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Politik - 26.10.2018

Warum bayerische Polizisten von der „Cop-Map“ genervt sind

Angeblich aus Protest gegen Polizeigewalt haben Aktivisten eine umstrittene Karte ins Netz gestellt. Sie soll einen Überblick über alle Einsätze von Beamten geben. Jeder darf mitmachen. Die „Cop-Map“ hat aber auch bei der Polizei einen Fan. 0

Das Video beginnt mit einem herzlichen Lächeln. Dann erzählt Ernst Grube vom Holocaust. Vom Raub jüdischen Eigentums durch die Nationalsozialisten. Von Vertreibung. Und schließlich von den Deportationen in die Gettos und Vernichtungslager. Ernst Grube, Sohn einer als Jüdin verfolgten Frau und eines Kommunisten, wurde Anfang 1945 nach Theresienstadt verschleppt. Dann kam die Rote Armee und befreite das Lager. Ernst Grube überlebte.

Heute ist er 85 Jahre alt, Präsident der Lagergemeinschaft Dachau und seit Neustem das Gesicht einer Anti-Polizei-Kampagne des linken Künstlerkollektivs Peng und der Münchner Künstlergruppe „Polizeiklasse“. Diese haben eine interaktive Karte erstellt, auf der Nutzer echte oder vermeintliche Polizeiaktivitäten eintragen können: die „Cop-Map“. Vermerkt werden können dort Wachen, Personenkontrollen, Überwachungskameras, Streifen- oder Zivilpolizisten und berittene Beamte. Kontrolliert werden die Angaben nicht.

Hintergrund der Aktion ist laut den Aktivisten die Reform des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes, kurz PAG. Mit der Umsetzung im Mai dieses Jahres wurde die Befugnis der Polizei zur „Gefahrenabwehr“ deutlich erweitert.

In Bayern gilt das neue Polizeiaufgabengesetz Das Video konnte nicht abgespielt werden.
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In Bayern ist die Verschärfung des bayerischen Polizeirechts beschlossen. Viele haben Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes. Die Gewerkschaft der Polizei und der Anwaltverein, aber auch die Opposition kritisieren die Neuregelung scharf.

Vor der Gesetzesnovelle musste die Polizei, bevor sie tätig wird, begründen, dass eine „konkrete Gefahr“ vorliegt. Durch die Änderung kann die Polizei nun schneller eingreifen. Außerdem erhält die Polizei durch das PAG weitere Befugnisse. So kann sie zum Beispiel Personen schon bei einer „drohenden Gefahr“ in Präventivhaft nehmen. Kritiker halten den Begriff „drohende Gefahr“ für zu ungenau.

Das neue bayrische Polizeiaufgabengesetz wird von verschiedenen Seiten kritisiert, unter anderem klagten FDP, Grüne und Linke gemeinsam vor dem Bundesverfassungsgericht dagegen. In München protestierten vor der Verabschiedung 30.000 Demonstranten gegen die geplanten Änderungen.

„Die Polizei wird selbst zu einer Gefahr für Grundrechte, für Freiheit und Demokratie“, argumentieren die Macher der Karte. Für bestimmte Menschen sei sie das schon immer gewesen. Damit spielen sie auf die Praxis des racial profiling an. Seit der Reform des PAG stelle die Polizei eine Bedrohung für alle dar. „Es ist Zeit für eine Solidarisierung! Darum starten wir die ,Cop-Map‘.“

Zeitzeuge Ernst Grube, der Mitglied der DKP ist, fragt in dem Videobeitrag auf der Website: „Sind wir denn wirklich so naiv, dass wir meinen, dass diejenigen, die immer mehr Macht bekommen, diese nicht auch ausnutzen? Haben wir wirklich nichts gelernt?“ Gegen das PAG sei er aufgrund seiner Erfahrung mit einer „ungeheuren Machtfülle“ des Staates, welche die Demokratie zerstöre.

Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Oliver Malchow, kritisiert die Aktion auf WELT-Anfrage: „Zu suggerieren, dass die Polizei als Gefährder auftrete, ist lediglich unter dem Gesichtspunkt öffentlichkeitswirksamer Satire nachvollziehbar, aber, mit Verlaub, schlichtweg Blödsinn.“ Die Intention der „Cop-Map“ sei „ganz klar polizeifeindlich“ und könne das Risiko für Polizeistreifen erhöhen. Man werte die Aktion als böswilligen Angriff auf Kolleginnen und Kollegen.

Dann ist da das Problem mit der „Qualitätssicherung“. Weil niemand die eingespeisten Daten kontrolliert, ist die „Cop-Map“ machtlos gegen Falschmeldungen. Jeder Nutzer kann beliebige Angaben machen, die von niemandem auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft werden.

Trolle? „Suchen sich bald ein anderes Ziel“

Nina Los vom Peng-Kollektiv sieht das locker. „Die Karte dauerhaft mit falschen Infos zu fluten bringt ja niemandem etwas“, sagt sie WELT. Sicher gebe es einige Sabotageversuche. „Aber bald werden sich die Trolle eine andere Zielscheibe aussuchen.“ Auch das Argument, dass Straftäter sich die Karte zunutze machen könnten, um sich einer Verhaftung zu entziehen, beeindruckt sie nicht. „Ganz normale Kriminelle haben eigene Netzwerke – anders als Leute, die sich vor Polizeigewalt schützen wollen.“

Damit sind Menschen wie der Filmemacher Thabo Tindi gemeint. Auch er erklärt vor der Kamera auf der Website, warum er die Aktion unterstützt. Er habe einmal die Polizei gerufen, weil er angegriffen worden sei, sagt er. Doch statt Hilfe zu bekommen, sei er von den Polizisten attackiert und an einen verlassenen Ort gebracht worden. Dort sei er weggerannt. Oder eine junge Frau namens Joyce mit nigerianischem Hintergrund, die von rassistischen Polizeikontrollen berichtet. Dazu kommen Berichte eines linken Journalisten und eines Programmierers, der eine Hausdurchsuchung erlebt hat.

Überraschenderweise hat die „Cop-Map“ aber auch Fans unter denjenigen, die von ihr ins Visier genommen werden. Dazu gehört Peter Schall, Vorsitzender des bayrischen Landesverbandes der GdP. Anders als sein Kollege in Berlin nannte er die Aktion im Bayrischen Rundfunk „harmlos“ und ergänzte: „Uns ist es sogar teilweise recht, wenn da viel berichtet wird, dass der Bürger sieht: Die Polizei ist unterwegs, die Polizei ist aktiv. Auch dadurch findet möglicherweise eine gewisse Prävention statt.“

„Die Bayern verhalten sich absolut verfassungswidrig“ Das Video konnte nicht abgespielt werden.
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Die Verschärfung des bayerischen Polizeirechts sorgt für Diskussionen. Die Gewerkschaft der Polizei, die Opposition und ein früherer Innenminister kritisieren die Neuregelung scharf.

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