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Sport - 19.02.2019

„Fußballerisch müssen wir uns nicht verstecken“

Michael Hartmann, der U-19-Trainer von Hertha BSC, über den deutschen Fußball-Nachwuchs, die Bolzplatzmentalität und die Youth League gegen Paris St. Germain.

Michael Hartmann, 44, spielte für Hertha und Hansa Rostock. 2018 führte er als Trainer Herthas A-Junioren zur Meisterschaft. In…

An diesem Dienstag spielt die U 19 von Hertha BSC in der Youth League gegen Paris St. Germain. Anstoß ist um 16 Uhr im Amateurstadion auf dem Olympiagelände. Trainiert wird Herthas Team vom früheren Profi Michael Hartmann, 44. Er hat mit der Mannschaft im Mai die deutsche A-Jugend-Meisterschaft gewonnen.

Herr Hartmann, was macht in Ihren Augen einen guten Nachwuchstrainer aus?

Das hängt von vielen Faktoren ab. Weil du jedes Jahr quasi eine neue Mannschaft hast, musst du dich immer wieder neuen Herausforderungen stellen und auf die unterschiedlichen Charaktere eingehen. Du musst an den Stärken der Spieler arbeiten, aber vor allem ihre Schwächen erkennen und da den Hebel ansetzen. Das können nicht fünf oder sechs Dinge sein, sondern höchstens ein oder zwei.

Macht einen guten Nachwuchstrainer auch aus, dass er nicht so schnell wie möglich eine Profi-Mannschaft trainieren will?

Es gibt leider Trainer, die den Nachwuchs nur als Zwischenstation sehen und jede Gelegenheit nutzen, um nach oben zu kommen. Für mich ist das nicht die Idealvorstellung. Im Nachwuchs brauchst du Kontinuität. Dennoch kann es ja das Ziel sein, dann irgendwann auch eine Profimannschaft zu trainieren.

Ein guter Nachwuchstrainer sagt also: Ich bringe die Jungs voran – nicht mich selbst?

Richtig. Du musst langfristig denken. Wenn du sagst, ich will unbedingt zu den Männern, wirst du nur noch mannschaftsorientiert denken, und nicht daran, wie sich der Einzelne verbessern kann.

Worüber haben Sie sich mehr gefreut: über den Gewinn der A-Jugend-Meisterschaft im vergangenen Mai oder das Bundesligadebüt Ihres U-19-Spielers Dennis Jastrzembski?

Über beides gleich. Wenn ich auf den sportlichen Erfolg nicht stolz wäre, wäre ich fehl am Platz. Aber wenn es Spieler, die ich zwei oder drei Jahre betreut habe, zu den Profis schaffen, muss ich ihnen ja irgendwas mitgegeben haben.

Wollen Sie dauerhaft im Nachwuchs bleiben?

Momentan ist das geplant, ja.

Was ist da anders als bei den Männern?

Der größte Unterschied ist die mediale Begleitung. Wenn es mal schlecht läuft, muss man sich nicht ständig rechtfertigen. Dadurch kannst du dich viel mehr auf die Spieler konzentrieren. Aber mittlerweile wird auch im Nachwuchs viel auf Ergebnisse geschaut.

Ist das ein Problem im deutschen Fußball?

Ich glaube, das Problem liegt eher in der Trainerausbildung. Viele machen mit Mitte 20 ihre Lizenzen. Die sind dann in der Theorie sehr gut, haben aber kaum praktische Erfahrung. Das ist nicht der richtige Weg. Wichtig wäre es, mehr Wert auf die individuelle Ausbildung der Spieler zu legen und nicht nur auf das System der Mannschaft. Wenn ein Spieler ständig gesagt bekommt: Spiel den Ball von A nach B, dann macht er das. Aber das bringt ihn individuell nicht weiter. Er muss selbst Lösungen erkennen und umsetzen. Das Individuelle wird in Deutschland aus meiner Sicht vernachlässigt.

Inwiefern haben Ihnen Ihre Erfahrungen als Spieler geholfen?

Mir hat als Spieler immer die individuelle Betreuung gefehlt. Du warst mehr oder weniger auf dich selbst angewiesen. Das habe ich mit in den Nachwuchs genommen. Ich stehe grundsätzlich für zusätzliche Einheiten bereit. Ich gehe auch ganz alleine mit jemandem auf den Platz, aber er muss auch Bock darauf haben.

Wie unterscheidet sich Ihre Arbeit bei Hertha von der bei Hansa Rostock, wo Sie ebenfalls U-19-Meister geworden sind?

In Rostock gab es nicht diese Fülle an Qualität wie hier. Und der Charakter der Jungs war ganz anders. Ich habe damals ganz bewusst Kevin Pannewitz aus Berlin geholt, weil du einfach einen Typen in der Mannschaft brauchtest. Die anderen Spieler waren alle ein bisschen zurückhaltend und sehr ruhig. Wir hatten drei dabei, die haben ihr Abitur mit 1,0 gemacht haben. Außerdem hatte ich in Rostock nur 18 Spieler. Hier sind es 28.

Dass ein Trainer unter beiden Bedingungen erfolgreich ist, spricht ja auch ein bisschen für ihn, oder?

(Lacht) Als wir mit Rostock Meister geworden sind, war ich seit gerade zwei Jahren Trainer. Wir haben auch gegen Mannschaften wie Wolfsburg oder Hertha gespielt, die zwei oder drei U-Nationalspieler in ihren Reihen hatten. Wir hatten die nicht. Wenn du dich trotzdem durchsetzt, ist das sicherlich ein toller Erfolg. Aber es war vor allem ein Mannschaftserfolg.

Welcher Titel hat Sie mehr überrascht?

Der mit Rostock. Ganz klar.

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