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Sport - 13.01.2019

Andrew Luck und das Comeback des Jahres

Fast zwei Jahre fehlte Andrew Luck wegen einer Schulterverletzung. Nun ist der 29-Jährige zurück und in herausragender Form.

Zurück im Geschäft. Andrew Luck spielt nach auskurierter Schulterverletzung so stark wie nie zuvor.

Football-Umfragen stehen in den USA hoch im Kurs. Es ist im Grunde wie mit der Fußball-Nationalmannschaft in Deutschland: Wenn gerade ein großes Turnier läuft, hat fast jeder eine Meinung und will seinen Senf dazugeben. Neulich haben die einschlägigen Fernsehexperten darüber diskutiert, welcher Quarterback aus der National Football League (NFL) bislang die beeindruckendste Saison spielt. Selbstredend fiel der Name Drew Brees von den New Orleans Saints, der ein paar irre Statistiken hingelegt hat, 28 Touchdown-Pässe bei lediglich zwei Interceptions etwa. Ebenfalls in der Verlosung: Rookie-Sensation Patrick Mahomes von den Kansas City Chiefs und Jared Goff von den Los Angeles Rams. Schließlich sprachen die TV-Fachleute noch über einen Spieler, den man beim ersten Blick nicht unbedingt auf dem Schirm hat, der sozusagen unter dem Radar fliegt: Andrew Luck von den Indianapolis Colts, dem ehemaligen Club des Berliners Björn Werner.

Lucks Team steht aktuell bei sechs Siegen und fünf Niederlagen, die Colts sind also solider Durchschnitt – und kein Titelanwärter wie New Orleans, Kansas City oder LA. Trotzdem ist die Leistung des 29-Jährigen, der in seiner Jugend ein paar Jahre in Frankfurt/Main verbracht hat und ein paar solide Brocken Deutsch spricht, nicht geringer einzuschätzen – im Gegenteil. Vor der Saison galten die Colts als eines der schwächsten Teams der NFL, die meisten Experten trauten ihnen einen, wenn es richtig gut läuft vielleicht sogar zwei Siege zu.

Die Colts galten als eines der schwächsten NFL-Teams

Dass sie nun selbst im Dezember noch realistische Chancen auf den Play-off-Einzug haben, liegt vor allem an: Andrew Luck. Zuletzt führte der Quarterback seine Mannschaft zu fünf Siegen in Serie. Die Auszeichnung als „Comeback Player of the Year“ dürfte dem 1,93-Meter-Mann nicht mehr zu nehmen sein. „Er bringt Woche für Woche Topleistungen und hat ein extrem hohes, beständiges Niveau“, sagt Colts-Cheftrainer Frank Reich, „in meinen Augen verdient er sogar die Auszeichnung als wertvollster Spieler der Liga.“

Hinter Andrew Luck liegt nämlich eine schwere, entbehrungsreiche und von Verletzungen geplagte Zeit, die bereits Zweifel an seiner Rückkehr aufkommen ließ. Bis zum Saisonstart 2018/19 hatte er 617 Tage lang kein Pflichtspiel bestritten. Eine Verletzung an der Wurfschulter bereitete ihm Sorgen und Probleme. Einer ersten Operation folgte der Versuch einer Rückkehr, aber eigentlich war alles noch viel schlimmer als vorher. Also mussten die Ärzte im Januar 2017 erneut Hand anlegen und die bei der ersten OP begangenen Fehler korrigieren. Mittlerweile spielt Luck den besten Football seiner Karriere, in die er bereits mit extrem hohen Erwartungen gestartet ist.

2012 entschieden sich die Colts bei der alljährlichen Talentwahl (Draft) an erster Stelle für Andrew Luck. Der damals 22-Jährige, vormals für die Stanford University aktiv, sollte perspektivisch das Erbe eines bereits zu Lebzeiten legendären Quarterbacks antreten, der fast alle bedeutenden Rekorde auf seiner Position hält: Peyton Manning. Als Manning langsam in die Jahre kam und mit einer Nackenverletzung zu kämpfen hatte, schickten die Colts ihren Superstar ohne großes Zögern zu den Denver Broncos, mit denen Manning dann auch noch einen Super Bowl gewann.

Luck beerbte 2012 den großen Peyton Manning

Zu Beginn seiner Karriere, so schien es, konnte Luck die in ihn gesetzten Hoffnungen auch noch erfüllen. Im Januar 2015 führte er Indianapolis bis ins Play-off-Halbfinale, nur ein Sieg fehlte zur Super-Bowl-Teilnahme. Doch daraus wurde nichts: die Colts unterlagen den New England Patriots 7:45. Später ging das Match als Skandalspiel unter dem Begriff „Deflategate“ in die Geschichte ein: Mitglieder aus dem Patriots-Stab hatten Bälle manipuliert und Luft aus den Spielgeräten gelassen. Bis heute ist der Halbfinal-Einzug mit all seinen skandalösen Nebenschauplätzen Lucks größter Erfolg.

Nach der bitteren Niederlage in Boston zerfiel das Team der Colts allerdings. Trainer Chuck Pagano musste gehen, ein paar arrivierte Spieler ebenso. Was blieb, war viel Mittelmaß – gepaart mit großem Verletzungspech. An Lucks Schulterverletzung jedenfalls waren die Verantwortlichen in Indianapolis allerdings nicht ganz unschuldig: die Offensive Line der Colts war löchrig wie ein Schweizer Käse. In der sogenannten O-Line spielen die ganz schweren, mitunter dicken Jungs, die als Leibwächter des Quarterbacks fungieren, vergleichbar mit Bauern und König in einem Schachspiel. Lange Zeit allerdings hatte Luck keine guten Vorderleute: In der Saison vor seiner Verletzung kassierte er in 15 Spielen 41 Sacks. Luck wurde also 41 Mal von den gegnerischen Verteidigern über den Haufen gerannt und kassierte extrem harte Treffer.

Mittlerweile haben die Colts ihre Vorgehensweise modifiziert und die O-Line massiv verstärkt. Manager Chris Ballard verpflichtete Center Ryan Kelly und die Guards Quenton Nelson und Braden Smith. Seither hat Luck in fast jedem Spielzug ein paar Sekunden mehr Zeit, freie Mitspieler zu finden und ihnen den Ball zu servieren. Seine O-Line verschafft ihm diese Zeit. „Das sind richtig gute Jungs“, sagt Luck, „sie halten mir den Rücken frei

Vielleicht sollte es Andrew Luck in Zukunft so halten wie Peyton Manning zu seiner Zeit bei den Indianapolis Colts. Manning lud die O-Line damals regelmäßig zum Essen ins beste Steakhaus der Stadt ein, um seinen Leibwächtern für ihren Einsatz zu danken. Die Rechnung ging selbstverständlich stets auf den Quarterback.

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