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Sport - 10.01.2019

Vergesst Fußball, schaut Handball!

Spannung, Gerechtigkeit und kein Gejammer: Warum es Zeit ist, sich einer neuen Sportart zu widmen. Eine Glosse.

Zur Sache, Spielerchen. Beim Handball wird mit vielen Mitteln gekämpft – und niemand lässt sich ohne Grund fallen.

Wenn Handball einfach wäre, würde es Fußball heißen. Sagen sie in Flensburg, Melsungen, Kiel, Magdeburg oder Wetzlar. Überall dort eben, wo sie sich richtig auskennen. Trotzdem verfolgen jeden Tag Millionen Menschen Fußball, während einige wahrscheinlich noch nicht einmal mitbekommen haben, dass die Handball-WM in Deutschland und Dänemark bevorsteht. Verrückt, denn eigentlich ist Handball doch so viel attraktiver zum Zuschauen als Fußball. Und auch sonst ist alles anders. Deshalb präsentieren wir hier ein etwas einseitiges Match um die Frage, was besser ist: Handball oder Fußball? Anpfiff!

Handball gegen Fußball – Anpfiff!

Fußball kann man überall und mit fast allem spielen. Gekickt wird zur Not auch mal mit einer leergetrunkenen Coladose, im Park oder eben auf dem Bolzplatz. Für Handball braucht man ein Handballfeld mit Handballtoren und eigentlich auch mindestens vierzehn Handballspieler. Schon mal probiert, Handball auf dem Pausenhof zu spielen?! Okay, eins zu Null für den Fußball. 0:1!

Jedes Spiel beginnt mit 0:0. Soweit gilt das für beide. Aber viele Fußballmatches enden auch 0:0, das kommt beim Handball nicht vor. Da braucht man nicht lange zu überlegen, was attraktiver ist – 1:1!

Überhaupt fallen im Handball deutlich mehr Tore. Ein 29:29 ist keine Seltenheit. In der Bundesliga gibt es im Durchschnitt 27,1 Treffer pro Handballspiel (beim Fußball sind es in dieser Saison 2,79). Die Ergebnisse bilden daher eher den Spielverlauf ab und sind gerechter. Und das Spiel ist dadurch auch schneller und spektakulärer für die Zuschauer. Damit geht der Handball erstmals in Führung. 2:1!

Eine Handball-Mannschaft besteht aus 14 Spielern, sieben stehen immer „auf der Platte“, wie das im Fachjargon heißt, und sieben sitzen auf der Auswechselbank. Anders als beim Fußball kann der Trainer beliebig viele Wechsel vornehmen. So hat er viel mehr Möglichkeiten als sein Kollege beim Fußball, um taktisch ins Spielgeschehen einzugreifen. Das Spiel wird so für Kenner immer interessanter, je mehr man davon versteht. 3:1!

Handballer beherrschen Abwehr UND Angriff, auch wenn sie Spezialisten für eine Position sind. Denn hier gilt: Im Angriff gewinnt man Spiele, in der Abwehr aber gewinnt man Meisterschaften. 4:1!

Rasenschach unmöglich – 5:1!

Ballrumgeschiebe, Rasenschach oder Nichtangriffspakte – das kann es beim Handball nicht geben. Es fallen so viele Tore, auch noch in letzten Sekunden, auf Unentschieden spielen ist schlicht nicht möglich. Deswegen spielen Handballteams immer – immer! – auf Sieg. 5:1!

„Reine Spielzeit“, das ist im Fußballjargon eine Krücke, um auszudrücken, wie viele Minuten der Sport tatsächlich ausgeübt wurde. Netto. Zeit schinden gibt es aber beim Handball gar nicht, kann es nicht geben, denn die Zeit wird angehalten, wenn das Spiel unterbrochen ist. 60 Minuten reine Spielzeit, immer. Ohne Verunreinigungen durch Ballwegtreten, Schauspieleinlagen, Mit-dem-Schiedsrichter-diskutieren. 6:1!

Es gibt beim Handball einfache Regeln. Aber nicht so einfältige wie beim Fußball. Abseits gibt es zum Beispiel nicht, dementsprechend auch keine Perversität wie die Abseitsfalle. Statt Elfmeter gibt es den Siebenmeter: Er ist der gerechte Ausgleich für eine regelwidrig verhinderte klare Torchance. Kein „Strafstoß“, der vom Himmel fallen kann und oft genug den Spielverlauf auf den Kopf stellt. 7:1!

Siebenmeter als Herstellung einer klaren Torchance: Silvio Heinevetter im Fokus.

„Die schnelle Mitte“ wurde durch eine Regeländerung möglich und verpasste dem Hallenhandball einen zusätzlichen Boost. Sie belohnt Angriffsspiel. Die so genannte „Rückpassregel“ war die letzte größere Änderung im Fußball – sie bestraft Zeitspiel (vgl. das 5:1). 8:1!

