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Wirtschaft - 19.02.2019

Der Kohlekompromiss steht auf der Kippe

Die Konflikte um den Kohleausstieg schienen gelöst zu sein. Nun gibt es Streit, welche Kraftwerksblöcke zuerst abgeschaltet werden. Und wo.

Braunkohlekraftwerk Neurath des Energiekonzerns RWE

Umweltverbände pochen auf schnelle Kraftwerksabschaltungen und drohen, andernfalls den Kohlekompromiss nicht weiter zu unterstützen. Die Bundesregierung und die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen sollen sich so schnell wie möglich mit RWE darauf einigen, drei Gigawatt der ältesten RWE-Braunkohleblöcke vom Netz zu nehmen. Das forderten die Chefs von Greenpeace, BUND und Deutschem Naturschutzring am Montag. Die drei Organisationen waren auch in der Kohlekommission vertreten. Am Mittwoch will NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU) Regierungserklärung eine Regierungserklärung zum Kohleausstieg abgeben – es wird erwartet, dass er sich dabei auch zu den Abschaltplänen äußert.

Strittig ist, ob wirklich alle bis 2022 abzuschaltenden Kraftwerksblöcke im Bereich des Rheinischen Reviers vom Netz gehen sollen. Schriftlich fixiert ist das im Abschlussbericht der Kohle-Kommission nicht. Die Entstehungsgeschichte soll folgende sein: In der entscheidenden letzten Verhandlungsnacht der Kohlekommission war der Stand der, dass RWE zusätzlich zur sogenannten Referenzentwicklung die Abschaltung von 2,4 Gigawatt angeboten hatte, heißt es aus Teilnehmerkreisen. Es müssten aber 600 Megawatt mehr sein, um die sieben Dörfer um den Tagebau Garzweiler und den Hambacher Forst zu retten. Dann könnte RWE auch einen der beiden Tagesbaue Garzweiler oder Hambach ganz schließen oder beide verkleinern. In dieser Situation habe NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) dann die insgesamt drei Gigawatt zugesagt.

NRW und RWE wollen nicht die ganze Last tragen

Für die Umweltverbände sei diese Zusage der Grund gewesen, die bittere Pille eines späten Kohleausstiegs erst im Jahr 2038 zu schlucken, hieß es sinngemäß bei der Veranstaltung der Umweltverbände in Berlin. „Es kann nicht sein, dass NRW einen Rückzieher macht“, betonte Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser und forderte eine Intervention von Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

Doch auf Nachfrage sagte ein Sprecher von RWE, das die rheinischen Anlagen betreibt: „Dass die NGO heute den Eindruck erwecken, dass RWE bis 2023 die gesamte Last im Bereich Braunkohle alleine schultern soll, ist durch den Kommissionsbericht nicht gedeckt und deshalb sehr verwunderlich. Denn dort ist keine Unterscheidung nach Regionen getroffen worden. Wir hatten schon mehrfach darauf hingewiesen, dass die genannten Stilllegungen von Braunkohlekapazitäten aus unserer Sicht nicht ausschließlich im Rheinischen Revier erbracht werden können.“


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Auch Pinkwart hatte bereits am vergangenen Donnerstag mitgeteilt, dass NRW die Last nicht allein schultern könne. Der schwarze Peter läge damit bei den Ost-Ländern, die aber in der Kohle-Kommission sehr deutlich gemacht hatten, dass sie nach den industriellen Verwerfungen seit der Wendezeit nicht die ersten sein könnten, die Braunkohlekraftwerke abschalten. Es rächt sich, dass die Kohle-Kommission erst spät und dann unpräzise die abzuschaltenden Kapazitäten festgelegt hat.

Entschädigungen müssen noch verhandelt werden

Im Hintergrund des Streits könnte aber auch die ebenfalls noch zu klärende Frage der finanziellen Kompensation für die Eigentümer der Anlagen stehen. Denn mit den Kraftwerksbetreibern wird es noch Verhandlungen über Entschädigungen für die Abschaltungen geben. 600 Millionen Euro pro Gigawatt war eine Größenordnung, die zunächst die Runde machte. So viel sind es bei der Sicherheitsbereitschaft für eingemottete Kraftwerke. Doch inzwischen steigen die Preise. Pro Gigawatt abgeschalteter Kraftwerksleistung erwarte man Kosten von rund 1,2 Milliarden Euro, sagte eine RWE-Unternehmenssprecherin, und zwar, weil nun auch Tagebaue in Gänze betroffen seien.

Die Umweltverbände jedenfalls wollen sich mit weniger als drei Gigawatt Abschaltungen nicht zufriedengeben. „Der Minimalkompromiss würde nicht mehr gelten“, sagte Kaiser. Damit wäre der mühsam errungene Kompromiss trotz getroffener Abschlussempfehlung politisch betrachtet hinfällig. Mehr, als den Protest auf die Straße zu tragen, würde den Umweltverbänden dann aber nicht bleiben.

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