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Sport - 17.06.2019

Die Nationalmannschaft hat wieder Spaß

Ein Jahr nach dem WM-Debakel macht die Nationalmannschaft wieder Spaß. Es scheint, als hätte sie den Geist des Confed-Cups 2017 wiederentdeckt.

Im Jubel vereint. Die Nationalspieler feiern den deutlichen Sieg gegen Estland – und einen neuen Geist im Team.

So schmerzhaft die Verletzung auch gewesen sein mag: Vielleicht war es ganz gut, dass Joachim Löw bei den beiden jüngsten Länderspielen gesundheitlich verhindert war. Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft hätte die beiden EM-Qualifikationsspiele gegen Weißrussland und Estland vermutlich auch mit dem Bundestrainer an der Seitenlinie gewonnen, und sein Vertreter Marcus Sorg ist in den vergangenen zehn Tagen nicht unbedingt als begnadeter Entertainer aufgefallen, der das Volk mit Charme und Esprit verzückt hat. Aber Sorg wird eben nicht ganz so sehr mit den Verwerfungen der Vergangenheit in Verbindung gebracht wie Löw.

An diesem Mittwoch vor genau einem Jahr ist die deutsche Nationalmannschaft als Titelverteidiger zur Weltmeisterschaft nach Russland aufgebrochen; nicht mal drei Wochen später war sie schon wieder zurück in der Heimat, nach einem für den deutschen Fußball beispiellosen Debakel. Vielleicht wäre Löw in den Tagen rund um die Länderspiele in Borissow und Mainz mit dieser Vergangenheit konfrontiert worden, und vermutlich hätte er auch noch einmal zu Müllerhummelsboateng Stellung nehmen müssen. Ohne ihn aber war erstaunlich wenig von der Vergangenheit die Rede, dafür auffallend oft von der wieder deutlich rosigeren Zukunft.

Der neue Optimismus liegt weniger an den Siegen gegen Weißrussland (2:0) und Estland (8:0), „die beiden Gegner waren jetzt nicht der Gradmesser“, gab Marco Reus zu. Er liegt eher am Auftreten des Teams, das sich der Last der Vergangenheit jetzt offenbar endgültig entledigt hat. „Es ist eine Menge passiert. Wir haben unsere Lehren gezogen“, sagte Reus.

In den vergangenen Tagen war im Zusammenhang mit der Nationalmannschaft so oft vom Umbruch die Rede, dass man dahinter fast schon eine neue Marketingkampagne von Manager Oliver Bierhoff (#MBRCH) vermuten konnte. „Wir haben ein neues Kapitel aufgeschlagen“, hat Bundestrainer Löw gesagt, bevor er sich krankschreiben lassen musste, „unsere Mannschaft durchläuft einen spannenden Prozess.“ Im Unterschied zu früheren Marketingaktionen der Nationalmannschaft passt die Botschaft diesmal aber sogar zum Inhalt. Es scheint fast, als hätte Löw den Geist des Confed-Cups 2017 wiederentdeckt: Die alte Trägheit ist verflogen, das zur Routine Erstarrte. Das Team präsentiert sich offen und freundlich, seriös und trotzdem verspielt. „Die Mannschaft sprüht vor Energie“, sagte Sorg. „Sie ist gewillt, mit Leidenschaft zu spielen und mit Begeisterung.“

Unterfüttert wird der Prozess durch eine schlüssige Personalauswahl. Marco Reus war bei den beiden jüngsten Länderspielen der einzige Feldspieler im Kader, der bereits seinen 30. Geburtstag gefeiert hat. Serge Gnabry, 23, kam sich in den vergangenen Tagen vor, „als wären wir in der U 21 hier“. Sieben Spieler aus dem Kader der A-Nationalmannschaft dürften noch bei der EM der U 21 auflaufen, die am Wochenende beginnt. Wobei jugendliche Frische nicht zwingend eine Frage des Alters sein muss. Der Dortmunder Reus, der bisher wegen vieler Verletzungen keine tragende Rolle in der Nationalmannschaft spielen konnte, wird als weniger etabliert wahrgenommen als zum Beispiel der fünf Jahre jüngere Julian Draxler. Auch Ilkay Gündogan, 28, gilt der Öffentlichkeit noch als eher unverbraucht.

Die Perspektive ist wieder positiv

Nach dem allgemeinen Wehklagen im vergangenen Sommer wird die Perspektive der Mannschaft inzwischen wieder deutlich positiver gesehen. „Die Mannschaft zeigt, dass etwas entsteht“, sagt Ersatz-Bundestrainer Sorg. „Wir sind mittlerweile sehr breit aufgestellt.“ Man muss sich nur anschauen, wer bei den jüngsten beiden Länderspielen nicht oder nur sporadisch zum Einsatz gekommen ist: Julian Brandt und Kai Havertz, die in der abgelaufenen Saison zu den stärksten Spielern in der Bundesliga gehörten. Der Stürmer Timo Werner und Toni Kroos, der neben den beiden Torhütern Manuel Neuer und Marc-André ter Stegen als einziger deutscher Fußballer von Weltklasseformat gilt.

Estland ist natürlich kein Maßstab, und Marcus Sorg erwartet für die Zukunft auch „den einen oder anderen Hänger“, aber: „Das Wichtigste hat man gesehen: Die Mannschaft hält unfassbar zusammen, sie versucht, offensiv begeisternd zu spielen, ist gewillt, bis zum Schluss immer Vollgas zu geben, und kann mittlerweile auch Widerstände überwinden“, sagt der Vertreter von Joachim Löw. „Das lässt darauf schließen, dass wir wirklich wieder ganz nach vorne kommen können.“

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