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Sport - 25.03.2019

„Jetzt wollen wir die Staffel-WM nach Berlin holen“

Gerhard Janetzky, Berlins Leichtathletik-Präsident, über Erfolge und Probleme der EM sowie Reformvorschläge, die den Sport voranbringen sollen.

Dina Asher-Smith raste bei der EM in Berlin als Erste über 200 Meter durchs Ziel. Berlins Leichtathletik-Verbandspräsident…

Herr Janetzky, wie hat Ihnen die Leichtathletik-EM gefallen?

Sehr gut. Die Wettbewerbe waren gut besucht und die TV-Quoten waren hoch. Viel wichtiger aber war: Die Stimmung war da. Aber es gab auch Probleme.

Welche?

Die Veranstalter der European Championships, die ja auch die Wettbewerbe der anderen Sportarten in Glasgow und Umgebung beinhalteten, verkaufen das Konzept als großen Erfolg. Für die Leichtathletik bedeutete die Einbettung in das übergeordnete Format jedoch im Nachhinein auch mehr Kosten. Durch die TV-Produktion am Olympiastadion sind bei uns noch einmal etwa fünf Millionen Euro an Kosten dazugekommen. Das mussten wir durch Ticketverkäufe wieder erlösen. Auf der anderen Seite hat das Fernsehen viel Werbung mit den European Championships gemacht, wovon auch wir Leichtathleten profitiert haben. Grundsätzlich aber sollten ein paar Dinge überdacht werden.

Und zwar?

Man sollte die Veranstaltung nicht mit Sportarten überfrachten, das kann auch eine Stadt als Austragungsort nicht leisten. Hallensportarten im Hochsommer sind auch zu überdenken. Eine Beschränkung auf die Kernsportarten und etwas Neues, wie zum Beispiel Bogenschießen wäre schön, Stand-up-Paddling muss nicht sein.

Rückt nach diesen Europameisterschaften die Leichtathletik in Deutschland nun wieder für viele Jahre aus dem Fokus?

Aus dem Fokus der Medien wollen Sie wohl sagen. Im Breitensport spielt die Leichtathletik permanent eine große Rolle. Der Berliner Leichtathletik-Verband hat seit fünf Jahren steigende Mitgliederzahlen. Und außerhalb des organisierten Sports ist die Leichtathletik allgegenwärtig mit den vielen Läufern. Aber es ist richtig, dass die Top-Veranstaltungen besser vermarktet werden müssen.

Was läuft schief?

Wir haben zum einen in Deutschland keine Struktur mehr im Wettkampfkalender. Noch vor 15, 16 Jahren hatten wir bis zu 20 Meetings. Die sind fast alle gestorben. Das lag auch daran, dass zu lange an alten Konzepten festgehalten worden ist. Die Meetings und Wettbewerbe dauerten viel zu lange. Die Leichtathletik beinhaltet 47 Disziplinen. Nur ein Beispiel: Braucht man die 200-Meter-Strecke? Ich finde nicht. Sie ist der 100-Meter-Strecke zu ähnlich. Sprich: Das sind zu viele, um sie alle in ein Wettkampfformat mit Qualifikation und Vorläufen zu pressen. Deswegen funktionierten auch die deutschen Meisterschaften in Nürnberg nicht. Das hat alles viel zu lange gedauert. Dagegen der beste EM-Abend am Samstag in Berlin: Ein Wettkampf nach dem anderen, innerhalb von zwei Stunden. So geht’s.

Aber wann gibt es die nächste große Leichtathletik-Veranstaltung in Deutschland?

Schon am 2. September mit dem Istaf in Berlin. Aber wir wollen mehr. Vielleicht klappt es ja schon 2022 mit den European Championships in Berlin. Bisher gibt es noch keine Bewerber, soweit ich weiß. Aber natürlich muss man sehen, dass das auch eine Kostenfrage ist. Das war keine selbsttragende Veranstaltung, der Senat musste etwas dazugeben.

16 Millionen Euro.

Die finde ich gerechtfertigt. Zumal kulturelle Einrichtungen auch vom Bürger kofinanziert werden, obwohl sie wie die European Championships eine kommerzielle Ausrichtung haben. Aber es gibt noch andere Ideen für die deutsche Leichtathletik.

