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Sport - 17.02.2019

Felix Neureuther: Die Verwandlung des Wracks

Felix Neureuther startet heute bei der WM in Are wohl in das letzte große Skirennen seiner Karriere.

Felix Neureuther wurde in seiner Karriere immer wieder von schweren Verletzungen gestoppt.

Vielleicht müsste man nur tief genug graben im Schnee von Are und würde dann tatsächlich etwas finden. Bohrungen aller Art sind selbstverständlich verboten auf der Slalomstrecke im schwedischen WM-Ort, auch wenn Felix Neureuther dort vor einigen Jahren etwas verloren hat. Es war bei der WM 2007, auf Rang zwei lag der Skifahrer nach dem ersten Durchgang. Zweiter Durchgang: Zwischenbestzeit, doch dann fädelte er ein, die Medaille war futsch. Oder wie Neureuther heute mit einem Lachen sagen kann: „Die Medaille müsste noch irgendwo liegen, im Schnee an einem Tor.“

Es ist wieder Weltmeisterschaft, wieder in Are und wenn Neureuther am Sonntag im Slalom antritt, ist das ein besonderes Rennen. Weil es dann womöglich der letzte WM-Start des 34-Jährigen sein wird, der Abschied des immer noch bekanntesten deutschen Skifahrers von der ganz großen Bühne. Zielvorgabe: „Den jungen, alten Neureuther auspacken.“ Also einen maladen Körper nochmal dahin bringen, dass er gegen die Besten der Welt bestehen kann. Es gibt leichtere Aufgaben.

Offiziell hat Neureuther seinen Abschied noch nicht verkündet, aber es mehren sich die Anzeichen, dass nun doch bald Schluss sein könnte mit dem Skizirkus. Ende Januar beim Nachtslalom in Schladming, wo ihn das Publikum feierte wie sonst nur Österreicher, wirkte Neureuther ergriffen. Platz acht kam am Ende heraus, doch im Zieleinlauf verbeugte er sich vor dem Publikum, klopfte sich aufs Herz, schnaufte durch, genoss noch einmal ausgiebig die Zuneigung der Zuschauer. Wie einer, der das zum letzten Mal in sich aufsaugen wollte, um es für die Zeit nach dem Leben als Profisportler irgendwo im Herzen griffbereit zu haben. „Ich werde bald eine Entscheidung bekannt geben“, sagte Neureuther danach. Jetzt sind erstmal alle Gedanken auf die WM gerichtet, er braucht seine Energie, weil der Körper längst nicht mehr alles mitmacht, was der Kopf sich vorstellt.

Ein Rückschlag nach dem anderen

Ein Kreuzbandriss hatte Neureuther die Olympischen Spiele in Pyeongchang gekostet, schon das war ein schwerer Rückschlag für den begabten Techniker. Doch die Jagd nach den perfekten Schwüngen auf dem Schnee sollte noch nicht vorbei sein. „Jede Verletzung, jedes Rennen, das nicht gut gelaufen ist – das sind alles Herausforderungen, die auf dich warten“, sagte Neureuther nun der „Neuen Zürcher Zeitung“, „und ich liebe Herausforderungen“. Davon hat er in seiner Karriere nicht gerade wenige gehabt: Mehrfache Operationen an Knien und Schulter, Bandscheibenvorfälle, Knochenbrüche, Gehirnerschütterungen – die Krankenakte ist bei ihm so dick wie ein Telefonbuch. Und auch nach Olympia wurde sie um ein paar Seiten voller.

Vermutlich passt es, dass ausgerechnet bei Neureuther dann auch so etwas hinzukommt: Ausfall durch Nussallergie. Im Sommer fühlte er sich schlapp, konnte kaum richtig trainieren, bis sich herausstellte, dass er auf das Naschen von Nussschokolade lieber verzichten sollte. Den Saisonstart verpasste er wegen eines gebrochenen Daumens, bei einem Sturz im Dezember erlitt er ein Schleudertrauma und auch der Rücken machte ihm aufgrund der Bandscheibenvorfälle immer wieder Probleme. Erkältet war er zwischendurch auch noch. Doch all das belaste ihn gerade nicht mehr so akut, sagte Neureuther in Are: „Ich fühle mich endlich wieder als Athlet, nicht mehr als fahrendes Wrack.“

Und doch sind die Rückstände durch die verpassten Einheiten auf dem Schnee nicht wegzudiskutieren: Das eine ist die Tüftelei mit dem eigenen Körper, das andere die mit dem Material. Und da ist die weniger gebeutelte Konkurrenz besser vorbereitet, Neureuther will auf Altbewährtes aus den vergangenen Jahren vertrauen. Drei achte Plätze hat er in diesem Winter erst vorzuweisen, während der Österreicher Marcel Hirscher mal wieder über allem thront. Doch Neureuther, der seit 2013 einmal WM-Silber und zweimal Bronze im Slalom gewonnen hat, findet: „Die Uhren stehen wieder bei null.“ In Are ist seine ganze Familie dabei, nicht nur die Eltern, auch Frau Miriam mit der 16 Monate alten Tochter, mehr Unterstützung geht nicht.

Mit einem Lächeln an den Start gehen, das hat sich Neureuther nun vorgenommen, „und dann zweimal gnadenlos einen runtertreten“. Alles abschütteln, was war, auch die Begegnung mit dem Schnee am Donnerstag im Training, als er stürzte – mal wieder.

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