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Sport - 22.03.2019

„Er hat zu wenig Ausstrahlung“

Jonathan Klinsmann will bei Hertha BSC irgendwann die Nummer eins werden. Im Moment aber gibt es Zweifel an seiner Bundesligatauglichkeit.

Stiller Beobachter? Jonathan Klinsmann muss mehr aus sich herausgehen.

Jonathan Klinsmann hat Ende des Jahres ein schönes Video aus seiner Heimat geschickt bekommen. Es hat Menschen gezeigt mit einer exzessiven Körpersprache, Menschen, die aus sich herausgehen, ja regelrecht ausflippen. Bei diesen Menschen handelte sich um seine Verwandten in den USA, die vor dem Fernseher saßen und sich das Europa-League-Spiel von Hertha BSC gegen Östersund anschauten. Es war der erste – und bis heute einzige – Einsatz von Jonathan Klinsmann für die Profis des Berliner Fußball-Bundesligisten. Der 20-Jährige bekam nach dem Spiel gute Kritiken, nicht zuletzt weil er kurz vor Schluss einen Elfmeter pariert hatte. Drüben in Amerika tobte die Familie, vor allem seine Mutter. „Das war lustig“, sagt Jonathan Klinsmann.

Als er sich das Video anschaute, kam ihm der Verdacht, dass die Verwandtschaft bei seinem Profidebüt nervöser war als er selbst. Klinsmann glaubt, dass das mit seiner kalifornischen Prägung zusammenhängen könnte. Im Grunde ist das für einen Torwart nicht das Schlechteste: dass er in sich ruht und sich von äußeren Einflüssen nicht beeindrucken lässt. Für den Geschmack seines direkten Vorgesetzten aber ist Klinsmann ein wenig zu entspannt und introvertiert. „Die letzten zwei, drei Monate sind nicht so gut gelaufen“, sagt Zsolt Petry, Herthas Torwarttrainer. „Er ist ein bisschen zu amerikanisch.“

Laut dem Ungarn Petry fehlen dem gebürtigen Münchner Klinsmann die deutschen Tugenden, die totale Fokussierung, kurz die Persönlichkeit. „Ohne diese Tugenden kommst du als Profi nicht durch“, sagt Petry, „dann wirst du in der Bundesliga einfach untergebuttert.“

Im Sommer könnten Körber und Gersbeck zurückkehren

Seit dem Sommer steht der Sohn des früheren Bundestrainers Jürgen Klinsmann bei Hertha unter Vertrag. Er ist die Nummer drei hinter Rune Jarstein und Thomas Kraft und kommt in der Regel für die U 23 in der Regionalliga zum Einsatz. Die Grundtechniken eines Torhüters habe Klinsmann drauf, sagt Petry, athletisch habe er sich gut entwickelt, auch gute Spiele gemacht. „Das Können hat er. Aber er ist einen Tick zu naiv, einen Tick zu blauäugig.“ Vielleicht auch zu brav für die Bundesliga? Ja, antwortet Herthas Torwarttrainer, vielleicht auch das. „Er hat wenig Kontakt zu seinen Mitspielern, hat zu wenig Ausstrahlung, zu wenig Überzeugung“, klagt Petry. „Ihm fehlt, mit einem Wort, die Körpersprache.“

Klinsmann sagt, sein kurzfristiges Ziel sei es, von Jarstein und Kraft („zwei großartige Torhüter“) zu lernen. Langfristig will er Herthas Nummer eins werden. Das klingt – gerade nach Petrys Zwischenzeugnis – sehr ambitioniert, zumal nicht einmal klar ist, welche Rolle ihm in der nächsten Saison, im letzten seiner beiden Vertragsjahre, zugedacht ist. Vielleicht muss er dann zusätzlich mit Nils Körber und Marius Gersbeck konkurrieren, die noch bis zum Sommer an die Drittligisten Münster und Osnabrück ausgeliehen sind.

Klinsmann weiß, was von ihm erwartet wird. Er weiß, dass er an seiner Persönlichkeit arbeiten muss. Er weiß, dass auch die Sprache eine Rolle spielt. Anfangs hat er im Kopf vom Englischen ins Deutsche übersetzt – und festgestellt, dass es so im Alltag nicht funktioniert. „Im Training hörst du ihn nicht“, sagt Petry. Klinsmann hat regelmäßig Deutschunterricht, zudem versucht er sich die Fußballvokabeln einzuprägen, die er im Spiel braucht.

Am Dienstag im Training hat Jonathan Klinsmann einen vergleichsweise harmlosen Ball unter seinem Körper durchrutschen lassen. Er haut mit den Fäusten auf den Rasen, steht auf, hebt die rechte Hand und ruft: „Sorry, boys!“ Vielleicht ist das ein Anfang.

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