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Politik - 21.11.2018

Warum Millionen Araber Israels Facebook-Seiten lieben

Seit Jahrzehnten hält eine überwiegende Mehrheit der Bürger arabischer Staaten an ihrem Hass an Israel fest. Im digitalen Zeitalter will der jüdische Staat das nun mit neuen Mitteln ändern – und hat dabei überraschend viel Erfolg. 0

Die Posts klingen wie Nachrichten aus einer utopischen Parallelwelt. „Tel Aviv und Dubai sind die schönsten Städte der Welt, mit Partys, Discos, Konzerten, sauberen Straßen und schönen Stränden. Wie gern würde ich Euch besuchen!“, schreibt ein Ibrahim al-Harbi aus Saudi-Arabien.

Jussef Summer aus Agadir in Marokko preist Israel als „Land der Gerechtigkeit und Freiheit“. Tausende Araber fordern die Eröffnung israelischer Botschaften in Saudi-Arabien, im Irak oder in Marokko.

Doch es ist keine Traumwelt, sondern Realität. Hunderttausende Bürger arabischer Staaten besuchen täglich die arabischen Webseiten des israelischen Außenministeriums und bejubeln den sonst als Feind verteufelten Nachbarstaat. 

Mehr als 1,6 Millionen Follower machen sie zum erfolgreichsten offiziellen Internetauftritt des jüdischen Staats. Zum Vergleich: Das deutsche Auswärtige Amt hat auf Facebook gerade einmal 241.000 Abonnenten. Mit dieser „digitalen Diplomatie“ will Israel den antiisraelischen Konsens in der arabischen Welt aufbrechen – und hat dabei beachtliche Erfolge.

Dabei ist Israels Ausgangssituation denkbar schlecht. Nur zwei von insgesamt 22 arabischen Staaten haben einen Friedensvertrag mit Israel. Viele befinden sich noch im Kriegszustand mit dem jüdischen Staat oder erkennen sein Existenzrecht nicht an. Das schlägt sich in der öffentlichen Meinung nieder. 

In der angeblich „größten Meinungsumfrage in der arabischen Welt aller Zeiten“ quantifizierte das Arabische Zentrum für Forschung und Politikstudien in Katar im Juli den Israel-Hass. Demnach betrachten 91 Prozent der 18.830 Befragten aus elf arabischen Staaten Israel als „Bedrohung“. 87 Prozent sind gegen die Aufnahme diplomatischer Beziehungen, auch nach dem Abschluss eines Friedensabkommens mit den Palästinensern.

Dennoch: Von den rund 800 Webseiten und Twitter-Accounts, die Israels Außenministerium in 50 Sprachen betreibt, erfreuen sich die auf Arabisch der größten Popularität. Ihre Posts wurden dieses Jahr bereits 275 Millionen Mal angeklickt. Hinzu kommen arabische Kanäle auf YouTube und Instagram, mit Hunderttausenden Followern.

Damit hat Israel angeblich laut einer Studie der PR-Agentur Burson Cohn & Wolfe nach Großbritannien, Russland und den USA eines der am besten vernetzten Außenministerien der Welt. Doch warum ist diese Anhängerschaft ausgerechnet in der eigentlich feindseligen arabischen Welt so groß?

„Menschen in der arabischen Welt sind von Israel fasziniert“, sagt Jonathan Gonen. Der 32 Jahre alte Ex-Journalist leitet seit drei Jahren das Team von Mitarbeitern, das die arabischen Kanäle der Abteilung für digitale Diplomatie im Außenministerium betreibt. Viele dürften sich für Israel interessieren, weil es in der arabischen Welt jahrzehntelang als Sinnbild des „Bösen“ porträtiert wurde. Sie wollen wissen, was der Feind so treibt.

Doch die meisten Surfer seien 25 bis 34 Jahre alte Männer, die von anderen Fragen getrieben würden, sagt Gonen. Sie wollten verstehen, „wie es Israel gelungen ist, eine demokratische, wohlhabende, militärisch starke und wissenschaftlich führende Nation zu werden“.

Stereotype zerschlagen

Viele von ihnen stünden der arabischen Propaganda kritisch gegenüber. „Etwa ein Drittel reagiert positiv, manchmal gar begeistert auf unsere Posts“, so Gonen. „Auffallend ist, dass dabei die Zurückhaltung nachlässt. Früher nahm kaum jemand mit uns Kontakt auf. Jetzt gibt man sich zu erkennen, mit Vor- und Nachnamen, und steht offen zu Israel.“

Diese Faszination beruht bei Gonen auf Gegenseitigkeit: Er habe Araber „nie als Feinde betrachtet“. Doch als Jugendlicher kannte er sie wie die meisten Israelis nur aus den Nachrichten, wo sie hauptsächlich erwähnt werden, wenn es um Israels Sicherheitsprobleme geht.

