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Wirtschaft - 08.01.2019

Deutschlands Flughäfen versinken im Chaos

Mit Sicherheit ins Chaos: An Flughäfen im ganzen Land häufen sich Pannen beim Check-In und der Gepäckausgabe. Ein Grund ist der Kostendruck.

Massenphänomen. Sicherheitspannen betreffen schnell Tausende Passagiere – wie hier am Dienstag in Frankfurt.

Am 28. Juli München, vergangenen Dienstag Frankfurt am Main, Mittwoch dann Bremen: Dreimal binnen 14 Tagen haben Pannen bei den Sicherheitskontrollen Flughäfen in Deutschland über Stunden lahmgelegt. In mindestens zwei Fällen war ein Fehlverhalten von Mitarbeitern die Ursache. Zehntausende nicht beförderte Passagiere und Schäden in Millionenhöhe veranlassen die Luftverkehrsbranche, nach einer effektiveren Gestaltung der Kontrollen zu rufen.

In München war eine Frau unkontrolliert in den Sicherheitsbereich gelangt, weil sich die Mitarbeiter der landeseigenen Sicherheitsgesellschaft gerade unterhielten. Als man den Vorfall bemerkte wurden das Terminal 2 und das benachbarte Satellitenterminal für fünf Stunden geräumt und durchsucht. Während die Reisende längst mit ihrem Flugzeug gestartet war, mussten 330 Flüge gestrichen werden. Es dauerte Tage, bis sich der Betrieb wieder normalisiert hatte.

In Frankfurt konnte „durch ein individuelles Fehlverhalten einer Luftsicherheitsassistentin der Fraport AG“ eine französische Familie ohne Nachkontrolle die Schleuse passieren, obwohl ein Sprengstoffdetektor angeschlagen hatte. Hier dauerte die Räumung zweier Flugsteige zweieinhalb Stunden, rund 80 Flüge wurden annulliert. In Bremen wurde das Terminal geräumt, nachdem die Alarmanlage einer Tür zum Sicherheitsbereich ausgelöst wurde. Zwei Flüge fielen aus, sieben waren verspätet.

40 000 Passagiere allein bei Lufthansa betroffen

Fast 40 000 Passagiere waren in München und Frankfurt allein bei der Lufthansa-Gruppe betroffen. Zu den entstandenen Kosten könne man noch nichts sagen, sagt Unternehmenssprecher Wolfgang Weber. Münchens Flughafenchef Michael Kerkloh hatte zuvor von einem einstelligen Millionenbetrag gesprochen. Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), Klaus-Dieter Scheurle, sagt, dass die „Häufung“ von Vorfällen die Forderung der Branche nach einer Abgabe der Kontrollen in die Verantwortung der Flughäfen unterstreicht.


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Bei deutschlandweit rund 220 Millionen kontrollierten Passagieren pro Jahr sei bei drei Vorfällen „kaum von einer Häufung zu sprechen“, meint dagegen Silke Wollmann, Sprecherin des Bundesverbandes der Luftsicherheitsunternehmen (BDLS). Grundsätzlich sei jeder einzelne Fall detailliert zu überprüfen und bestmöglich zur Verbesserung der Kontroll- und Organisationsvorgänge heranzuziehen.

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Die Rahmenbedingungen der Kontrollen gibt die Bundespolizei vor, die dann private Sicherheitsunternehmen mit der Durchführung beauftragt. Deren Mitarbeiter müssen eine Schulung zum Luftsicherheitsassistenten absolvieren. Die Ausschreibung erfolgt individuell für jeden einzelnen Flughafen jeweils für mehrere Jahre. Vertraglich vorgegeben wird nur eine Zahl von zu erbringenden Kontrollstunden sowie die Mindestbesetzung pro Kontrollstelle. Dem jeweiligen Dienstleister obliegt es, den Personaleinsatz entsprechend zu planen.

Das scheint angesichts des Konkurrenzkampfes und des damit verbundenen Kostendrucks nicht immer zu funktionieren. Häufig stauen sich die Passagiere in schier endlosen Warteschlangen, während selbst zu Spitzenzeiten nur ein Teil der vorhandenen Kontrollstellen besetzt ist. Reisende, die nicht frühzeitig zum Airport kommen, laufen Gefahr, ihren Flug zu verpassen. So hat der Düsseldorfer Flughafenchef Thomas Schnalke wiederholt die unzureichende Personalausstattung durch die dort beauftragte Sicherheitsfirma bemängelt, die bereits von der Bundespolizei abgemahnt wurde.

Nirgendwo sind die Kontrollen so teuer und ineffektiv wie in Deutschland

Nirgendwo sind die Kontrollen so teuer und ineffektiv wie in Deutschland, bemängelt BDL-Präsident Scheurle. Hier müssen sie komplett von den Airlines getragen werden, die 2017 dafür rund 693 Millionen Euro zahlten, mit steigender Tendenz. In anderen Ländern gilt die Gewährleistung der Flugsicherheit als staatliche Aufgabe. „Besonders unbefriedigend ist, dass die Sicherheitskontrollen nicht in der Verantwortung der Flughäfen liegen“, bemängelt auch Ralph Beisel, Hauptgeschäftsführer des Flughafenverbandes ADV. Die privaten Dienstleister müssen stärker zu Qualität und Service verpflichtet werden, fordert die ADV. Die großen deutschen Flughäfen würden bereitstehen, die Verantwortung für die Auswahl und operative Steuerung der privaten Dienstleister von der Bundespolizei zu übernehmen. Silke Wollmann vom Verband der Sicherheitsunternehmen verweist auf entsprechende Pläne im Koalitionsvertrag im Bund.

Mitunter werden die Nerven der Fluggäste auch nach der Landung strapaziert. Denn auch bei den Bodenverkehrsdienstleistern herrscht hoher Kostendruck. Am Mittwochabend war der Dienstleister Aeroground in Berlin-Tegel offenbar wieder massiv überfordert. Fluggäste von der griechischen Insel Kos, aus dem spanischen Girona und von der Kanaren-Insel Teneriffa mussten Stunden auf ihr Gepäck warten. „Es gibt Randale, schreiende Kinder und die Polizei ist auch schon da“, berichtete die Reisende Luisa Laube.

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