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Wirtschaft - 13.01.2019

„Auch große Bio-Betriebe sind Bio“

Felix Prinz zu Löwenstein, Ökolandwirt und -lobbyist, über die Sehnsucht nach Bioprodukten und die Schattenseiten des Erfolgs.

„Es ist für Bauern auch wirtschaftlich interessant, auf Öko umzustellen“, sagt Löwenstein.

Herr Löwenstein, Bio boomt, Biolebensmittel gibt es an jeder Ecke. Verdienen sich Ihre Mitgliedsunternehmen eine goldene Nase?

Sagen wir mal so: Es ist für Bauern auch wirtschaftlich interessant, auf ökologischen Landbau umzustellen. Auch für Händler und Lebensmittelverarbeiter gibt es Chancen, die ergriffen werden. Es ist gut, wenn sich ein sinnvoller Umgang mit Ressourcen – und dafür steht Öko – auch rentiert und deshalb umgesetzt wird.

Wo bleibt in der Kette am meisten hängen?

Das kann man so nicht sagen. Man muss in allen Stufen gut wirtschaften. Das Geld regnet nicht vom Himmel.

Wie stark wächst der Umsatz mit Biolebensmitteln in Deutschland?

2017 kauften die Kunden erstmals für mehr als zehn Milliarden Euro Bio-Lebensmittel, um sechs Prozent legte der Umsatz zu. Wir haben noch keine Zahlen für das vergangene Jahr, aber ich rechne mit einer ähnlichen Entwicklung.

Finden Bauern, die Ökolandbau betreiben wollen, in Deutschland noch genug bezahlbare, freie Flächen?

In Regionen mit großen Tierhaltungsanlagen oder Biogasbetreibern werden Pachtpreise aufgerufen, bei denen ein normaler Betrieb nicht mithalten kann – das trifft auf Öko- und konventionelle Betriebe gleichermaßen zu.

Wie groß ist das Interesse, konventioneller Landwirte ihre Produktion auf Bio umzustellen?

Groß. Das gilt für alle Größen und Ausrichtung von Betrieben quer durch Deutschland. Die Nachfrage nach entsprechenden Beratungen ist enorm. Über kurz oder lang stellt sich aber die Frage, ob die Länder in ihren Etats genug Geld haben, um die Umstellungen finanziell zu begleiten.

Wo wird das Geld knapp?

Wir wissen aus mehreren Bundesländern, dass sich die Kassen wegen der großen Umstellungs-Nachfrage leeren. Wenn die Bundesregierung das Ziel, 20 Prozent Ökolandbau bis 2030 zu erreichen, ernst meint, dann muss sie sukzessive stärker in diesen Bereich investieren. Bundesministerin Klöckner muss dafür sorgen, dass das rechtzeitig gemacht wird!

Wie viel Geld gibt es in der Umstellungsphase vom Staat?

Im Ackerbau sind das zwischen 170 und 350 Euro pro Hektar, je nach Region. Andere Fördersätze gibt es für Dauerkulturen wie etwa Wein. Die höheren Beträge gelten für die Umstellungsphase, in der Bauern zwar ökologisch erzeugen, aber zu konventionellen Preisen verkaufen müssen.

Das klingt nach viel Bürokratie.

Landwirte sind daran gewöhnt, mit Förderprogrammen umzugehen. Es gibt ja keinen Bauern, der ohne Förderprogramme arbeitet. Rund 300 Euro je Hektar bekommt jeder, der landwirtschaftliche Flächen bewirtschaftet. Das ist ein erheblicher Teil des Betriebseinkommens.

In der EU steht eine Reform der Agrarförderung an. Ist eine Besserung in Sicht?

Nein. Nach den Signalen, die wir derzeit bekommen, soll das Geld auch in Zukunft zu 80 Prozent nach Fläche verteilt werden – egal, wie diese bewirtschaftet werden. Ministerin Klöckner befürchtet ebenso wie der Bauernverband Einkommenseinbrüche bei den Bauern, wenn sich das ändert. Wir halten das aber für zu kurz gedacht. Mit den Fördermitteln sollten Leistungen der Landwirte für die Natur und die Gesellschaft bezahlt werden, für die sie der Markt nicht ausreichend entlohnt. Nur so können die drängenden Herausforderungen in der Landwirtschaft bewältigt werden!

Was schlagen Sie vor?

Wir sagen: Mindestens 70 Prozent der Steuergelder müssen auch steuern. Und zwar Richtung Natur-, Klima- oder Tierschutz. Denn die Bauern müssen in der Lage sein, ihr Geld mit dem zu verdienen, was die Gesellschaft von ihnen braucht – egal, ob sie ökologisch oder konventionell arbeiten. Die EU-Kommission will es den einzelnen Mitgliedstaaten überlassen, wie sie ihr Geld einsetzen. Das ist falsch: Man muss auf europäischer Ebene klare Ziele formulieren, sonst bekommen wir einen Dumpingwettbewerb, in dem derjenige die Maßstäbe setzt, der am scheinbar billigsten produziert. Aber am Ende kommt eine Produktion, die Ressourcen schädigt, allen teuer zu stehen.

Tut die Bundesregierung zu wenig für den Ökolandbau?

Die jetzige Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag verpflichtet, den Flächenanteil der ökologischen Landwirtschaft bis zum Jahr 2030 auf 20 Prozent zu erhöhen. Das ist ehrgeizig und gut. Allerdings genügt es nicht, was die Politik bisher tut. Das Landwirtschaftsministerium hat sich noch immer nicht klar zu den Reformvorschlägen aus Brüssel zur Agrarförderung geäußert, und die sind jetzt neun Monate alt. Langsam werden wir ungeduldig. Denn die Zeit rennt uns und unseren Kindern und Enkeln davon, für die wir unbedingt eine zukunftsfähige Landwirtschaft brauchen.