Gerhard Janetzky.

Welche?

Ich will mithelfen, die Staffel-Weltmeisterschaften nach Deutschland zu holen. Die finden seit mehreren Jahren auf den Bahamas statt. Das ist ein vielversprechendes Format. Man kann hier auch neue Wege gehen mit unterschiedlichen Mixed-Staffeln, man könnte hier auch Rollstuhlfahrer integrieren. Außerdem sollte es möglich sein, Vereinsmeisterschaften in Berlin auszutragen. Wir haben viele tolle Vereine in Deutschland. Ich bin mir sicher, dass auch dies großes Interesse finden könnte. Und schließlich, eine Ebene drüber: Wir brauchen mehr Länder-Wettkämpfe. Wenn man diese Formate nimmt, sie in gebündelter Form ausrichtet, dann hat die Leichtathletik eine große Zukunft.

Wie sehen Sie die Zukunft des Istaf?

Das Istaf ist gut bedient, wenn es weiter versucht, eine Botschaft zu vermitteln: Die Botschaft ist, jeden Wettkampf mit einem Thema zu versehen – etwa Revanche: Der entthronte Stabhochsprungkönig Renaud Lavillenie gegen den neuen schwedischen Europameister Armand Duplantis. Dass nun die Hochsprungkonkurrenz kurzfristig aus dem Programm genommen wurde, finde ich schade. So ein Wettkampf würde sogar ohne Deutsche funktionieren und wir hätten ja vielleicht noch Raphael Holzdeppe dabei. Natürlich müssen auch Hochspringer Mateusz Przybylko und Diskuswerfer Robert Harting gefeiert werden, das ist klar. Aber nur auf deutsche Athleten zu setzen, muss ja nicht unbedingt sein. Das Istaf heißt ja Internationales Stadionfest.

Wäre die Top-Serie Diamond League, die erneuert werden soll, nicht auch etwas für Berlin?

Zuerst muss der Leichtathletik-Weltverband IAAF den Kalender reformieren, erst dann sollte Berlin schauen, ob es sich für die Diamond League bewirbt. Diese Serie bräuchte weniger als die derzeit 13 Meetings, weniger Disziplinen und einen klareren Ablauf, wer am Ende gewinnt. Wenn das feststeht, gehört Berlin in die Diamond League.

Bei der EM haben sich einige Athleten beschwert, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht im Stadion war. Was halten Sie von dieser Kritik?

Der offizielle Schirmherr der EM war Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Ein Grußwort oder eine Botschaft der Bundeskanzlerin wären schön gewesen, aber dass sie für die EM ihren Urlaub unterbricht, halte ich nicht für erforderlich.

Trotzdem werden Sie von der EM doch einen Schwung mitnehmen, oder?

Auf jeden Fall. Vor allem für die „DM Finals“ der zehn deutschen Meisterschaften, die nächstes Jahr im August in Berlin stattfinden, unter anderem mit Leichtathletik, Schwimmen und Turnen. Da muss man das Programm mit den anderen Sportarten anpassen, damit man sich nicht gegenseitig Zuschauer wegnimmt. Aber wir Leichtathleten müssen wieder versuchen, das Olympiastadion zu füllen. Und das wird auch klappen, wenn wir erfolgreiche Ideen von der EM übernehmen. Eine DM muss wie ein flottes Meeting aufgebaut sein.

Das Gespräch führten Martin Einsiedler und Johannes Nedo.

Gerhard Janetzky, 67, ist der Präsident des Berliner Leichtathletik-Verbands. Er war zudem von 2002 bis 2010 Veranstalter des Internationalen Stadionfestes (Istaf) im Olympiastadion.

In einer früheren Version des Artikels stand: „Vom Deutschen Olympischen Sport-Bund war nach meiner Kenntnis kein Topvertreter da – und die Leichtathletik ist olympische Kernsportart. Das niemand vom DOSB da war, fand ich bedauerlicher.“ Inzwischen hat Gerhard Janetzky diese Aussage zurückgenommen. Es waren Top-Vertreter des DOSB zu Gast bei den Leichtathletik-Europameisterschaften in Berlin. Nicht anwesend war allerdings dessen Präsident Alfons Hörmann.

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