Im Fußball gibt es nur gelbe oder rote Karten. Als wäre das Leben nicht viel differenzierter! Bei grenzwürdigen Fouls kommt es oft genug vor, dass ein Spieler zu hart bestraft wird oder im Gegenteil ungeschoren davonkommt. Die Handball-Regeln kennen neben der gelben und roten Karte auch die Zwei-Minuten-Strafe und die blaue Karte, die eine zehnminütige Denkpause nach sich zieht. Sie wird gerne nach Beleidigungen oder anderen Unsportlichkeiten eingesetzt. Durch den differenzierten Sanktionierungskatalog kann im Handball viel präziser – man könnte auch sagen: gerechter – bestraft werden, ohne durch eine einzelne Fehlentscheidung den Spielverlauf entscheidend zu beeinflussen. 9:1!

Weniger Schiedsrichter-Diskussionen – 10:1!

Überhaupt die Schiedsrichter: Seit 1967 gibt es beim Handball pro Spiel zwei gleichberechtigte Referees. Weil vier Augen mehr sehen als zwei. Und weil es bei dieser rasanten Sportart zehn Mal mehr Entscheidungen pro Spiel zu treffen gibt als beim Fußball. Obwohl die Entscheidungen in noch kürzerer Zeit getroffen werden müssen, sind sie insgesamt weniger Thema als beim Fußball. 10:1!

Eine Halle als Austragungsort stellt sicher, dass erstens immer die gleichen klimatischen Bedingungen herrschen und zweitens die Zuschauer nicht nass werden. Hat auch damit zu tun, dass in Handballhallen die Unsitte der Bierdusche verpönt ist. 11:1!

Schon mal gesehen, dass ein Handballer auf den Boden gespuckt oder gerotzt hat? Ok, es gibt das Harz, das Hallenböden bis hinunter in die Kreisliga ruiniert. Aber es ist im Sinne des Spiels. 12:1!

Bei Jugendspielen sind keine fanatischen Eltern am Spielfeldrand, die gegen jede statistische Wahrscheinlichkeit auf eine große Karriere der Knirpse hoffen. Auch ansonsten kommt der Handball ohne Hooligans und Ultras aus. 13:1!

Spielerfrauen spielen im Handball keine Rolle. Spielende Frauen dagegen schon. Es ist kein „Männersport“, sondern einfach eine tolle Sportart für Männer und Frauen, Mädchen wie Buben. 14:1!

Wenn beim Handball einer liegen bleibt, dann hat er Gründe. Es folgt Eisspray statt Müller-Wohlfahrt. Bei manchen Fußballstars dagegen fragt man sich, wie die ihre Termine beim Tätowierer überleben. 15:1!

Gehirnerschütterung? Macht nichts – 16:1!

Beispiel gefällig?! Handball: Als Nationalspieler Steffen Weinhold im Match gegen Spanien einen direkten Freiwurf aus drei Metern voll an den Kopf bekommt, erleidet er eine Gehirnerschütterung und bricht sich ein Stück vom Zahn ab. Benommen geht er zu Boden. Kurze Zeit später steht er wieder, wird auf der Bank behandelt – und spielt weiter. 16:1!

Trikots werden beim Handball nicht getauscht, sondern gewaschen. 17:1!

Handball-Mannschaften sind keine Spekulationsobjekte. Dafür steckt einfach zu wenig Rendite drin. Die Klubs brauchen auch Sponsoren. Aber dass sich ein Scheich oder Oligarch überlegt, ein richtig fettes Invest zu tätigen, indem er MT Melsungen, die SG Flensburg-Handewitt oder gar die Eulen Ludwigshafen kauft, ist eher unwahrscheinlich. 18:1!

Isländischer Nationalcoach Deutschlands: Europameister-Trainer Dagur Sigurdsson.

Wer als Handballer seine Karriere beendet, hört auf zu spielen. Und spielt nicht in China oder in den Vereinigten Arabischen Emiraten weiter. Weil Handballer meist mit dem Handball-Spielen nicht ausgesorgt haben, sorgen Sie mit einer Ausbildung in der Regel für die Zeit nach der aktiven Karriere vor. 19:1!

Die Bundesliga gilt als stärkste Liga der Welt – im Handball. Die erste Adresse für internationale Top-Stars. Wer in Lemgo, Mannheim oder Göppingen ein Ticket für ein Handball-Spiel kauft, kann die besten Spieler sehen. 20:1!

In der Saison 2006/07 holten die deutschen Mannschaften aus Kiel, Magdeburg und Hamburg alle drei internationalen Vereinstitel. Die Vereine der Fußball- Bundesliga schafften das nie. 21:1!

Isländer spielen im internationalen Handball eine tragende Rolle, seit langem. Und sind nicht wie beim Fußball auf die Rolle von Wikinger-Folklore reduziert. 22:1!

Es gibt keinen Tag, an dem im deutschen Fernsehen nicht irgendein Spiel gezeigt wird. Handball dagegen schafft Pausen für die wichtigsten Hauptsachen der Welt. 23:1!

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