Wie hoch ist der Anteil des Ökolandbaus im Moment?

Mehr als jeder zehnte Hof ist ein Bio-Hof. Bezogen auf die Fläche allerdings – und das ist die maßgebliche Zahl – sind es acht Prozent.

Wie zufrieden sind Sie mit Julia Klöckner?

Ich spreche Frau Klöckner nicht den Willen zum Umbau der Landwirtschaft ab. Aber wir sehen bisher nicht, wie das passieren soll. Die Landwirtschaftsministerin muss in diesem Jahr jetzt wirklich liefern – das zeigt das Dürrejahr 2018 ebenso deutlich wie Höfesterben, Artenschwund und der steigende Unmut der Bürgerinnen und Bürger.

In einem Punkt hat sie geliefert, nämlich bei den Dürrehilfen für Bauern. Wie viele Ihrer Betriebe haben Unterstützung beantragt?

Die Probleme haben sich in bestimmten Regionen gehäuft, etwa im Nordosten Deutschlands. Ökobetriebe waren in diesen Gegenden wegen der extremen Trockenheit ab einem bestimmten Zeitpunkt genauso stark betroffen wie konventionelle.

Können Biobauern solche klimatischen Herausforderungen nicht besser bewältigen als Betriebe mit Monokulturen?

Wenn in einem Ruderboot ein guter und ein schlechter Schwimmer unterwegs sind und sie kentern auf hoher See, ertrinken beide. Wenn das Land noch in Sicht ist, kann sich der eine retten.

Was hat das mit der Dürre zu tun?

Wenn es über viele Monate nicht regnet, gehen Bio- wie konventionelle Betriebe in die Knie. Tendenziell ist der Biolandbau aber gegen Phänomene wie Dürre oder Starkregen mit seinen lebendigen, humusreichen Böden und vielfältigen Fruchtfolgen besser gewappnet. Denn solche Böden können das Wasser besser aufnehmen und speichern.

Früher haben Bio-Bauern mit einer Handvoll Schweinen und Hühnern vor sich hin gewirtschaftet haben. Heute gibt es Bio-Geflügelhöfe mit bis zu 30000 Tieren. Ist das nicht Verrat an der Bioidee?

Dahinter steckt die Frage, ob das, was man von Bio erwartet, verloren geht, wenn die Betriebe größer werden. Ich sehe da keinen Automatismus. Was Bio ist, wird auf EU-Ebene durch die Bioverordnung definiert und durch die Richtlinien der Verbände. Auch große Biobetriebe sind Bio. Denn der Platz und der Auslauf, den jedes Tier beim Bio-Bauern bekommt, wächst ja mit der Betriebsgröße mit – die Bio-Tier-Haltung ist flächengebunden. Und auch in einem großen Betrieb fressen die Tiere Bio-Futter, das ohne chemisch-synthetische Pestizide angebaut wurde. Trotzdem kann Größe zur Herausforderung werden. Etwa dann, wenn die Betriebsleiter die Tierbestände nicht mehr im Blick behalten können. Es gibt daher in unseren Verbänden durchaus Diskussionen, wie man die Größe von Tierbeständen begrenzen kann. Oder große Flächen besser strukturiert, damit noch mehr Vielfalt auf den Bio-Acker kommt.

In Supermärkten bekommt man auch Bio-Produkte für kleines Geld. Wie geht das? Und wer garantiert mir, dass Bio-Äpfel aus der Ukraine wirklich bio sind?

Die Bio-Nachfrage wuchs in den letzten 15 Jahren stärker als die heimische Erzeugung, deshalb werden auch Lebensmittel importiert, die die Bauern hier herstellen könnten wie zum Beispiel Kartoffeln. Aber: Alle Bio-Produkte, die nach Deutschland kommen, müssen die EU-Ökoverordnung erfüllen. Das ist gesetzlich festgeschrieben und wird kontrolliert. Trotzdem rate ich sehr dazu, vor allem in Ländern, deren Rechtssystem nicht unserem Standard entspricht, seine Partner zu kennen. So sollte etwa in China jeder Importeur den direkten Kontakt zum Produzenten zu suchen. Grundsätzlich ist es für die Umwelt, unsere Bauern und die Kunden am besten, Bio regional und saisonal zu kaufen. Bei Produkten aus der Region können die Verbraucher nicht nur selbst vor Ort vorbeischauen. Die Vorteile, für die sie bezahlen, genießen die Kunden dann auch direkt vor ihrer Haustür: gute Luft, sauberes Wasser und gesunde Böden.

Felix Prinz zu Löwenstein (64) ist studierter Agrarwirt – und Bauer. Seit dem 24. Lebensjahr arbeitet er in der Landwirtschaft, erst als Verwalter von 150 Kühen auf Gut Walderdorff in der Oberpfalz, seit 1986 kümmert sich Löwenstein um den Familienbetrieb in Habitzheim in Südhessen. Löwenstein, Kritiker der konventionellen Agrarpolitik, leitet seit 2002 zudem den Bund ökologische Landwirtschaft (BÖLW). Der BÖLW ist der Spitzenverband der Biobranche. Er vertritt Bauern, Verarbeiter und Händler unter einem Dach. Bio boomt: 2017 – neue Zahlen gibt es noch nicht – wurden täglich Agrarflächen von mehr als 500 Fußballfeldern auf Bio umgestellt.

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