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Sport - 20.05.2019

Lutz Lindemann: „Meine Vita ist alles andere als linear“

Der 68-jährige Lutz Lindemann spricht im Interview über die Rückennummer zehn, seine Zeit in der DDR und über die Fußballer in der heutigen Zeit.

Legende. Lutz Lindemann, 68, bestritt 205 Spiele in der DDR-Oberliga. Nun hat er ein Buch veröffentlicht.

Lutz Lindemann, 68, bestritt 205 Spiele in der DDR-Oberliga. 21 Mal stand er in der Auswahl der DDR. Er sah sich selbst als zentralen Mittelfeldspieler, einen Spielmacher, der auf der Zehnerposition auch mal mit der Nummer acht gespielt hat. Nach der aktiven Laufbahn war Lindemann Trainer und Funktionär, dabei auch Präsident vom FC Carl Zeiss Jena. Aktuell ist Lindemann Experte für die Dritte Liga bei „Sport im Osten“ im MDR. Wir haben mit Lindemann über sein Leben gesprochen.

Was hätten Sie gemacht, wenn Sie es nicht zum Fußballprofi gereicht hätte?

Ich wäre, wie viele andere sogenannte Talente, im Herr der Namenlosen aufgegangen, welche die Nummer zehn in der Kreisklasse zelebrieren und am Stammtisch Bundesligaspiele diskutieren.

Haben Sie jemals gedacht, dass der kleine Lutz aus der Siedlung am Rande von Halberstadt, einmal zu einem Fußballstar werden könnte?

Wie alle Jungs, die auf der Straße kickten, hatte ich auch diesen Traum.

Maradona, Pelé, Zidane, Lindemann und auch Matthäus trugen sie auf ihrem Rücken: Die Nummer 10. Sie alle waren Weltklasse. Galt auch in der DDR die Trikot-Nummer 10 als Inbegriff des Schönen?

Die Erstgenannten waren Weltklasse, ich sehe mich nicht in dieser Region. Die Nummer 10 war der Inbegriff der Kreativität. In einem anderen Tempo gespielt, sieht man das auch in unteren Ligen.

Wo überall trugen sie die Nummer zehn?

Ich spielte mit der Nummer zehn beim Club und in der Nationalmannschaft. In der DDR wurden die Nummern variabel verteilt, uns Spielern wurden Nummer zugeteilt, die nicht immer die Position wiederspiegelten. Es gab keinen Trikotverkauf mit unseren Namen auf dem Rücken. Altay Izmir war 1977 mein erstes EC-Spiel.  Mein erstes WM-Qualifikationsspiel war 1978 in Izmir. Ich hab nach dem Spiel mit meinem türkischen Gegenspieler das Trikot getauscht. Nach Spielende sollte ich es zurückholen. Das machte ich nicht und musste dafür 200 DDR-Mark Strafe bezahlen. Ich habe das Trikot in der DDR an Handwerker verschenkt. Bestimmte Arbeiten waren in der DDR wegen ob der allgemeinen Mangelwirtschaft nur mit Sonderprämien an die ausführenden Handwerker möglich.

Muss eine Nummer 10 ein Kämpfer und Regisseur gleichzeitig sein? Was waren sie?

Der Zehner hat oft andere Mittel als der klassische Kämpfer, aber die Zeiten des Stehgeigers sind lange vorbei.

 

Ist Fußball auf höchstem Niveau, egal wo, ein Spiel unter Freunden, oder knallhartes Geschäft, wo sich selber jeder selbst Nächste ist?

Auch zu meiner Zeit waren wir nicht alle Freunde, sondern eine Interessengemeinschaft. Diese IG war dem Erfolg verschrieben und unter sich unter bestimmten Regeln zusammengefunden. Das ist auch heute noch so, auch wenn der Druck noch größer ist, weil es um viel, viel mehr Geld.

Hat es Ihre Karriere beeinträchtigt, dass Sie schon in jungen Jahren als Überflieger galten?

Auf jeden Fall, ich dachte nach vier Länderspielen in der U18 als Kapitän, ich sei schon ein Großer. Ein fataler Irrtum.

Welches war ihr schönstes Tor in der DDR-Nationalmannschaft?

Ein Kopfball in der EM-Qualifikation zum 2:1 Sieg in Leipzig gegen Polen. In St. Gallen gegen die Schweiz zum 2:0 Sieg, das war es leider schon.

 

Welches war ihr schönstes Tor im Trikot des FCC?

1979, mein Freistoß zum 2:0 gegen West Bromwich Albion. Und mein Seitfallzieher 1978 gegen Bastia. Siehe You Toube.

War in der DDR der Star das Kollektiv? Bzw. das Mittelfeld, also alle kreativen Spieler?

Es gab in jedem Oberligateam herausragende Spieler, die sich aber nie als Star sahen, oder so bezeichnet wurden, weil das DDR-System keinen Starkult wollte. Sie konnten einen Starspieler nicht verhindern, das war Jürgen Sparwasser nach dem 1:0 Sieg gegen die BRD. Mit seinem Tor ist er weltweit bekannt geworden.

Waren in der DDR Individualisten nicht gefragt?

Sie waren gefragt, wenn sie ihre genialen Ideen in den Dienst des Teams stellten.

Die psychische Belastung eines Profis ist enorm. Wie war das in der DDR? Sind Spieler daran zerbrochen?

Die Trainingsanforderungen in meiner Zeit waren enorm hoch, die psychische Betreuung befand sich aber noch in den Kinderschuhen, wer sich nicht selbst aufbauen, bzw. therapieren konnte, war arm dran, es war brutal, es hat sich keiner darum gekümmert, was in unseren Köpfen abging.

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