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Sport - 11.07.2019

Serena Williams: Emotional oder hysterisch?

Das Frauenfinale bei den US Open endet im Chaos – Serena Williams spricht gar von „Sexismus“ und löst damit eine Debatte im Tennis aus.

Aufgebracht. Serena Williams hatte sich im US-Open-Finale nicht im Griff.

Serena Williams ist eine Kämpferin. Auf dem Tennisplatz und daneben. „Ich kämpfe für die Frauenrechte, für die Gleichberechtigung und für viele andere Dinge“, sagte sie am Samstagabend in New York nach einem denkwürdigen Finale der US Open gegen Naomi Osaka. 2:6 und 4:6 lautete das Ergebnis aus Sicht der 36-Jährigen US-Amerikanerin, doch der Ausgang des Spiels geriet angesichts dessen, was sich im Arthur-Ashe-Stadium zutrug, beinahe zur Nebensache. Williams hatte nicht nur die Kontrolle über das Match gegen die völlig unbefangen aufspielende Japanerin verloren, sondern auch über ihre Emotionen.

Zu Beginn des zweiten Satzes wurde sie von Stuhlschiedsrichter Carlos Ramos erst wegen Coachings verwarnt, dann kassierte sie wegen Schlägerzertrümmerns einen Punktabzug und schließlich erhielt sie aufgrund ihrer Wortwahl bei den anschließenden Diskussionen eine Spielstrafe. Statt 3:4 stand es plötzlich 3:5, kurz darauf hatte die 20-jährige Osaka ihren ersten Sieg bei einem Grand-Slam- Turnier errungen. Unter den Buhrufen der Zuschauer nahm sie den Pokal schüchtern entgegen und verdrückte angesichts des Geschehens ein paar Tränen. Serena Williams zeigte in diesem Moment Größe und appellierte an die Zuschauer, doch bitte mit dem Pfeifen aufzuhören und Osaka den verdienten Respekt entgegenzubringen.

Angebliche unerlaubte Zeichen des Trainers

Doch auch noch Stunden später war das Verhalten der vielleicht besten Tennisspielerin aller Zeiten das beherrschende Thema. Williams hatte schon während des Matches eine Sexismus-Debatte angestoßen, denn genau das war es, was sie dem portugiesischen Unparteiischen vorwarf: „Dass ich ihn einen Dieb genannt habe und er mir dafür ein Spiel aberkennt, fühlt sich für mich wie Sexismus an. Er hätte niemals einem Mann mit einem Spielabzug bestraft, wenn der ihn als Dieb bezeichnet hätte.“ Auslöser der ganzen Aufregung war die Verwarnung wegen unerlaubter Zeichen ihres Trainers Patrick Mouratoglou auf der Tribüne.

Für Williams war es die erste Bestrafung dieser Art überhaupt in ihrer Karriere – und eine ihrer Meinung nach klare Fehlentscheidung, da sie in diesem Moment überhaupt nicht zu ihrem Coach geschaut hätte. Wohl auch deshalb fiel es ihr danach schwer, sich zu beruhigen: „Ich würde nie betrügen, um zu gewinnen. Lieber verliere ich. Sie haben meinen Charakter attackiert. Sie schulden mir eine Entschuldigung“, platzte es während des Seitenwechsels in Richtung Ramos immer wieder aus ihr heraus. Die Worte „Dieb“ und „Lügner“ fielen, sogar die Oberschiedsrichter mussten auf den Platz kommen, um einzuschreiten.

Faire Sportsfrau. Nach dem Spiel zeigte Serena Williams ihr wahres Gesicht.

Mit Tennis hatte das Ganze nicht mehr viel zu tun. Erinnerungen wurden wach an frühere, unschöne Auftritte von Serena Williams bei den US Open. 2004 fühlte sie sich bei der Niederlage im Viertelfinale gegen Jennifer Capriati nach einer Serie von höchst fragwürdigen Entscheidungen von der Schiedsrichterin „verschaukelt“, wofür sich die Turnierverantwortlichen später sogar offiziell bei ihr entschuldigten. 2009 hatte Williams im Halbfinale gegen Kim Clijsters nach einer Fußfehlerentscheidung die dafür verantwortliche Linienrichterin mit den Worten bedroht: „Bei Gott, ich schwöre, dass ich dir einen dieser verdammten Bälle in den Hals schiebe. Ich schwöre es!“

Williams zeigte auch damals Reue

Williams zeigte zwar Reue, doch nur zwei Jahre danach giftete sie bei der Finalniederlage gegen Samantha Stosur erneut in Richtung einer Offiziellen, beleidigte die Stuhlschiedsrichterin als „innerlich hässlich“, weil diese ihr einen Punkt wegen Behinderung aberkannt hatte. „Ich hoffe, dass ich weitermache und wiederkomme. Es ist hier ja nie einfach für mich“, sagte Williams dann auch am Samstag. Zumindest hat sie dem Tennis eine neue Debatte verschafft. Dabei sind Männer-Schiedsrichter bei Frauenspielen eigentlich genauso Normalität wie weibliche Referees bei Matches in der Männerkonkurrenz.

Dass Williams in ihrer Wut über das Ziel hinaus geschossen ist, darüber herrscht weitgehend Einigkeit. Beim Thema Sexismus bekommt sie aber prominente Unterstützung: „Wenn eine Frau emotional ist, wird sie gleich als „hysterisch“ bezeichnet und dafür bestraft. Wenn ein Mann genau das Gleiche tut, heißt es, er sei „direkt“ gewesen und das hat keine Folgen. Danke, Serena, dass du diesen doppelten Standard thematisiert“, twitterte Billie Jean King. Es sieht so aus, als würde dem Tennis ein neuer Kampf bevor stehen. Serena Williams ist dabei einmal mehr die Vorreiterin.

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