Home Sport Julian Draxler muss sich noch beweisen
Sport - 08.06.2019

Julian Draxler muss sich noch beweisen

Julian Draxler gehört zum Stamm im Nationalteam. Doch tiefe Spuren hat er bisher wenig hinterlassen. Wird sich das bei dieser WM ändern?

Schon etabliert beim Bundestrainer. 42 Länderspiele hat Draxler bisher für die deutsche A-Mannschaft absolviert. Foto: Miguel…

Julian Draxler ist irgendwie ein Phänomen. Seit über fünf Jahren gehört der inzwischen 24-Jährige mehr oder minder zum festen Kreis der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, doch tiefe Spuren hinterlassen hat er kaum welche. Das soll sich idealerweise bei der kommenden WM gewaltig ändern. „Wir sind alle mit Begeisterung dabei, ich habe mit viel vorgenommen und dem Bundestrainer gezeigt, dass er mir vertrauen kann“, sagt Draxler.

42 Länderspiele hat Draxler bisher für die deutsche A-Mannschaft absolviert, meist ist er so – na ja – mitgeschwommen. Zu selten hat er seine Klasse wirklich zeigen können. Wie beispielsweise bei der EM 2016 in Frankreich im Achtelfinale gegen die Slowakei, als er hinterher als Torschütze und Vorlagengeber völlig zurecht zum „Man oft the Match“ gekürt wurde.

Als Löw im vorigen Sommer eine bessere B-Auswahl zusammenstellte, die sich auf den Weg zum Confed-Cup nach Russland machte, übertrug er dem damals 23-jährigen Draxler das Amt des Mannschaftskapitäns. Nie war ein deutscher Spielführer bei einem offiziellen Turnier jünger. Das Abschneiden der zusammengewürfelten Mannschaft war dabei ebenso ungewiss wie die Leader-Qualität Draxlers.

Am Ende des kleinen Sommerabenteuers stand ein überraschender Confed-Cup-Sieg mit einem Kapitän Draxler, der zum besten Spieler des gesamten Turniers gewählt wurde. Das hat dem offensiven Mittelfeldspieler, der vornehmlich auf der linken Seite spielt, Lob und Anerkennung eingebracht.

Doch im Anschluss daran ist er in den jüngsten Testländerspielen im Herbst 2017 und Frühjahr 2018 gegen die Größen dieser Fußballwelt, gegen England (0:0), Frankreich (2:2), Spanien (1:1) und Brasilien (0:1), die er allesamt bestritt, den Nachweis schuldig geblieben, bereits auf einer Stufe mit den etablierten Weltmeistern im Team zu stehen. Wenn man so will, dann haftet an Julian Draxler der Ruf, unter den Kleinen der Größte zu sein, aber eben auch der Kleinste unter den Großen.

Bereits im Mai 2014 vor der WM in Brasilien hatte er in einem Testspiel gegen Polen die deutsche Mannschaft als Kapitän aufs Feld geführt. Damals war er 20 Jahre und 265 Tage alt und löste einen gewissen Christian Schmidt von Concordia 95 Berlin als jüngsten Nationalmannschaftskapitän aller Zeiten ab. Der Torhüter Schmidt hatte den Rekord im April 1910 (!) aufgestellt. Die Startelf, die Draxler damals anführte, verfügte insgesamt über die Erfahrung von 13 Länderspielen, zehn davon gingen allein auf sein Konto. Gleich acht Neulinge hatte Löw in die Startelf berufen. Wenige Wochen später verfolgte Draxler die WM-Spiele der deutschen Auswahl fast ausschließlich von der Bank aus, lediglich im Halbfinale gegen Brasilien kam er für die Schlussviertelstunde des längst entschiedenen Spiels zum Einsatz.

Draxler hat vieles richtig gemacht in seiner noch jungen Karriere

Beim Confed-Cup vor einem Jahr hat Draxler seinen Durchbruch geschafft, nun will er in Russland den nächsten Schritt machen. „2014 war ich froh, überhaupt dabei zu sein“, erzählt ein aufgeräumt wirkender Draxler. Er sei vier Jahre älter, beim Spitzenklub Paris Saint Germain fußballerisch wie in seiner Persönlichkeit gereift und in der Lage, auch der Weltmeistermannschaft weiterhelfen zu können. „Ich bin überzeugt davon, dass ich bei der WM viel Spielzeit haben werde“, sagt Draxler mutig.

Dabei ist die Konkurrenz auf seiner Position so groß wie nirgendwo anders im Team des Weltmeisters. In Marco Reus und Leroy Sané gebe es gewaltig gute Mitbewerber, er aber rechne fest damit, den Sprung in den endgültigen WM-Kader zu schaffen. Bis zum 4. Juni wird Löw vier Spieler aussortieren müssen. „Ich gehe davon aus, dass ich dabei bin“, sagt Draxler.

Video28.05.2018, 15:23 Uhr00:54 Min.Draxler zu Titelverteidigung: ‚Müssen mehr investieren als 2014‘

In der zurückliegenden Saison hat er in Paris gelernt was es heißt, sich einer fast übermächtigen Konkurrenz zu stellen. Im Sommer wurde ihm die 222 Millionen Euro teure Neuerwerbung Neymar vor die Nase gesetzt, weshalb er es bei Trainer Unai Emery nicht immer einfach hatte. Trotzdem brachte er es auf 30 Liga-Einsätze, davon sechsmal in der Startelf. Nach der WM wird dort Thomas Tuchel dem Basken im Traineramt folgen, Emery wird künftig beim FC Arsenal das Sagen haben. Vom Trainerwechsel verspreche er sich viel, obgleich er Tuchel noch nicht persönlich kennen gelernt hat. Er habe sich aber schon mal umgehört. Fachlich sei Tuchel top, „menschlich mag der eine ihn mehr, der andere weniger“, sagt Draxler: „Ich bin da vollkommen unvoreingenommen.“

Der immer noch jugendlich wirkende Mann aus Gladbeck hat vieles richtig gemacht in seiner Karriere als Fußballprofi, sieht man vielleicht von seinem Sidekick zum VfL Wolfsburg ab. In dieses Geschäft ist er sehr früh schon, im Alter von 17 Jahren, beim FC Schalke 04 eingestiegen. Er hat wesentliche Schritte bei diesem Klub gemacht, hat zeitweise sogar Prägendes geliefert und ist dort zum Nationalspieler aufgestiegen. 2012 stand er im vorläufigen EM-Kader. Auch wenn er kurz vor dem Turnier den finalen Cut des Bundestrainers nicht überstand, so zählt Joachim Löw zu seinen großen Bewunderern und Förderern. Draxlers fußballerische Qualitäten, sein Talent und seine Begabung für dieses Spiel, sind unbestritten wie selten.

Und doch steht seine Karriere in Deutschlands wichtigster Mannschaft immer noch unter Vorbehalt. In den kommenden Tagen, vor allem aber bei der WM-Endrunde in Russland, muss Draxler den Nachweis erbringen, dass er nicht nur ein talentierter Bursche ist, sondern ein großer Spieler werden kann.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Check Also

Jens Spahn reist in den Kosovo, um Pflegekräfte anzuwerben

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU): Im Kosovo und in Albanien sei die Pflegeausbildung b…