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Wirtschaft - 12.07.2019

1600 Banken gibt es in Deutschland – bald sind es vielleicht nur noch 150

Kaum ein Sektor ist derzeit so sehr im Umbruch wie die Finanzbranche. Der Umbau der Deutschen Bank steht dafür exemplarisch. Eine Analyse.

Die Bankbranche in Deutschland erlebt eine Disruption.

Zu einer „globalen Bank“ wolle sie werden, das „Bankwesen weltweit verändern“. Ambitionierte Ziele sind das, die man vor einigen Jahren noch der Deutschen Bank zugetraut hätte. Heute ist es ein Start-up, das so groß denkt. N26, eine Banking-App aus Berlin, ist in dieser Woche in den USA an den Start gegangen. Die Finanzfirma aus Berlin gibt die Expansion ausgerechnet in der Woche bekannt, in der sich Deutschlands größtes Geldinstitut von dem Anspruch verabschiedet, eine globale Investmentbank sein zu wollen. Die Deutsche Bank schrumpft, sie baut 18000 Stellen ab – während N26 wächst und wächst. Das zeigt, wie sehr sich die Finanzwelt verändert.

Kaum ein Sektor ist derzeit so sehr im Umbruch wie die Bankbranche. Besonders stark sieht man das an der Deutschen Bank, die in den letzten Jahren immer wieder versucht hat, sich eine neue Strategie zu geben. Mehrere Vorstandschefs mussten gehen. Jetzt probiert es Christian Sewing mit einer Radikalkur. Das Investmentbanking wird zusammengestrichen, das Geschäft mit deutschen Unternehmen soll wieder in den Fokus rücken. Auch in Deutschland dürften etliche Stellen wegfallen.

Vorstandschef Christian Sewing will die Deutsche Bank umbauen.

Glaubt man Experten, geht es ohne solche großen Umbrüche nicht. Von zu vielen Seiten stehen die Banken unter Druck. Mit der Digitalisierung wickeln die Kunden immer mehr Bankgeschäfte online ab. Gleichzeitig bereiten die niedrigen Zinsen den Banken Probleme. Als wenn das nicht schon genug wäre, kommt auch noch die strenge Regulierung dazu, die das Bankgeschäft bürokratischer macht. Die Beratungsfirma Oliver Wyman glaubt, dass viele Geldhäuser diesen Wandel nicht überleben werden. Von den heute 1600 Banken in Deutschland, schätzt sie, werden in zehn bis 15 Jahren nur noch 150 bis 300 übrig sein.

Deutschland hat bislang noch extrem viele Banken

Was lange für Deutschland ein Vorteil war, wird nun zum Problem: das kleinteilige Bankensystem. Anders als etwa in Frankreich, wo nur wenige große Banken den Markt beherrschen, gibt es in Deutschland traditionell sehr viele, teils kleine Institute. Darunter sind allein 365 Sparkassen und 875 Genossenschaftsbanken. Dadurch ist die Konkurrenz groß. Auch wenn hierzulande die Gebühren für Bankdienstleistungen steigen: Im Ausland zahlen Kunden sehr viel mehr. Entsprechend fällt es Banken dort leichter, Geld zu verdienen.

Überhaupt ist der Abstand zwischen deutschen und ausländischen Instituten seit der Finanzkrise immer größer worden. Während Goldman Sachs und JP Morgan längst wieder hohe Gewinne machen, ist man in Deutschland noch immer mit den Aufräumarbeiten beschäftigt. Auch die Politik hat das erkannt. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat deshalb Anfang des Jahres eine Fusion von Deutscher Bank und Commerzbank ins Spiel gebracht. Deutschland brauche wieder „starke, weltweit agierende Geldinstitute, um unsere Unternehmen zu begleiten“, so sein Wunsch.

Finanzminister Olaf Scholz plädierte für einen Zusammenschluss von Deutscher Bank und Commerzbank.

