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Sport - 08.01.2019

Berufung ausgeschlossen: Der verurteilte Franck Ribéry

Franck Ribéry ist in der französischen Öffentlichkeit oft der Sündenbock, nicht erst seit dem neuerlichen Steak-Skandal – eine Betrachtung aus Paris.

Vor allem Münchens Liebling. Während Franck Ribéry beim FC Bayern die große Zuneigung der Fans erfährt (wie bei der Meisterfeier…

Während Frankreich von einer großen sozialen Krise erschüttert wird, wird den Gelbwesten die Show gestohlen – von einem Stück Fleisch in ähnlicher Farbe. Handelte es sich um ein goldverziertes Rindersteak oder um ein Entrecôte? Ich habe keine Ahnung. Denn bevor die ganze Diskussion losging, habe ich mich für das – sicherlich exzentrische – Menü von Franck Ribéry nicht interessiert. Der reißerische Tweet, mit dem die Journalistin Audrey Pulvar dann Ribérys Essensverhalten kritisierte und die ganze Debatte auslöste, ist das x-te Beispiel für einen opportunistischen Umgang mit Meinungsäußerungen aller Art, der in meinem Land zu einer Art Volkssport geworden ist.

Ohne Pulvars Tweet wäre die Episode um das Steak einfach nur eine von vielen Geschichten um einen Fußballprofi geblieben, der sich oftmals ungeschickt verhält. Diese Geschichte Ribérys kommt seinen Pennälerscherzen näher als seinen Verfehlungen, die von der Justiz geahndet wurden. Man muss seine heftige Reaktion verstehen: Ribéry fühlte sich von Frankreich angegriffen. Ein weiteres Mal. Ein Mal zu viel. Leider hat er mit einer Unflätigkeit geantwortet, die selbst den Rahmen der sozialen Medien sprengt, wo sich zahlreiche Nutzer oft selbst vergessen.

Nach seiner beleidigenden und unverhältnismäßigen Antwort mussten die Verantwortlichen des FC Bayern ihn bestrafen. Angesichts der Aufmerksamkeit, die seine drei Tweets erhalten hatten, blieb ihnen keine andere Wahl. Ich wundere mich übrigens, dass ein derart prominenter Sportler mit all seinen Beratern sich nicht hat überzeugen lassen, seine Äußerungen zu entschärfen. Ohne die Obszönitäten wäre seine Botschaft viel besser angekommen.

Ribéry gibt in Frankreich keine Interviews mehr

Aber in Frankreich muss Ribéry oft als Sündenbock herhalten. Seit Jahren hat er keinem Medium aus seinem Heimatland mehr ein Interview gegeben. Es ist leicht, jemanden anzugreifen, dessen Antwort meistens in einem Schweigen besteht. Es ist schade, aber es ist seine Wahl. Ich traf ihn ein einziges Mal in München im Jahr 2009. Damals hatte ich den Eindruck, als habe er etwas zu sagen, das über seine sehr unperfekte Ausdrucksweise hinausgeht.

Offenbar kann sich Ribéry auf Deutsch ganz gut äußern. In Deutschland sind daher seine ungeschickten Äußerungen unbekannt, die in Frankreich berühmt geworden sind. Bei uns macht man Witze darüber, die immer wieder angeklickt werden. Ribéry ist nicht blind, diese Späße haben ihn mit Sicherheit verletzt. Als ich Bayerns Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge vor einigen Jahren dazu befragte, sagte er mir, dass Ribéry das Vertrauen verloren habe und befürchte, missverstanden zu werden, wenn er das Wort ergreife. Franck und Frankreich, das sei ein riesiges Missverständnis, meinte Rummenigge weiter. Nach seinen Worten ist Ribéry ein sensibler Mensch, der gestreichelt werden müsse. Bei den Bayern sei Ribéry das Gefühl gegeben worden, zu einer großen Familie zu gehören.

Die Bayern sind seine Adoptivfamilie, die ihn auch nicht rausgeworfen hat, als er vor Gericht landete – wegen des Vorwurfs, Sex mit einer minderjährigen Prostituierten gehabt zu haben. Der berühmt-berüchtigte Fall Zahia. Von den Medien extrem ausgeschlachtet. Über Ribérys Freispruch 2011, zwei Jahre danach, wurde deutlich weniger berichtet. Und es ist sicherlich eine der Ungerechtigkeiten, die seinen Groll angeheizt haben. Er ist eine der Personen, denen sich die Medien vor allem widmen, wenn er Schlagzeilen produziert. Aber über die nicht mehr als zwei Zeilen berichtet werden, wenn die Schlagzeilen entkräftet werden. Was in diesem Fall nichts an dem bitteren Hintergrund des Falls ändert, denn Ribéry hatte den Sex mit der damals minderjährigen Zahia zugegeben. Allerdings beteuerte er, nicht gewusst zu haben, dass sie minderjährig war.

Die Bestie wird verspottet und abgelehnt

Wenn Frankreich eine große Familie wäre, wäre Ribéry ihr Quasimodo. Die Bestie wird verspottet und abgelehnt. Weil er entstellt ist? Reich? Muslim? Sicherlich kommt Ribéry aus einer Umgebung, von der er möglicherweise nicht die Codes erhalten hat, um gut verstanden zu werden. Es sollte kein Makel sein. Er tut niemandem weh, auch wenn er keinen guten Geschmack hat. Natürlich war Ribérys Steak übertrieben, aber es bleibt seine Privatsache. Leider entlarvt er sich in den sozialen Netzwerken und öffnet damit den strengsten Richtern, die anonym am Computer sitzen, eine Flanke. Vor zwanzig Jahren hätten seine Mätzchen sicherlich nicht das gleiche Echo ausgelöst.

Ribéry ist verpönt, weil er den Rahmen verlässt. Obwohl ich für einige seiner Einstellungen kein Verständnis habe, scheint mir das weniger über Franck Ribéry als über unser Land auszusagen.

Es gab eine Zeit, in der ihm die französische Öffentlichkeit zu Füßen lag. Seine elektrisierenden Leistungen im Trikot der Nationalmannschaft während der WM 2006 machten ihn überaus beliebt. Doch als er sich vier Jahre später bei der WM in Südafrika nach Querelen um Nationaltrainer Raymond Domenech mit seinen Teamkollegen weigerte, ein Training zu bestreiten, verurteilte ihn Frankreich ohne Berufung. Natürlich ist auch er für den Eklat mitverantwortlich. Andere wurden jedoch freigesprochen. Wenn es keine Antwort auf die Frage nach dem „Warum?“ gibt, dann ist das der Beweis, dass Franck Ribéry ein Sündenbock ist.

Mickael Caron ist Reporter des „Journal du Dimanche“. Der Text wurde aus dem Französischen übersetzt von Albrecht Meier und Johannes Nedo.

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