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Sport - 24.03.2019

Werner Schuster geht, wenn es am schönsten ist

Am Sonntag stand Bundestrainer Schuster zum letzten Mal für den DSV an der Schanze. Er hat aus verunsicherten Skispringern eine Topnation geformt.

Er hinterlässt ein Vakuum. Werner Schuster hat den Skisprung-Sport in Deutschland nachhaltig geprägt.

Natürlich wurde Werner Schuster wehmütig, als er am Sonntag an der gigantischen Skiflug-Schanze von Planica zum letzten Mal die deutschen Skispringer abgewunken hatte. Sein Abschied nach elf Jahren als Bundestrainer ist trotzdem wohlüberlegt: „Ich hatte eine unglaublich coole, erfolgreiche Zeit. Und mit den Kollegen sind echte Männer-Freundschaften gewachsen. Trotzdem hat sich die Waage immer wieder leicht in die andere Richtung geneigt.“ Schuster will mehr Zeit für seine Frau und seine Teenager-Söhne Jonas und Jannick, die ihren Vater im Winter meist nur im Fernsehen sehen. Deshalb steigt der 49 Jahre alte Österreicher aus dem Hamsterrad als Chefcoach mit über 200 Reisetagen im Jahr aus.

WM-Gold im Team bedeutet Schuster am meisten

Der Überflieger-Trainer geht auf dem Höhepunkt. Bei den Weltmeisterschaften unlängst in Seefeld gewann Werner Schuster drei von vier möglichen Titeln mit seinem Team. Am meisten hat ihm das erste deutsche Team-WM-Gold seit 18 Jahren bedeutet. Angeführt vom dreimaligen Weltmeister Markus Eisenbichler gewannen Karl Geiger, Richard Freitag und Stephan Leyhe mit haushohem Vorsprung den Titel. Der ein Jahr zuvor zum Olympiasieg geflogene Jungstar Andreas Wellinger war nur Zuschauer. Genau wie der dauerverletzte Severin Freund, zu dem Schuster in all den Jahren das engste Verhältnis aufgebaut hat. Schließlich hatte ihm der Bayer als Anführer beim Team-Olympiasieg 2014, Weltmeister, Skiflug-Weltmeister und Gesamtweltcupsieger den großen Durchbruch als Trainer verschafft.

Die Team-Goldmedaille ohne die beiden Stars der letzten Jahre beweist, welch einmalige Aufbauarbeit Werner Schuster im vergangenen Jahrzehnt geleistet hat. Der einst als Skispringer eher mittelmäßige Schuster hatte im März 2008 als Nachfolger von Peter Rohwein eine verunsicherte Mannschaft übernommen, in der erfahrene Flieger wie Martin Schmitt die Hauptrolle spielten. „Damals war die Verpflichtung des ersten ausländischen Chefcoachs im deutschen Skispringen ein gewagter Schritt, aber ich habe nie an seinen Qualitäten gezweifelt und nach zwei Jahren waren alle glücklich. Und jetzt sind alle traurig, dass er geht“, sagt der Sportliche Leiter Horst Hüttel.

Schuster führte Martin Schmitt als Vizeweltmeister von 2009 noch einmal an die Spitze zurück. Und baute anschließend dank radikaler Systemänderungen und einem einheitlichen System bis in die Talentausbildung eine ganze Garde junger, neuer Topflieger auf. Der Chefcoach hat in seiner Amtszeit gleich vier Flieger zu Weltcup-Siegern gemacht und zehn aufs Podest geführt – das ist in der weltweiten Skisprung-Szene einmalig. Auch in diesem Winter setzten mit Markus Eisenbichler, Karl Geiger oder Stephan Leyhe wieder neue Namen die Akzente.Eisenbichler gewann erst am Freitag wieder auf der großen Skiflug- Schanze in Planica.

Schuster war auch für die Medien Gold wert

Dabei baute der ausgebildete Psychologe Schuster auf das Zusammengehörigkeitsgefühl im Team trotz aller nötigen Konkurrenz. „In dieser hochsensiblen Sportart entscheiden Nuancen. Meine Philosophie ist, dass der emotionale Wohlfühlfaktor sehr wichtig ist“, sagte er immer wieder. Schuster setzte in seiner wissenschaftlich ausgeklügelten Trainingssteuerung immer wieder auf neue Akzente. Und er brachte das Kunststück fertig, Arbeit an seine Trainerkollegen geschickt zu delegieren und doch immer die Führung zu behalten. Dazu war er als intelligenter Gesprächspartner und Analysator auch für die Medien Gold wert.

Kein Wunder, dass der Deutsche Skiverband (DSV) versucht, Schuster auch nach seinem Abschied als Bundestrainer weiter in seinen Reihen zu halten. Ihm liegt das Angebot vor, als Führungsfigur in einer neuen Akademie und im inhaltlich-konzeptionellen Bereich weiterzuarbeiten. Schuster könnte aber auch auf seine einstige Position als Boss der österreichischen Talentschmiede in Stams zurückkehren und vielleicht irgendwann später auf den Cheftrainerposten in seiner Heimat wechseln. „Ich lasse das alles auf mich zukommen“, sagt Schuster.

Er übergibt in jedem Fall ein intaktes Weltspitzenteam an seinen Nachfolger in Deutschland, der wahrscheinlich Stefan Horngacher heißen wird. Der derzeitige polnische Cheftrainer, der mit Kamil Stoch zweimal die Vierschanzentournee, Gesamtweltcup sowie Olympiagold und zuletzt Gold und Silber bei der WM holte, war einst Schusters Co-Trainer im deutschen Team. Horngacher soll mit den Überfliegern den einzigen Titel gewinnen, den der scheidende Überflieger-Trainer nie holen konnte: den Vierschanzentournee-Sieg. „Ich bin ja dann als Bremsklotz weg“, hat Werner Schuster übrigens dazu gesagt. Und in seiner Stimme klang eine Spur Wehmut mit.

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