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Sport - 14.06.2019

Urteil im Fall Pechstein: Es gibt keine Alternative zur Sportgerichtsbarkeit

Claudia Pechstein hat vor Gericht verloren. Das werden viele begrüßen. Doch ihr juristischer Kampf könnte dem Sport noch zugutekommen. Ein Kommentar.

Claudia Pechstein hat vor Gericht verloren. Doch vermutlich wird das nicht das Ende ihres Kampfes sein.

Vermutlich haben viele Menschen das Urteil am Dienstagmorgen im Fall Claudia Pechstein mit einer gewissen Genugtuung vernommen: Die Eisschnellläuferin ist mit einer Beschwerde gegen den Internationalen Sportgerichtshof Cas wegen dessen angeblich fehlender Unabhängigkeit gescheitert. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, bei dem Pechstein die Beschwerde eingereicht hatte, sieht beim Cas keinen Mangel an Unabhängigkeit und Unvoreingenommenheit. Die Genugtuung vieler darüber rührt daher, dass Pechstein in der Welt des Sports nicht sonderlich gut gelitten ist. Pechstein geriert sich gerne als unbarmherzige Kämpferin für ihre Ziele, sie klagt sich unentwegt durch die juristischen Instanzen und provoziert mit grenzwertigen Bemerkungen. „Jeder Flüchtling, der nach Deutschland kommt, hat Rechtsschutz. Also das ist ein Witz. Ein totaler Witz“, tat sie auf ihre Art ihre Enttäuschung kund über ein verlorenes Urteil vor dem Bundesgerichtshof vor zwei Jahren. Pechstein nicht zu mögen ist ein Nenner, auf den sich viele einigen können. Deswegen ist eine Niederlage vor Gericht nicht verkehrt.

Aber natürlich ist das Unsinn. Im Fall Pechstein geht es allein um die Sache – und die ist hochkomplex. Zuerst einmal – und daran gibt es nach wissenschaftlichen Gutachten kaum Zweifel – war Pechstein Geschädigte. Die fünfmalige Olympiasiegerin war 2009 wegen vermeintlichen Dopings für zwei Jahre gesperrt worden. Die auffälligen Werte wurden später aber auf eine geerbte Blutanomalie zurückgeführt. Pechstein verlor durch die Sperre Zeit und Geld. Dann begann ihr Feldzug gegen die Sportgerichtsbarkeit. Der ist zum einen angesichts der Ungerechtigkeit, die sie erfuhr, durchaus nachvollziehbar. Zum anderen leidet die Sportgerichtsbarkeit seit jeher unter dem Konstruktionsfehler, dass sie eine Geburt der Sportverbände ist – der Cas wurde 1984 vom Internationalen Olympischen Komitee eingerichtet. Es gibt bis heute ein enges Band zwischen Verbänden und Sportgerichtsbarkeit. So stellt ein Gremium namens Icas die Richterliste des Cas – und wer in diesem Gremium sitzt, bestimmen zum größten Teil die Sportverbände selbst. Die Unabhängigkeit darf in dieser Konstellation angezweifelt werden, wie es Pechstein getan hat.

Auf der anderen Seite gibt es kaum eine Alternative zur internationalen Sportgerichtsbarkeit. Würden die Sportler vor den jeweiligen Zivilgerichten in ihren Ländern klagen, würde das noch viele größere Ungerechtigkeit nach sich ziehen. Ein Dopingbetrüger aus Deutschland etwa würde für das gleiche Vergehen wie ein Sportler aus Russland eine gänzlich andere Strafe erfahren. Es würde viele Fälle geben, bei denen – bei gleichem Tatbestand – ein Sportler bestraft und der andere straffrei bleiben würde. Eine Sportgerichtsbarkeit macht großen Sinn. Nun geht es darum, dass sie optimiert, dass sie transparenter und noch unabhängiger wird. Und am Ende hat dann vielleicht sogar die unbeliebte Kämpferin Claudia Pechstein dazu beigetragen, dass der Sport ein bisschen gerechter wird.

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