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Sport - 22.06.2019

Andreas Neuendorf ist nicht „der kleine Kasper von früher“

Als Spieler hat „Zecke“ Neuendorf gern den Klassenclown gegeben. Als neuer Trainer der U 23 von Hertha BSC ist er sich seiner Verantwortung bewusst.

Der Mentor. Andreas Neuendorf ist bei Hertha BSC von der U 17 zur U 23 gewechselt.

Andreas „Zecke“ Neuendorf steht im Fünfmeterraum. Er schleudert seine Arme durch die Luft, hopst zwei Schritte nach links, macht einen Ausfallschritt nach rechts, springt vor, holt mit seinem starken linken Fuß aus und tritt einen nicht vorhandenen Ball aus der Luft ins Tor. Ein gutes Dutzend Augenpaare folgt seinen Bewegungen.

Sommerpause bei Hertha BSC. Ein kleiner Traktor tuckert über den Trainingsplatz der Profis und verbreitet den Duft von Pflanzengift. Für Neuendorf aber ist die Sommerpause schon vorbei, bevor sie überhaupt angefangen hat. Er übt auf dem Gebhardtplatz, hinter Hecken versteckt, mit Herthas U 23, seiner neuen Mannschaft, Ecken ein. Florian Krebs tritt an. Der Ball segelt gemächlich vors Tor, der Torhüter springt hoch und packt ohne größere Schwierigkeiten zu.

Neuendorf, 44 inzwischen, gestikuliert. Er zeigt, wie Krebs seinen Fuß halten muss, damit der Ball hoch in die Luft steigt und genau im richtigen Moment wieder vom Himmel plumpst. Er klatscht sich mit dem Handballen von oben in die flache Hand, um zu zeigen, wie man den richtigen Drall hinbekommt, und lässt sich von Krebs einen Ball zuspielen. Neuendorf geht einen Schritt zurück, holt aus und schießt. Der Ball steigt hoch – und fällt Krebs genau vor die Füße.

Hertha BSC versteht sich selbst als Ausbildungsverein – und das nicht nur für Spieler, sondern auch für Trainer. Vier Jahre hat Neuendorf, den alle nur Zecke nennen, als Jugendtrainer für Hertha BSC gearbeitet, zwei bei der U 15, zwei bei der U 17. Ende Mai ist er zur U 23 befördert worden, als Nachfolger von Ante Covic, der wiederum künftig die Bundesligamannschaft der Berliner trainieren wird. Von der Jugend zu den Männern. Für Neuendorf beginnt damit ein neuer Abschnitt seines Berufslebens.

Neuendorf bleibt in der Nachwuchsakademie

„Ich sehe die U 23 nicht als Männerbereich“, sagt Neuendorf. „Ein 18- oder 19-Jähriger ist auf dem Papier volljährig, ein Mann ist er noch lange nicht.“ Die U 23, die in der viertklassigen Regionalliga Nordost spielt, zählt bei Hertha auch organisatorisch noch zur Nachwuchsakademie, Neuendorfs unmittelbarer Vorgesetzter ist nicht Michael Preetz, der Manager und Geschäftsführer der Kommanditgesellschaft auf Aktien, sondern Benni Weber, der Leiter der Akademie.

Vor ein paar Wochen bekam Neuendorf einen Anruf von Weber: Ob er ein bisschen früher kommen könne, es gebe etwas zu besprechen. Der Leiter der Akademie erklärte Neuendorf, dass man ihm am ehesten den Trainerjob bei der U 23 zutraue. „Ich selber hätte mich nicht beschwert, wenn ich mit meinen Jungs noch ein bisschen hätte weiter machen können“, gesteht er. „Ich hätte mich sogar sehr gefreut.“ Eine Nacht schlief er über das Angebot, dann sagte er zu. „Es ist nicht so, dass ich mich genötigt fühle“, sagt er. „Die Jungs können sich darauf verlassen, dass ich 100 Prozent geben werde – weil ich anders gar nicht kann.“

Als Spieler war das nicht immer so. 200 Mal ist Neuendorf für Bayer Leverkusen und Hertha BSC in der Bundesliga aufgelaufen, und trotzdem steht er im Verdacht, nicht alles aus seinem Talent rausgeholt zu haben. Irgendwann zu Beginn des Jahrtausends, als dem Mittelfeldspieler im Trainingslager in Österreich mal ein besonderes Kunststück gelungen war, drehte sich Innenverteidiger Dick van Burik zu den Journalisten am Spielfeldrand und sagte: „Der ist nicht schlechter als Michael Ballack.“

Job als Fußballprofi ohne größtmöglichen Ernst

Neuendorf bestreitet das: „Ich war nie der grandiose Spieler. Ich war ein ordentlicher Mitspieler.“ Was er nicht bestreitet, ist, dass er den Job als Fußballprofi nicht immer mit dem größtmöglichen Ernst angegangen ist: „Ich habe das Fußballerleben eher als Event gesehen und war nie so professionell wie die Jungs heute.“ Wenn er nach einer Verletzung in die Reha musste, hat er sich im Rehazentrum ins Café gesetzt, Baguette gegessen und Zeitung gelesen. Er war der Ansicht, sein Körper werde schon selbst entscheiden, wann er wieder richtig fit sei.

Als Spieler war Zecke der Klassenclown. Legendär ist die Geschichte, wie er Malik Fathi und Sofian Chahed mal einen ordentlichen Anschiss von Trainer Hans Meyer eingebrockt hat. Die beiden waren frisch aus der U 23 zu den Profis gestoßen und hatten im Abstiegskampf ihre ersten Bundesligaspiele bestritten. „Ey“, sagte Neuendorf zu ihnen. „jetzt seid ihr so junge Superstars, jetzt müsst ihr auch aussehen wie Superstars.“ Am nächsten Tag erschien Fathi mit Dreadlocks zum Training, Chahed mit einem Irokesenschnitt. „Was stimmt mit euch beiden nicht?“, fragte Meyer. Neuendorf beichtete seinem Trainer, dass er für die Typveränderung seiner Kollegen verantwortlich gewesen sei, „aber ich wusste ja auch nicht, dass die beiden wie die Backstreet Boys aussehen wollen“.

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