Inzwischen jedoch ist die Fusion geplatzt und die Deutsche Bank zusammengeschrumpft. Muss sich Scholz also Gedanken machen? Verlieren die deutschen Banken den Anschluss? Nicht unbedingt, meinen Bankenexperten wie Hans-Peter Burghof von der Universität Hohenheim. „Eine große Bank ist nicht automatisch auch stark“, sagt er. „Im Gegenteil. Je größer eine Bank wird, desto komplexer wird es, sie zu managen.“

Die Deutsche Bank musste das auf die harte Tour lernen. Ab Ende der achtziger Jahre stieg sie groß ins Investmentbanking ein, wollte es den US-Häusern gleichtun. Alfred Herrhausen, der Bankchef, sagte damals: „Was wir bewundern und nicht besitzen, ist die angelsächsische Kultur im Geldgeschäft.“ Aus heutiger Sicht war eben das aber der falsche Weg. „Das hat zu Kulturkonflikten in der Bank geführt“, sagt Burghof. Auf der einen Seite standen die deutschen, bodenständigen Bankbeamten, auf der anderen Seite die risikoliebenden Investmentbanker. Wie groß die Gräben bis heute sind, zeigte sich in dieser Woche. Während die einen Mitarbeiter in der New Yorker Niederlassung ihre Kündigung bekamen, ließen sich andere noch während der Arbeitszeit im Büro Maßanzüge anpassen. „Das wäre in Deutschland nicht vorstellbar“, sagt Burghof.

Am Tag der Entlassungen waren noch die Schneider zur Anprobe im Haus.

Über diese kulturellen Differenzen könnte man hinwegsehen, wenn die Zahlen gestimmt hätten. Doch das taten sie schon lange nicht mehr. Statt Geld zu verdienen, hat die Deutsche Bank mit dem Investmentbanking zuletzt Verluste gemacht. Mit den US-Investmentbanken konnte die Deutsche Bank allen Bemühungen zum Trotz nicht mithalten – etwa bei der Finanzierung von Übernahmen und Fusionen großer Konzerne. „Die Deutsche Bank wollte dabei auf globaler Ebene mitspielen“, sagt Volker Brühl vom Center for Financial Studies in Frankfurt am Main. „Bis auf einige Einzelfälle ist ihr das aber nicht gelungen.“ Selbst in den Hochzeiten des Investmentbankings unter Josef Ackermann habe die Deutsche Bank diesen Anspruch nicht einlösen können. „Es ist nur konsequent, sich jetzt auf das europäische Geschäft zu konzentrieren“, meint er.

„Ein Selbstläufer wird der Umbau nicht“

Bleibt die Frage, ob es der neuen, kleineren Deutschen Bank besser ergeht als vorher. „Ein Selbstläufer wird das sicherlich nicht“, sagt Brühl. Sewing will das Geschäft stärker auf die Firmenkunden konzentrieren. Doch dieser Markt ist in Deutschland hart umkämpft. Bei kleineren Firmen steht das Institut in Konkurrenz zu Sparkassen und Volksbanken, die durch die regionale Nähe im Vorteil sind. Um die größeren Mittelständler und Dax-Konzerne buhlen neben der Commerzbank auch andere europäische Banken wie BNP Paribas, Credit Suisse und HSBC. „Haben sich diese Institute anfangs vor allem auf die Dax-Konzerne konzentriert, umwerben sie seit zwei, drei Jahren verstärkt auch deutsche Mittelständler“, sagt Brühl.

Gleichzeitig ist es in diesem Geschäft schwer, Geld zu verdienen. Die starke Konkurrenz und die niedrigen Zinsen drücken die Erträge. Sewing reagiert bislang vor allem, indem er über Entlassungen und mehr digitale Angebote die Kosten senkt. Um langfristig erfolgreich zu sein, reicht das aber nicht. Brühl meint: „Sewing muss eine Antwort auf die Frage finden, wo künftig die Erträge der Bank herkommen sollen.“

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