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Wirtschaft - 21.11.2018

Autofahrer sollen per Kamera überwacht werden

Kameras sollen Fahrverbotszonen automatisch überwachen – Kritiker fürchten um den Datenschutz.

Alle im Blick. Kameras sollen zunächst alle Autofahrer erfassen, ein Datenabgleich filtert dann Verkehrssünder heraus.

Woran erkennt man einen älteren Diesel? In Berlin, wo im kommenden Jahr auf einigen Straßenabschnitten Fahrverbote für Euro 4- und Euro 5- Diesel gelten sollen, könnte das Szenario so aussehen: In der Friedrichstraße, in der Leipziger Straße und in neun weiteren Straßenabschnitten in der Innenstadt werden im Frühjahr 2019 Kameras installiert, die ab dem Frühsommer Diesel-Sünder aufspüren, automatisch und umfassend. Zahlreiche weitere Straßen könnten folgen.

Ins Visier der Kameras gelangen alle Autos, registriert und gespeichert werden sollen nicht nur jeweils das Kennzeichen, sondern auch „das Bild des Fahrzeugs und des Fahrers“. Zur Prüfung, ob ein Fahrverbot missachtet wird und ein Bußgeld anfällt, sollen die Behörden die Daten automatisch mit dem Zentralen Fahrzeugregister abgleichen. Anschließend sind die Daten zu löschen, „spätestens sechs Monate nach ihrer erstmaligen Erhebung“.

So steht es in Paragraf 63c Absatz 1 des Entwurfs der Bundesregierung zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes, das noch vom Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden muss. Gelten würde das neue Gesetz in allen Städten, die gerichtlich verfügte Fahrverbote verhängen müssen – 2019 könnten dies an die 30 sein, Hunderttausende Dieselfahrzeuge wären auf deutschen Straßen betroffen.

Kommunen, Opposition und Verbraucher-Lobby schlagen Alarm. „Wir sehen eine Kameraüberwachung aus Datenschutzgründen kritisch“, sagte ein Sprecher der Berliner Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne). Die Regelung sei „nicht rechtssicher“. Über Kontrollen könne man aber erst entscheiden, wenn klar sei, wo es in Berlin Fahrverbote geben werde – also bis Ende März 2019. Günther favorisiert grundsätzlich eine Blaue Plakette zur Fahrzeugkennzeichnung. Man sehe eine Kontrollpraxis per Kamera „aus datenschutzrechtlicher Sicht derzeit als unverhältnismäßig an“, teilte auch die Stadt Frankfurt am Main mit. Ein Sprecher des Landes-Innenministeriums in Baden-Württemberg, das auch für die Polizei in Stuttgart zuständig ist, sprach ebenfalls von verfassungsrechtlichen Bedenken. In Stuttgart hatte das Verwaltungsgericht ein stufenweises Fahrverbot im gesamten Stadtgebiet erlaubt.


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Verkehrsminister verteidigt Kamera-Überwachung

Der Auto-Club Europa (ACE) sprach von einer „Blauen Plakette durch die Hintertür“. Stefan Heimlich, ACE-Vorsitzender, sagte: „Durch das Festhalten jedes Autos und jedes Fahrers werden alle Autofahrer, die in eine entsprechende Fahrverbotszone einfahren erst einmal unter Generalverdacht gestellt.“ Dies könne der ACE nicht befürworten. „Die blaue Plakette wäre die eindeutig elegantere und datenschutzrechtlich unbedenklichere Lösung gewesen.“ Auch der ADAC warnte, die Bundesregierung müsse „sicherstellen, dass der gewählte Ansatz im Einklang insbesondere mit datenschutzrechtlichen Vorgaben steht“. Die Verbraucherzentralen haben weniger Bauchschmerzen bei der Umsetzung, die nach dem Muster der Lkw-Maut-Kontrolle funktioniere. „Bedenklich finden wir aber, dass eine Infrastruktur installiert würde, um die massenhafte Totalüberwachung des Verkehrs zu ermöglichen“, sagte Marion Jungbluth vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. Kritik kommt ebenso von den Grünen. Die Einhaltung der Verbote müsse zwar „möglichst effektiv kontrolliert werden“, sagte der Abgeordnete Konstantin von Notz. Der Gesetzesvorschlag schieße aber weit übers Ziel hinaus: „Die Installation einer solchen, voll automatisierten Infrastruktur zur Aufdeckung von möglichen Ordnungswidrigkeits-Verstößen ist unverhältnismäßig und auch verfassungsrechtlich äußerst bedenklich.“

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hält die Kamera-Überwachung für datenschutzrechtlich „völlig in Ordnung“. Weil man eine Blaue Plakette ablehne, müssten andere Kontrollen möglich sein. Das Ministerium betonte, die Daten von Fahrern, die mit „sauberen“ Fahrzeugen in Diesel-Verbotszonen einfahren dürften, sollten „unverzüglich“ gelöscht werden. Der Gesetzentwurf sei nur ein Angebot an die Behörden in den Ländern, um Kontrollmöglichkeiten vor Ort zu verbessern. Die Datenerhebung diene nur der Feststellung, ob gegen Fahrverbote verstoßen werde.

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