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Wirtschaft - 05.12.2018

Die neue Xbox ist eine verspielte Chance

Microsofts neue Spielekonsole Xbox One X kommt ab Dienstag auch in Deutschland in den Handel. Sie protzt zwar mit Leistung, noch fehlen aber die passenden Spiele.

Hingucker. Die neue Xbox setzt auf Grafik, Inhalte fehlen noch. Foto: Thomas Samson/AFP

„Leistungsstärkste Konsole der Welt“: Mit diesem Attribut lässt sich zweifellos gut werben. Die Xbox One X, die heute in die Läden kommt, beansprucht genau das für sich. Hersteller Microsoft spricht von „40 Prozent mehr Leistung“ als bei jeder anderen Konsole. Der Konzern greift damit vor allem den Konkurrenten Sony an. Der hat bislang weltweit rund 60 Millionen Exemplare der Playstation 4 verkauft und dominiert damit den Markt. Microsoft liegt mit seinem Standardmodell Xbox One deutlich im Hintertreffen, bei schätzungsweise 30 Millionen verkauften Exemplaren. Und bekommt gerade zusätzlichen Druck von Nintendo, dessen Touchscreen-Konsole Switch sich blendend verkauft.

Um aufzuholen, setzt Microsoft auf geballte Rechenkraft. Vor gut einem Jahr brachte Sony sein Spitzenmodell Playstation 4 Pro auf den Markt, das als erste Konsole das Spielen in 4K-Auflösung ermöglichte. Die Xbox One X schlägt Sonys Flaggschiff nun bei den wichtigsten Eckdaten: Der Prozessor ist schneller (2,3 Gigahertz), die Konsole hat mehr Arbeitsspeicher (12 Gigabyte), und auch die Grafikeinheit rechnet flinker (6 Teraflops). Allerdings kostet die Xbox One X auch rund 100 Euro mehr als die Playstation 4 Pro, nämlich knapp 500 Euro. Das wirft die Frage auf, welche Faktoren eigentlich über den Erfolg oder Misserfolg einer Spielkonsole entscheiden.

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Die Grafikleistung ist enorm

Das Hauptverkaufsargument der Xbox One X ist ihre enorme Grafikleistung. Die reguläre Xbox One liefert eine Auflösung von 1080p (Full HD), die „große Schwester“ nun eine von 4K (Ultra HD). Um Bilder in dieser Auflösung darzustellen, benötigt man allerdings einen entsprechenden Fernseher oder Monitor. Und UHD-Fernseher mit acht Millionen Bildpunkten erobern gerade erst den TV-Markt. Was mit dem Preis zusammenhängt, aber auch mit den fehlenden TV-Inhalten. Außerdem streiten Experten darüber, wie stark Zuschauer überhaupt von 4K profitieren: Bleiben sie beim gewohnt großen Sitzabstand, dann bemerken sie womöglich gar keinen großen Unterschied. Laut Stiftung Warentest ist bei 4K-Fernsehern die optimale Sehentfernung das Anderthalbfache der Bildhöhe. Was dann auch fürs Konsolenspielen gilt. Mit anderen Worten: Wer 4K erleben möchte, muss unter Umständen Wohnzimmermöbel verrücken.

Vorstellung der Xbox One X auf der Games-Konferenz E3 in Los Angeles am 11. Juni 2017. Phil Spencer, Microsofts Leiter der Sparte…

Wer sich die Mühe macht, wird von Microsoft belohnt: Im Test liefert die Xbox One X auf einem aktuellen Samsung-55Q8C-Fernseher brillante Bilder; so schön sahen Konsolenspiele noch selten aus. Microsoft verspricht, dass immer mehr Spiele für die Hochleistungskonsole aufpoliert werden. Die erhalten dann das Logo „Xbox One X Enhanced“ und werden per Gratis-Update auf 4K getrimmt. Besitzer von Spielen wie Fifa 18 oder Quantum Break müssen also nichts draufzahlen. Zum Start sind aber nur wenige Spiele „enhanced“, zum Beispiel die Shooter Gears of War 4 und Halo 5 oder das Pixar-Abenteuer Rush. Viele weitere Spiele sollen in den kommenden Wochen und Monaten folgen.

Es fehlt an attraktiven Spielen

Dass Halo 5: Guardians bereits aufgehübscht wurde, lässt sich leicht nachvollziehen: Das Spiel zählt zu den wenigen erstklassigen Exklusivtiteln der Xbox One. Auch Forza und Gears of War sind starke Serien, die allerdings mit Sony-Titeln wie Uncharted, The Last of Us oder Horizon: Zero Dawn erdrückend starke Gegner haben. Ein Ausrufezeichen wäre es gewesen, hätte Microsoft zum Start der neuen Konsole auch gleich neue Spiele herausgebracht. Doch neue Exklusivtitel wie State of Decay 2 oder Crackdown 3 erscheinen erst im kommenden Jahr.

Auch Dritthersteller wie Ubisoft oder Warner polieren ihre Titel für die Xbox One X auf, zum Beispiel Assassin’s Creed: Origins oder Mittelerde: Schatten des Krieges. Doch diese Spiele gab es für die PS4 Pro schon vorher – vielleicht nicht ganz in dieser grafischen Brillanz, aber doch in hoher Auflösung. Das relativiert den Vorteil der neuen Xbox One wieder ein bisschen.

500 Euro sind vielen Konsolenspielern einfach zu teuer

„Software verkauft Hardware“ ist eine alte Weisheit der Spielebranche. Mindestens ebenso wichtig ist aber auch der Preis, der für die Konsole aufgerufen wird. Zwar bietet die 500-Euro-Konsole Xbox One X eine Leistung, an die Spiele-PCs in dieser Preisklasse nicht annähernd heranreichen. Dennoch liegt das deutlich über dem Betrag, den viele Konsolenspieler zu zahlen bereit sind. Besonders, wenn man die Preise anderer Konsolen berücksichtigt: Die reguläre Xbox One gibt es ab 200 Euro, die PS4 ab 230 Euro, die Switch ab 310 Euro und die PS4 Pro ab 400 Euro. Und wer die hochauflösende Grafik genießen will, muss womöglich auch noch Geld für den Bildschirm einplanen. Ein zusätzliches Kaufargument wäre die Unterstützung von VR-Brillen gewesen, doch da lässt sich der Hersteller offenbar Zeit.

Der deutsche Markt ist groß und für die Hersteller immens wichtig. Branchenkenner schätzen, dass hierzulande bereits mehr als sechs Millionen PS4 verkauft wurden, aber nur rund eine Million Xbox One. Dass Microsoft den Rückstand in dieser Konsolengeneration aufholen kann, ist mehr als fraglich – auch weil die Zielgruppe der neuen Xbox One X recht überschaubar ist: 500 Euro sind eine Menge Geld und 4K-Fernseher noch kein Mainstream. Die meisten Konsumenten werden im Weihnachtsgeschäft deshalb eher zu den günstigeren Konsolen greifen.

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