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Wirtschaft - 21.06.2019

„Das war das verrückteste Jahr in meinem Leben“

Die Blase der Kryptowährungen wie Bitcoin ist geplatzt. Wie gehen Anhänger, Investoren und Entwickler nun damit um?

„Viel Manipulation im Spiel“ – Der Bitcoin ist in einem Jahr von 20 000 auf fast 3000 Dollar abgestürzt.

Jemand wie Robert Küfner lässt sich auch vom großen Crash nicht beirren. Am Finger trägt er einen goldenen Ring mit dem Bitcoin-Symbol, auf dem Kopf eine Wollmütze mit dem Schriftzug „Hodl“. Es ist ein Slangbegriff der Bitcoinjünger, entstanden aus einem Tippfehler, bedeutet er „festhalten“ und die Digitalwährung nicht zu verkaufen, möge der Kurs auch noch so abstürzen. Und nach dem riesigen Hype um Kryptowährungen geht es seit Monaten abwärts. Vor gut einem Jahr war ein Bitcoin plötzlich 20 000 Dollar wert, jetzt steuert er auf 3000 Dollar zu. Der US-Starökonom Nouriel Roubini hat das Digitalgeld als „größte Blase der Menschheitsgeschichte“ bezeichnet. Nun ist sie geplatzt.

„Es gab da eine Menge Marktmanipulation“, sagt Küfner, der die Szene seit Jahren kennt. Gerade hat er ein Buch über die zehnjährige Geschichte des Bitcoin geschrieben. Mit seiner Kreuzberger Firma Nakamo.to hat er selbst lange mit Digitalgeld spekuliert und wurde zum Multimillionär. „Das war das verrückteste Jahr in meinem Leben“, sagt der 30-Jährige. Zwar gab es auch früher extreme Kursschwankungen, die prozentual teilweise sogar noch höher waren. Doch durch den Einstieg der so genannten „Hausfrauentrader“, Leute die von der Technologie nichts verstanden, aber am Boom mitverdienen wollten, wurden auf einmal Milliarden reales Geld in den Markt gepumpt. Solche Investoren haben so auch echte Verluste erlitten, während Leute wie Küfner, deren Kryptowährungen plötzlich ein Vermögen wert waren, Gewinne und Verluste vor allem virtuell am Bildschirm erlebten.


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Langer „Kryptowinter“ erwartet

Dass die Kurse bald wieder deutlich steigen, glaubt er nicht. „Ich kann mir vorstellen, dass wir lange im Kryptowinter bleiben“, sagt Küfner. Und trotzdem glaubt er langfristig weiter an die Idee einer dezentralen, digitalen Währung. Vor allem aber an die Technologie dahinter. Die Blockchain, jene dezentrale Datenbank die auf dem Rechnernetz aller Nutzer verteilt ist und Informationen unveränderlich und für jeden überprüfbar speichert. „Wir stehen da noch ganz am Anfang, die Welle der Dezentralisierung beginnt gerade erst“, sagt Küfner. Der Bitcoin sei nur das erste Anwendungsbeispiel einer Blockchain gewesen, so wie einst die E-Mail für das Internet. Was alles damit möglich sei, könne man sich kaum vorstellen.

Bitcoin-Experte Robert Küfner: „Das war das verrückteste Jahr in meinem Leben“

Bei vielen genießt die Blockchain den Ruf eines universellen Lösungsmittels für diverse Probleme dieser Welt. Selbst in der Politik, wo die Alternativwährungen mit großer Skepsis betrachtet werden, gibt es zahlreiche Blockchain-Fans. Das Bundeswirtschaftsministerium brachte sie kürzlich als Mittel gegen Steuerbetrug ins Gespräch. „Damit könnte man sicherstellen, dass zu jedem Zeitpunkt sicher nachvollziehbar ist, wer Eigentümer einer Aktie ist“, sagte Staatssekretär Christian Hirte. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge untersucht gerade, ob man Asylverfahren behördenübergreifend mit der Blockchain-Technologie besser durchführen kann. Dabei wird jeweils der aktuelle Status gespeichert, andere Behörden können sofort nachvollziehen, ob es beispielsweise positive oder negative Bescheide gibt. Derzeit wird ein Pilotprojekt mit der Ausländerbehörde und dem Anker-Zentrum Dresden entwickelt.

Einer der größten Blockchain-Tests in der Wirtschaft

In der Wirtschaft wird auch viel mit der Blockchain experimentiert, es gibt zahlreiche Überlegungen und Pilotprojekte in vielen Branchen. Eines der größten wurde gerade abgeschlossen: 36 Teilnehmer aus Handel, Industrie und Logistik haben dabei eine digitale Lösung für die Dokumentation des Tauschs von Europaletten getestet. Mehr als 500 Millionen der hölzernen Ladungsträger sind in Europa im Umlauf. Hersteller, Lieferanten und Händler tauschen sie ständig untereinander. Da auf jeder Palette ein Pfand von etwa 30 Euro liegt, wird der Tausch, mit Palettenscheinen dokumentiert. Unternehmen wie Dr. Oetker, Henkel, Lekkerland oder dm haben daher eine digitale Lösung entwickelt und zwei Wochen lang bundesweit an 20 Standorten getestet. „Der Palettenschein lässt sich mit Blockchain digitalisieren und in einer App abbilden“, sagt Christian Grotowsky, Manager der Lekkerland IT-Tochter. „Der Tauschprozess wird an mehreren Stellen effizienter.“

Auch Küfner setzt inzwischen auf solche Szenarien. Mit seinen Unternehmen Nakamo.to und Advanced Blockchain AG hilft er Unternehmen dabei, die Technologie zu implementieren oder Prototypen zu entwickeln. Ein konkretes Beispiel sind Kilometerzähler im Auto. Küfner kennt genug Leute, die sich direkt auf den Bordcomputer schalten und dann jede beliebige Nummer eingeben können. „Meine Kinder werden den Begriff Tachostandsmanipulation nicht mehr kennen“, sagt Küfner. Denn künftig werde die Laufleistung von Autos unveränderlich und für alle Zeit nachvollziehbar in Blockchains gespeichert.

„Blockchains funktionieren nicht“

Dabei mag er den Begriff Blockchain nicht und vermeidet ihn wo es geht. „Blockchains funktionieren in der jetzigen Form nicht für den Massenmarkt“, sagt Küfner. Es gibt nämlich ein Skalierungsproblem: Die am meisten verbreitete Blockchain Ethereum ist schnell überlastet und könnte für viele Anwendungen nicht genug Transaktionen gleichzeitig verarbeiten. Noch bevor sie angefangen habe, in großem Stil zum Einsatz zukommen, ist die Blockchaintechnik nach Ansicht Küfners schon überholt. Er spricht daher lieber von „distributed ledger“, übersetzt etwa: verteiltes Kassenbuch. Es ist ein Dachbegriff für die Idee der dezentralen Datenbanknetzwerke.

Küfner und seine Mitstreiter tüfteln nun an einer Variante mit dem Kürzel DAG (Directed Acyclical Graph). Die Unterschiede zu erklären, würde zu weit führen. Doch es ähnelt einem anderen Projekt, das auch aus Berlin entwickelt wird: IOTA. Prominente Partner aus der deutschen Industrie wie Bosch oder Innogy wollen damit experimentieren, etwa um Kommunikation oder Transaktionen zwischen Maschinen abzuwickeln. Kritiker sagen jedoch, IOTA sei nicht sicher, da das Netzwerk nicht wirklich dezentral sei. Küfner will bei seiner Variante eine Lösung für dieses Problem finden. Ob es gelingt, muss sich noch zeigen.

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