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Sport - 22.06.2019

Zecke Neuendorf: „Marcelinho hat uns alle eingenebelt“

Andreas „Zecke“ Neuendorf über brasilianische Abende, das Aus von Huub Stevens und Hans Meyers Duz-Angebot.

Andreas Neuendorf, 42, spielte zwischen 1998 und 2000 sowie von 2001 bis 2007 für Herthas Profis. Seit 2015 ist er…

Hier erzählen ehemalige Profis anlässlich des 125. Geburtstages von ihren Erlebnissen bei Hertha BSC. Jeden Tag ist ein Spieler aus einem Jahrzehnt dran. Heute Teil fünf: die Nullerjahre.

Herr Neuendorf, wer war der beste Spieler, mit dem Sie zusammenspielten?

Der spektakulärste war Marcelinho, aber auch Sebastian Deisler war ein sensationeller Fußballer. Der Junge hat im Training Sachen gemacht – Wahnsinn. Leider spielten andere Faktoren bei ihm nicht mit. Aber auch René Tretschok und Dariusz Wosz waren ein sensationelles Duo.

Wer konnte am besten feiern?

Das ist einfach – der Marcelo. Er hatte ja immer sonntags seinen brasilianischen Abend, der nicht selten erst am nächsten Morgen endete. Wenn wir dienstags ein internationales Spiel hatten, sind wir bereits montags geflogen. Im Flugzeug waren dann drei Reihen vor Marcelo und drei Reihen hinter ihm völlig mit Alkohol eingenebelt. Hoeneß hat uns dann immer erklärt, er habe mit Marcelinho gesprochen und ihm das Versprechen abgerungen, dass das nie wieder vorkommt.

Und das glaubten alle?

Nö, aber wir wussten, wenn Marcelinho halbwegs normal in Form war, spielte er wie von einem anderen Planeten. Wenn er angeschlagen war, spielte er wie einer von uns. Hoeneß war clever, er wusste, dass wir ohne Marcelo kaum eine Chance hatten. Wir waren spielerisch ordentlich, aber Marcelo war der Unterschied. Er gehörte zu den sechs, sieben Spielern der Liga, die dafür sorgten, dass eine Mannschaft gewann oder verlor.

Hertha spielte damals regelmäßig im Europapokal.

Das war eine aufregende und erfolgreiche Zeit, die frühen Nullerjahre. Wir hatten aber auch bärenstarke Mannschaften. Ich denke an Gilberto, an Joe Simunic. Niko Kovac und Pal Dardai stritten um einen Platz, das waren zwei Qualitätsspieler, Kämpfer, Maschinen! Oder Ali Daei, wir hatten viele namhafte Spieler.

Wie haben Sie die Trennung von Jürgen Röber im Frühjahr 2002 erlebt?

Für mich kam es überraschend. Ob er freiwillig ging oder dazu getrieben wurde, entzieht sich meiner Kenntnis. Er meinte, es wäre besser, dass den Endspurt ein anderer macht. Wir Spieler haben nie daran gezweifelt, dass wir es schaffen. Wir schätzten Röber, er hat es verstanden, so zu arbeiten, dass der Respekt ihm gegenüber groß war. Es gab ja auch Spiele, bei denen wir vorher im Kreis standen und sagten, was der jetzt erzählt hat, ist egal, wir machen das so und so. Es war halt ein Geben und Nehmen.

Dann kam Falko Götz, Hertha schaffte noch Platz vier. Wie auch 2005.

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Besonders bitter war es 2005. Letzter Spieltag gegen Hannover. Wir hätten nur gewinnen müssen, und dann murksen wir ein 0:0 zusammen. International dabei zu sein, war ja bei uns damals fest drin, aber so dicht vor der Champions League zu scheitern…

Unter Huub Stevens hatte die Mannschaft nach Platz fünf 2003 die Champions League zum offiziellen Ziel gesetzt.

Mit Huub musste leider ein großartiger Mensch gehen, er hatte von Anfang an nie eine faire Chance gehabt. Weil Götz kurz vor ihm relativ erfolgreich war und Stevens zuvor Gelsenkirchen trainierte, was bei den Fans nicht gut ankam. Er hat uns Professionalität vorgelebt. Für ihn war es bitter. Ich habe mich geärgert, dass ich ihm nicht helfen konnte.

Wie meinen Sie das?

In seiner Zeit fehlte mir oft der Spielrhythmus, was an meinem Körper lag. Ich hatte insgesamt neun Leistenoperationen, allein sieben in Berlin. Es gibt Trainer, für die man durchs Feuer geht. Für Huub wäre ich durchs Feuer gegangen.

Warum?

Ich empfand es als ungerecht, wie mit ihm umgegangen wurde. Er hätte mehr Respekt verdient. Immer ehrlich, immer gerade. Er wollte, dass ein Wir-Gefühl aufkommt. Wir hatten aber ein paar selbsternannte Stars, die dachten, Stevens bräuchte sie, aber nicht umgekehrt. Sie haben nicht verstanden, was er wollte. Er hat uns das vor unser aller Augen verbildlicht. In der Kabine malte er einen Wagen. Vorn standen ein paar Figuren, die den Wagen gezogen haben. Dann hinten welche, die geschoben haben. Manche saßen obendrauf. Und ein, zwei Figuren hatte er so gezeichnet, als würden sie gegen alle anderen arbeiten. Er sagte zu uns: „Und das seid ihr. Das ist der Charakter dieser Mannschaft. Wir können gar nicht Großes schaffen, weil manche nicht verstehen, dass es nur gemeinsam geht.“

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