflüge aufzusuchen, wenn einer spontan untertaucht".

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Mit einem Acht-Punkte-Plan will das Bundesinnenministerium Abschiebungen in andere EU-Staaten erleichtern. Entsprechende Vorschläge habe man den Bundesländern unterbreitet, teilte das Ministerium am Sonntag in Berlin mit.

Die Maßnahmen sollten dazu dienen, die Menschen schneller und einfacher als bisher in das für das Asylverfahren zuständige EU-Land zu überstellen. Auch gesetzliche Anpassungen seien denkbar. In Deutschland sind Abschiebungen Ländersache.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) kommt mit seinem Plan einer Vereinbarung des Koalitionsausschusses nach, Vorschläge zur Beschleunigung des Dublin-Verfahrens vorzulegen. Nach dem Dublin-Abkommen ist der EU-Staat für das Asylverfahren eines Migranten zuständig, den der Asylbewerber zuerst erreicht hat.

Das steht in Seehofers Acht-Punkte-Plan

Konkret wird den Bundesländern eine nächtliche Meldepflicht für Ausreisepflichtige vorgeschlagen, wenn diese Gemeinschaftsunterkünfte verlassen. Bei Verstößen könne Haft angeordnet werden, „sofern die Umstände des Einzelfalls hierdurch Fluchtgefahr annehmen lassen“.

Zudem sollten „No-name-Buchungen“ bei Abschiebeflügen sicherstellen, dass Plätze an Bord nicht unbesetzt blieben, wenn ein Migrant vor seiner Abschiebung untertauche. Bei diesen Buchungen reservieren die Behörden Sitzplätze in Fliegern ohne konkrete Namen der Abzuschiebenden anzugeben.

In den Gemeinschaftsunterkünften sollten ferner Ärzte fest angestellt werden, um schnell untersuchen zu können, ob gesundheitliche Gründe gegen eine Abschiebung sprechen. Schließlich sei eine bundesweite Online-Überstellungsplattform geplant, auf die alle beteiligten Behörden Zugriff hätten.

Das Ministerium teilte mit, dass es zusätzlich an einem Gesetzentwurf für das „Zweite Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht“ arbeite. Dieser werde weitere „Verbesserungen im Bereich Rückführungen“ enthalten, die „über das spezifische Dublin-Verfahren“ hinaus gehen.

GdP zerpflückt Seehofer-Plan

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) kritisierte die Pläne des Innenministeriums als unzureichend. „Ohne eine Verbesserung der personellen Situation der Polizei sind die vorgeschlagenen Maßnahmen kaum umsetzbar“, sagte Vize-Chef Jörg Radek auf WELT-Anfrage.

Als Beispiel nannte er die „No-name-Buchungen“. Diese seien „nur für Außenstehende ein richtiger Ansatz“, scheiterten aber in der Praxis. „Wir haben schlicht nicht das Personal, um Ersatzkandidaten für Abschiebeflüge aufzusuchen, wenn einer spontan untertaucht.“

Zwar sei die Bundespolizei zuletzt aufgestockt worden. „Aber dieses neue Personal können wir nicht sofort in der Rückführung einsetzen.“ Erschwert werde die Situation durch die „bürokratischen Rahmenbedingungen“.

Migrantenstrom nach Deutschland reißt nicht ab Das Video konnte nicht abgespielt werden.
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Im Oktober wurden wieder mehr Asyl-Anträge als im September gestellt. Der Rückgang der irregulären Migration über das Mittelmeer schlägt sich nicht auf die Asyllage in Deutschland nieder.

An den Abschiebeflügen nehmen Beamte der Bundespolizei freiwillig teil. Häufig würden aus Kostengründen nicht die direkten Flugrouten genutzt, was die Belastungen der Mitarbeiter in Grenzen halten würde. „Es ist Standard, dass die Beamten ihre Hotelrechnung aus eigener Tasche bezahlen müssen.“

Auf Rücküberweisungen warteten sie zum Teil wochenlang. Aus Personalmangel würden bei den Abschiebeflügen schon jetzt Polizisten eingesetzt, die nicht die dafür erforderliche Fortbildung absolviert hätten. „Das ist ein eklatanter Verstoß gegen die Fürsorgepflicht gegenüber den Beamten.“

Kritisch äußerte sich auch die AfD. „Es ist grundsätzlich positiv, dass das Bundesinnenministerium sich endlich Gedanken macht, wie die lachhaft niedrigen Abschiebequoten gesteigert werden können“, sagte AfD-Innenpolitiker Gottfried Curio.

Allerdings beträfen die vorgeschlagenen Maßnahmen nur Verfahrensdetails. „Fundamentale Missstände“ würden ausgespart. „Weiterhin bleibt offen, wie das Hintertreiben von Abschiebemaßnahmen durch einzelne Bundesländer wirksam unterbunden werden kann.“

Die FDP stellte sich hinter die Vorschläge des Ministeriums. „Zügige und funktionierende Dublin-Verfahren sind notwendig“, sagte der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Konstantin Kuhle. „Von daher gehen die angekündigten Maßnahmen in die richtige Richtung und sollten mit den Ländern zügig besprochen werden.“

Seine Fraktion fordere seit Monaten einen Migrationsgipfel, um eben diese Themen zu besprechen. „Hätte Seehofer mit seinen albernen Aktionen nicht monatelang den Betrieb aufgehalten, wären wir viel weiter.“ Die Fraktionen von SPD und Grünen äußerten sich zunächst nicht. Man wolle die Vorschläge des Innenministeriums prüfen, hieß es.

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