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Wirtschaft - 09.07.2019

„Die halbe Etage ist schon weg“

„Wir haben keine andere Wahl“, sagt Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing. 18.000 Stellen fallen bis 2022 weg. Wer bleibt, bekommt weiterhin Boni.

Ein Mann trägt eine Box aus der Deutschen Bank in London.

Bereits am Montag mussten die ersten Mitarbeiter bei der Deutschen Bank ihre Sachen packen. „Die halbe Etage ist weg und die anderen warten nur darauf, dass sie einbestellt werden“, sagte ein Aktienhändler in Hongkong. Er sei zusammen mit anderen gekündigten Kollegen direkt aus dem Gebäude geführt worden. Neben Asien wurden auch in London und New York bereits Mitarbeiter entlassen. Ihre Verträge sind so gestaltet, dass sie zwar gut verdienen, dafür aber auch von einem auf den anderen Tag gekündigt werden können.

Am Wochenende hatte die Bank den Abbau von 18.000 Vollzeitstellen bis 2022 angekündigt. „In den Geschäftsbereichen, in denen wir uns zurückziehen, haben wir mit dem Prozess heute morgen begonnen“, sagt Vorstandschef Christian Sewing am Montag in einer Telefonkonkurrenz. Wo konkret wie viele Jobs wegfallen, ließ er aber auch am Montag weiter offen. „Wir werden dies heute nicht mit Details für einzelne Regionen bekanntgeben. Wir sprechen zuerst mit unseren Beschäftigten.“


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Einschnitte so verantwortungsbewusst wie möglich umsetzen

Damit bleibt unklar, wie viele Jobs in Deutschland wegfallen und ob hierzulande weitere Filialen geschlossen werden. Konzernbetriebsratschef Frank Schulze schätzte gegenüber der ARD, dass bundesweit 6000 bis 10000 Stellen abgebaut werden könnten. In Deutschland beschäftigt die Deutsche Bank aktuell 41.700 Menschen (in Vollzeitstellen gerechnet) und betreibt 1409 Niederlassungen und Filialen. Unklar bleibt weiterhin, ob die Bank auf betriebsbedingte Kündigungen verzichten wird.

Auch in einer Nachricht an die Beschäftigten geht Sewing nicht auf Details ein. Er bedauere die harten Einschnitte. „Im Sinne unserer Bank haben wir aber keine andere Wahl. Meine Kollegen und ich wissen, dass dahinter Menschen und Schicksale stehen. Auch deshalb werden wir alles dafür tun, die Einschnitte so verantwortungsbewusst wie möglich umsetzen.“ In einem nächsten Schritte würden die Pläne den Arbeitnehmervertretern vorgestellt und mit diesen beraten.

Frank Bsirske, Chef der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und Mitglied des Deutsche Bank-Aufsichtsrat, erwartet, dass Stellen vor allem im Investmentbanking wegfallen. Ob der Abbau auch Auswirkungen Deutschland habe „können wir im Moment nicht beziffern“. Verdi werde den Prozess aber im Sinne der Beschäftigten begleiten. „Wir haben die klare Erwartung, dass die Deutsche Bank bei ihrer Neuaufstellung wie bisher auf betriebsbedingte Kündigungen verzichtet und der Personalabbau der Beschäftigten sozialverträglich erfolgt.“

Wenig Begeisterung an der Börse

Während die Aktionäre für 2019 und 2020 auf eine Dividende verzichten müssen, weil die Bank im laufenden Jahr wieder roten Zahlen schreiben wird, sollen nach wie vor Boni ausgeschüttet werden. „Wir werden unsere Beschäftigten leistungsgerecht vergüten“, sagt Sewing. Für 2018 hatte die Bank bei einem Gewinn von 341 Millionen Euro knapp zwei Milliarden Euro an Boni gezahlt, während den Aktionären insgesamt nur rund 230 Millionen Euro zugestanden wurde. Dies war auf Hauptversammlung im Mai von Aktionärsvertretern heftig kritisiert worden. Sewing verspricht jetzt, dass den Anteilseignern ab 2022 über Aktienrückkäufe und Dividenden insgesamt fünf Milliarden Euro zufließen würden. Ob der neunköpfige Vorstand selbst zu Einschränkungen bereit ist und in den nächsten beiden Jahren auf Teile des Bonus verzichtet, ließ Sewing offen. 2018 hatten sich die Bezüge des Top-Managements auf knapp 56 Millionen Euro nahezu verdoppelt.

Analysten begrüßen zwar den radikalen Umbau der Bank. Es sei die richtige Medizin, sie hätte aber ein paar Jahre früher genommen werden müssen. Auch Ingo Speich vom Fondshaus Deka äußerte sich kritisch: „Kleiner werden und zugleich die Erträge steigern – das wird schwierig. Alles in allem ist es eine Hochrisiko-Strategie.“ Auch an der Börse war von Begeisterung wenig zu spüren. Zwar stieg der Kurs der Deutsche Bank-Aktie am Montag zunächst um rund 3,5 Prozent, rutschte am Nachmittag aber wieder deutlich ab. Eine Aktie des Konzerns kostete so erneut weniger als sieben  Euro.

Sewing selbst zeigt sich gleichwohl mehr als überzeugt, dass jetzt endlich der Umschwung eingeleitet worden sei. Er räumt ein, dass die Strategie der Bank falsch war. „Wir haben versucht überall mitzumischen und überall gleichzeitig. Das hat uns überfordert.“ Deshalb kappt das Institut unter anderem das Investmentbanking und verabschiedet sich aus dem Aktienhandel für große, institutionelle Unternehmen wie Versicherungen und Pensionskassen. Privatkunden freilich können weiter über die Deutsche Bank Aktien handeln. Obwohl der Umbau bis 2022 rund 7,4 Milliarden Euro kosten wird, will die Deutsche Bank dann bei Erträgen von rund 25 Milliarden Euro einen Vorsteuer-Gewinn von mindestens sechs Milliarden Euro verbuchen. mit rtr

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