Als er seinen Wehrdienst beim Militärgeheimdienst antrat, perfekt Arabisch lernte und als Übersetzer fungierte, bekam dieses Bild von der arabischen Welt plötzlich mehr Tiefe: „Ich lernte die Menschen hinter der Sprachbarriere kennen: ihre Gesellschaft, ihre Kultur, und das faszinierte mich“, sagt Gonen. Sein Posten im Außenministerium biete ihm nun die Gelegenheit, „direkt mit dieser Kultur auf Augenhöhe Kontakt aufzunehmen“.

Viele Araber stellen sich Israel als das Sparta des Nahen Ostens vor, eine Nation, in der alle ständig Waffen tragen, kampfbereit sind und Nicht-Juden hassen. Diese Stereotype will Gonen zerschlagen helfen.

Auf seinen Webseiten stehen neben den offiziellen Verlautbarungen viele „seichte“ Nachrichten, die den wahren Alltag Israels zeigen sollen: Videos über Tel Avivs Nachtleben oder Israels Gastronomie, die Rechte nicht jüdischer Minderheiten im Land oder die Geschichte eines muslimischen Arabers, der sich freiwillig zum Wehrdienst meldete.

Die größten Erfolge habe er indes mit Videos, in denen „sich Leute von der Straße direkt an die einfachen Menschen in der arabischen Welt wenden“, sagt Gonen. Wie ein kurzer Clip, in dem Israelis gefragt wurden, welches arabische Land sie am liebsten besuchen würden.

Es wurde innerhalb kurzer Zeit von vier Millionen Menschen in arabischen Ländern angeklickt. Das bislang erfolgreichste Video war ein Clip, in dem Israelis Muslime zum Ramadan beglückwünschten: „Er wurde von mindestens sechs Millionen Menschen gesehen, selbst arabische Medien berichteten darüber“, sagt Gonen.

Seine Webseite bietet aber auch wichtige Dienstleistungen. So kooperiert er mit einem israelischen Krankenhaus, dessen Ärzte Menschen im arabischen Raum kostenlos beraten. „Vor allem für Menschen in Krisengebieten, die keinen Zugang zu medizinischer Versorgung haben, sind wir oft die wichtigste Informationsquelle.“

Innerhalb weniger Tage beantworteten die israelischen Fachärzte Anfragen zu so komplexen Problemen wie dem Management von Diabetes und anderen Leiden – für immer mehr Araber ein lebensrettender Service.

Diese Entwicklungen bleiben Extremisten nicht verborgen. In vielen Ländern erließen muslimische Geistliche Fatwas, islamische Rechtsgutachten, gegen Israels Webseiten. Die Hamas verbot den Bewohnern des Gazastreifens, sie aufzurufen – mit der Begründung, der Mossad rekrutiere so Agenten. So bleibt der Konflikt auch auf den Webseiten stets präsent.

Rund die Hälfte der Surfer hasst Israel, droht mit Rache oder Genozid. Gonen lässt die meisten Posts dennoch stehen, aus zwei Gründen: „Wir sind eine Demokratie und müssen so etwas aushalten. Wir löschen Kommentare nur, wenn sie konkret zu Gewalt aufrufen“, sagt er. Außerdem sind ihm selbst diese Posts letztlich nützlich, quasi als Werbung: „Schließlich sehen dann alle Kontakte des Users, dass er uns gerade verfluchte, und werden so auf unseren Internetauftritt aufmerksam.“

Gonen erkennt deutliche Unterschiede zwischen arabischen Ländern. Ägypten, Jordanien und die Palästinensergebiete haben zwar Friedensverträge mit Israel, fallen aber vor allem durch negative Kommentare auf. Menschen aus dem Irak oder Marokko reagierten dagegen überwiegend freundlich: „Vielleicht, weil dort einst viele Juden lebten und sie sie mit einer heilen Vergangenheit assoziieren“, meint Gonen. Der Zuspruch aus dem Irak war so groß, dass das Außenministerium vor fünf Monaten eine Facebook-Seite speziell für den Irak einrichtete. Sie hat inzwischen 70.000 Follower.

Gonen hofft, dass er mit seiner Internetstrategie dazu beitragen kann, die echten diplomatischen Beziehungen zu verbessern. Vor wenigen Wochen zeigte sich, dass dieser Wunsch nicht ganz utopisch ist: Nach 20 Jahren war Premierminister Benjamin Netanjahu erstmals wieder im Oman zu Gast, und in den Vereinigten Arabischen Emiraten traten israelische Judoka zu einem Wettbewerb an und wurden herzlich empfangen. Strategische Interessen waren für diesen Wandel ausschlaggebend. Doch die digitale Diplomatie dürfte eine immer größere Rolle spielen.

Wo die Sonne Europa am nächsten ist Das Video konnte nicht abgespielt werden.
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Israel erscheint vielen als sicheres Reiseland, seitdem es in aller Welt zu Attentaten kommt. Und es bietet noch einen wichtigen Vorteil: Wenn in Europa der Winter kommt, ist die Sonne nirgends näher als hier.

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