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Sport - 19.11.2018

Schon bald ein Star, aber kein Boris Becker

Alexander Zverev überzeugt bei seinem ersten großen Triumph durch Beharrlichkeit. Daran kann der 21 Jahre alte Hamburger wachsen. Eine Würdigung.

Alexander Zverev nach seinem ersten großen Turniersieg.

Nach dem für ihn erfolgreichen Matchball schaffte es Alexander Zverev nicht mehr bis zum Netz. Er sank der Länge nach nieder, drehte sich und lag mit dem Kopf nach unten auf dem Spielfeld im großen Londoner Millennium Dome. Es war der Moment, in dem klar war, dass der Deutsche nun ganz oben angekommen ist in der Spitze des Welttennis. Sieger bei der ATP-Weltmeisterschaft, das ist schon sehr viel. Aber es ist noch nicht alles. Mit erst 21 Jahren hat der gebürtige Hamburger jetzt die Chance, das Versprechen auf eine große Karriere einzulösen.

Bisher hat Alexander Zverev insbesondere bei den Grand-Slam-Turnieren nicht das erreicht, was er aufgrund seiner Qualität hätte erreichen können. Eine Viertelfinalteilnahme bei den French Open 2018 war das beste Ergebnis. Dass er nun als erster Deutscher seit Boris Becker die ATP-WM gewonnen hat, macht es für ihn künftig einfacher bei den großen vier Turnieren des Welttennis: Alexander Zverev weiß seit Sonntag, dass er alles schaffen kann, was einen Tennisspieler zum Tennisstar macht. Sein Aufschlag ist einzigartig, seine beidhändige Rückhand einmalig druckvoll. Der fast zwei Meter große Mann wird noch besser werden, wenn er so weiter arbeitet mit seiner Beharrlichkeit und an seinem großen Willen.

Der Druck ist allerdings auch gewachsen. Novak Djokovic sagte nach dem Finale von London schon mal, dass Alexander Zverev fortan bei jedem Grand-Slam-Turnier zu den Favoriten zähle. Und Becker, ATP-WM-Sieger 1988, 1992 und 1995, hat am Sonntag in gewohnt plakativer Art die Geburtsstunde eines neuen Stars ausgemacht. So weit ist es womöglich noch nicht. Zverev hat dieser Tage selbst gesagt: Mit Becker lasse er sich erst vergleichen, wenn er einmal Wimbledon gewonnen habe.

Zverev beendet das Jahr auf Platz vier der Weltrangliste

Zverev hatte beim Turnier in London auch so seine Probleme, bei der klaren Vorrundenniederlage gegen Djokovic oder dann später im Halbfinale mit dem Publikum im Schlussspurt der Partie gegen Roger Federer. Da ließ Zverev während des Tie-Breaks einen Ballwechsel wiederholen, weil er sich von einem Balljungen irritiert fühlte. Das war regelkonform, kam aber nicht gut an beim Publikum. Zverev, der in der Vergangenheit auch schon mal den kleinen Bad Boy gegeben hat, wirkte irritiert. Er ist da aber schließlich gut durchgekommen, daran sogar gewachsen. Auch Federer sagte später: „Pfiffe haben beim Tennis absolut nichts zu suchen.“

Nach seinem Sieg von London beendet Alexander Zverev das Jahr auf Platz vier der Weltrangliste. Vielleicht wird es ihn in der ein oder anderen „Sportler-des-Jahres“-Wahl noch nach oben spülen; wobei dagegen spricht, dass diese Wahlen ja größtenteils im November schon längst entschieden sind. Überhaupt scheint der aktuell beste deutsche männliche Tennisprofi in puncto öffentlicher Wahrnehmung noch mehr Luft nach oben zu haben als auf dem Platz. So gratulierte ihm aus der Politik zum großen Erfolg nicht etwa als Erster Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, sondern lediglich Steffen Seibert, Sprecher der Bundesregierung – und das per Twitter. Und: Nur 150.000 Fernsehzuschauer sahen den Sieg gegen Djokovic auf dem Bezahlsender Sky, der sich daraufhin dafür feierte, dass dies seine beste Quote für ein Tennisspiel der Männer sei. Aber das ist absolut gesehen natürlich fast nichts, den Wimbledon-Sieg von Angelique Kerber im Juni verfolgten im ZDF 2,3 Millionen Zuschauer und noch zeitgleich 190.000 Menschen bei Sky. Auch das waren, verglichen mit der Hochphase des deutschen Tennis schon wenig Zuschauer.

Aber es ist nun ja gut denkbar, dass die zweite Hochphase des Tennis schon läuft. Dank Kerber, deren Karriereende allerdings schon in Sichtweite ist und dank Zverev, dessen Bühne im kommenden Jahr größer werden sollte.

Wer ein ganz Großer werden will, der hört nicht immer darauf, was andere sagen, sondern spielt. Und macht Alexander Zverev das, dann klappt es auch mit einer großen Karriere, die womöglich am Sonntag ihre Initialzündung gefunden hat.

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