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Wirtschaft - 06.07.2019

Das Geschäft mit der Pause

Eine Firma beherrscht den Raststätten-Markt an Deutschlands Autobahnen. Darunter leiden Pächter und Kunden.

Pause muss sein. In den 60er Jahren legte sich dieser Mann für ein kurzes Nickerchen einfach an den Straßenrand.

Wo alle anderen schnell weg wollen, will er bleiben. Auch wenn Günther Wagner 71 Jahre alt ist und genug geschuftet hat, hier in der Raststätte Auerswalde Süd nahe Chemnitz. „Meine Arbeit macht mir sehr viel Spaß“, sagt er. Seit zehn Jahren schon, sonst wäre er längst in Rente gegangen. Nicht nur das macht Wagner speziell. Er ist auch einer der ganz wenigen freien Pächter in diesem Land.

Fast alle Raststätten an deutschen Autobahnen haben denselben Besitzer: die Bonner Tank & Rast GmbH. Der Marktanteil des Quasi-Monopolisten liegt bei mindestens 90 Prozent. Ihm gehören 360 Tankstellen und rund 400 Raststätten, zu denen 50 Hotels zählen. 500 Millionen Reisende fahren die Standorte jedes Jahr an und viele von ihnen ärgern sich darüber, wie teuer dort Bockwurst und Cola sind. Kritiker meinen: Hier hat jemand nach der Privatisierung extrem viel Macht bekommen. Und missbraucht sie.


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Hinter der Tank & Rast steckt ein internationales Konsortium

Wer hinter Tank & Rast steckt? In den ersten Jahren wechselten sich verschiedene Private-Equity-Fonds ab. 2015 ging der Raststättenbetreiber für 3,5 Milliarden Euro an den jetzigen Eigentümer, ein internationales Konsortium. Dabei sind unter anderem die Allianz-Versicherung, der Rückversicherer Munich Re sowie Fonds aus Abu Dhabi und China. Nicht alle Raststätten betreibt Tank & Rast selbst. Mindestens 90 werden von Pächtern betrieben – und deren Zahlungen sind wichtige Einnahmequellen für den Konzern.

Die hohen Preise in den Shops würden deswegen auch „nicht von Tank & Rast festgesetzt, sondern von den jeweiligen Franchisepartnern“, sagt ein Sprecher des Unternehmens. Diese wiederum sehen sich durch die hohen Pachten und Gewinnvorgaben zum Teil dazu gezwungen. Zu aktuellen Geschäftszahlen äußert sich T&R nicht – „aus Wettbewerbsgründen“.

„30 Prozent sind bei uns Stammkunden“

Auch bei Günther Wagner müssen die Kunden tiefer in die Tasche greifen als anderswo abseits der Autobahn. Die Pacht sei hoch, die Energiepreise gestiegen. Zudem zahle er seinen Mitarbeitern mehr als den Mindestlohn und er setze auf Qualität. Die Raststätte wird nur von regionalen Unternehmen beliefert, vom Sandwich bis zur Roulade ist bei ihm alles hausgemacht. Wagners Kunden würden dies schätzen: „30 Prozent sind bei uns Stammkunden.“ Keinen „Einheitsbrei“ wie bei Tank & Rast will er. Ach, und der Toilettengang sei kostenfrei.

Der Marktführer hingegen hat mit der Tochterfirma Sanifair ein eigenes Toilettenkonzept integriert. Wer die Anlage benutzen will, zahlt 70 Cent und bekommt einen Bon über 50 Cent, den der Kunde im Geschäft als Gutschein nutzen kann. Inzwischen haben sich die Bons zu einer Art Währung entwickelt. Auf Ebay werden sie gehandelt, Verarmte suchen in Mülleimern danach. Das neueste Geschäftsmodell von Tank & Rast sind derzeit die E-Ladestationen. Der Konzern verfolgt das Ziel, das größte zusammenhängende Netz von Schnellladesäulen an deutschen Autobahnen anzubieten. Aktuell gibt es laut dem Sprecher 360 Stationen an mehr als 320 Standorten.

Linke: Ein Fall für das Kartellamt

Weil es abseits der Autobahnen noch 190 Autohöfe gibt, sieht das Bundeskartellamt keinen Grund, im Raststättenmarkt ein Problem zu sehen. Die Linke kann das nicht glauben. „Der Wert von Tank & Rast hat sich seit der Privatisierung ungefähr versiebenfacht. Die De-facto-Monopolstellung für Sprit und Verpflegung an Autobahnen ermöglicht den Finanzinvestoren offenbar hohe Gewinne auf Kosten der Reisenden“, sagt der Abgeordnete Victor Perli. Es sei ihm ein Rätsel, warum diese „unglaubliche Marktkonzentration“ nicht überprüft werde.

Im vergangenen Jahr hatte Perli eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gestellt und den Vorwurf erhoben: Der Bund subventioniert das Monopol von Tank & Rast sogar. Laut der Regierungsantwort zahlt der Konzern seit jeher rund 16 Millionen Euro jährlich an den Staat– bei ständig steigenden Preisen und einem Gewinn von 160 Millionen Euro. Diese Konzessionsabgabe decke bei Weitem nicht die Ausgaben für den Bau und die Erhaltung von Rast- und Parkplätzen, weswegen der Bund im Schnitt 100 Millionen Euro pro Jahr dafür ausgibt. Daraus schlussfolgert Perli: Die Abzocke an den Raststätten werde so auch noch indirekt vom Steuerzahler unterstützt. Ein Skandal, findet der Abgeordnete.

80 Kilometer nördlich von Berlin, an der Raststätte Walsleben West an der A24, steht am bislang heißesten Tag des Jahres schließlich Patrick und schwitzt. Morgens ist er in Stralsund gestartet, will per Anhalter bis nach Erfurt, doch es läuft nicht. „Mein Vater ist früher überallhin getrampt“, sagt Patrick. Angeblich habe das immer problemlos funktioniert. Jetzt fährt ein Auto nach dem anderen an Patrick vorbei. Auch er findet: An Deutschlands Autobahnraststätten hat sich in den vergangenen Jahren einiges verändert.

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