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Sport - 17.01.2019

Wie Constantin Braun seine Alkoholsucht bewältigt hat

Eishockey-Verteidiger Constantin Braun spricht erstmals öffentlich über seine Alkoholerkrankung – und trainiert wieder mit den Eisbären.

Constantin Braun ist in dieser Woche ins Mannschaftstraining zurückgekehrt.

Die Kappe trägt Constantin Braun lässig verkehrt herum auf dem Kopf. T-Shirt und kurze Hosen lassen seine Tattoos an Armen und Beinen durchblicken. Dazu strahlt er über das ganze Gesicht und sagt: „Mir geht’s gut. Passt alles.“ Fast ein halbes Jahr lang hatte der 30-Jährige den Eisbären Berlin zuletzt gefehlt. Nicht wegen einer Verletzung, sondern aufgrund einer Therapie gegen seine Alkoholabhängigkeit.

Am Donnerstag nach dem Training im Sportforum Hohenschönhausen spricht Braun erstmals öffentlich über die vergangenen Monate und seine Rückkehr in den normalen Alltag eines Eishockeyprofis. „Das Gefühl, wieder auf dem Eis zu stehen, ist überragend. Ich spiele Eishockey, seit ich vier Jahre alt bin. Da geht einem schon was ab, wenn man das ein paar Monate nicht machen kann“, sagt er.

Am 1. August teilten die Eisbären Berlin mit, dass sich Braun freiwillig in Behandlung begibt, um gegen seine Sucht anzukämpfen. Dass ein Sportler seine Alkoholkrankheit öffentlich eingesteht, passiert nicht oft. Es ist ein gesellschaftliches Tabu, das bei Bekanntwerden für den Betreffenden oft mit unkalkulierbaren Risiken verbunden ist – nicht nur im sportlichen Bereich. Unter anderem deswegen ging Braun seinerzeit ganz bewusst mit dem Thema um: „Meine Entscheidung in die Öffentlichkeit zu gehen, war relativ egoistisch. Denn es hätte in der Reha bestimmt Leute gegeben, die gewusst hätten, wer ich bin.“ So hätte er sich selbst Druck genommen. Denn zu verstecken, wer man ist, sei schwierig, erzählt Braun.

Zumal in seinem Fall. Der gebürtige Lampertheimer war bereits zweimal aufgrund von Depressionen in der Rehabilitation – 2013 und 2017. „Das jetzt ist eine ganz andere Situation als vor ein paar Jahren. Es ist ein anderer Typus Krankheit“, sagt er. Manch anderer hätte angesichts derartiger Diagnosen längst über ein Ende der Profikarriere nachgedacht. Nicht so Constantin Braun. „Dass ich mit dem Eishockey aufhöre, stand nie zur Debatte“, sagt er. Allerdings könne niemand wissen, was die Zukunft bereit hält: „Was in drei oder zwölf Monaten ist – keine Ahnung. Ich gehe von Tag zu Tag, weil länger planen sollte man auch nicht bei dem was ich habe.“

Der lange Weg zurück

Seit dieser Woche steht Braun wieder mit seinen Mannschaftskollegen im Training auf dem Eis. Normalerweise tragen angeschlagene Spieler in den Einheiten ein gelbes Trikot. Braun hat am Donnerstag im Wellblechpalast ein blaues Jersey an, so wie alle anderen fitten Spieler der Berliner. Angesichts der Personalknappheit geht unter den Anwesenden sogleich das Gerücht um, er könne am Freitag im Spiel gegen Mannheim womöglich schon sein Comeback geben. Trainer und Sportdirektor Stéphane Richer muss darüber schmunzeln: „Ich würde ihn gern nehmen, aber wir müssen es langsam angehen. Bei ihm ist es keine Frage von Tagen, sondern von Wochen.“

Braun setzt sich kein konkretes Comebackziel, er genießt es einfach wieder dabei zu sein – und an sich zu arbeiten. „Ich war fünf Monate in Therapie. In der Klinik gab es natürlich auch einen Fitnessraum, aber nicht in dem Umfang, wie ich das hier machen kann“, erzählt er. Die Intensität beim Training mit der Mannschaft sei viel höher, „deswegen habe ich auch Muskelkater. Aber damit aufzuwachen, ist ein angenehmes Gefühl“, sagt er und lächelt.

Braun galt stets als lockerer Typ, der das Herz auf der Zunge trägt. Er wirkt groß und stark und war doch zuweilen schwach und zerbrechlich. Wer Braun jetzt zum ersten Mal erlebt, kann sich nur schwer vorstellen, was er in den vergangenen Monaten und Jahren durchgemacht haben muss. Und welche Fragen er sich in diesen Tagen immer wieder stellt: „Wie reagiert der Körper? Wie ist es auf dem Eis? Funktioniert das Training?“ Im Moment funktioniere es, sagt Braun. Auch weil er unbedingt weiter Eishockey spielen will und „weil für mich auch keine Option B besteht, jetzt gerade was anderes zu machen.“

Doch auch wenn der Sport seine große Leidenschaft sei, so macht er doch nur ein paar Stunden am Tag aus. In den restlichen Alltag musste Braun ist wieder zurückfinden. Das ging über spezielle Belastungstests während der Therapie, als er für Tage oder Wochenenden nach Hause reisen durfte, um dort zu sehen, wie er klarkommt. Schließlich war er in der Reha von allem abgeschottet, jetzt muss er sich der Normalität mit all ihren Versuchungen wieder stellen. „Man lernt sehr achtsam mit sich selbst zu sein und auf sich selbst zu hören. Wenn mich eine Situation zu sehr belastet, dann stehe ich einfach auf und gehe“, sagt Braun.

Die Eisbären haben ihn nicht fallen gelassen

Die Fragen nach seiner Krankheit, der Therapie und wie er mit allem umgeht, meistert er an diesem Donnerstag souverän. Wenn es zu sensibel wird, nimmt sich Braun das Recht, keine Antwort zu geben. Und doch wirkt er selbst dabei wie jemand, der alles unter Kontrolle hat. Es ist ein fragiles Gebilde, Braun weiß das. Zu seinem Glück konnte er in der Vergangenheit immer auf die Unterstützung seines Arbeitgebers zählen. „Wenn der Verein hinter einem steht, hat man natürlich eine Sorge weniger. Müsste man jetzt auch noch darüber nachdenken, vielleicht arbeitslos zu werden, hätte man ein Päckchen mehr zu tragen“, sagt Braun und spricht den Eisbären „ein Kompliment“ aus: „Sie waren wieder mal da, als ich sie gebraucht habe.“ Nun sei es für ihn an der Zeit, etwas zurückzugeben.

Ob er dazu sportlich irgendwann wieder in der Lage sein wird, ist im Moment nebensächlich. Braun ist froh, wieder ein Teil der Mannschaft zu sein und der Sache nachgehen zu können, die ihm so viel bedeutet. Seine hoffentlich überwundene Alkoholabhängigkeit und der öffentliche Umgang damit ist aber nicht nur für das Eishockey von Bedeutung. „Es ist ein Thema, das nicht nur mich betrifft“, sagt Braun und wirkt dabei nachdenklich.
Kurz darauf kehrt das breite Grinsen in sein Gesicht zurück. Für ein Foto zupft er noch einmal Kappe, Shirt und Hose zurecht und blickt anschließend in Richtung der Menschen vor ihm. „Habt ihr noch Fragen?“ Es herrscht ein Moment der Stille – dann lacht Constantin befreit auf.

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