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Wirtschaft - 11.05.2019

„Die Zölle sind Taktik“

Trotz neuer US-Strafzölle gegen China hält Gabriel Felbermayr, Chef des Instituts für Weltwirtschaft, eine Einigung im Handelsstreit für möglich. Ein Interview.

China exportiert jährlich Waren im Wert von von 120 Milliarden Dollar in die USA.

Herr Felbermayr, die Amerikaner haben ihre Drohung wahr gemacht und weitere Produkte aus China mit Zöllen belegt. Überrascht Sie das?

Ja, durchaus. Als Donald Trump die Zölle am Sonntag angedroht hat, habe ich das noch für einen Bluff gehalten. Schließlich sah es bis dahin danach aus, als wenn China und die USA sich im Handelsstreit bald einigen würden.


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Rückt die Einigung nun in weite Ferne?

Die Einführung neuer Zölle war vor allem ein taktischer Schachzug. Trump zeigt damit, dass seine Drohungen glaubwürdig sind. Sowohl die USA als auch China dürften ein Interesse daran haben, den Handelskonflikt zu deeskalieren. Noch ist eine Einigung möglich.

Warum?

Angewandt werden die neuen Zölle nur auf Waren, die seit diesem Freitag verschifft werden. Güter, die schon länger auf dem Pazifik unterwegs sind, sind also von den neuen Zöllen nicht betroffen. Wenn man berücksichtigt, dass ein Containerschiff etwa 20 Tage braucht, bis es von China aus die US-Küste erreicht, gibt es da also ein Zeitfenster, indem sich Trump das mit den Zöllen noch anders überlegen könnte.

Gabriel Felbermayr leitet seit März das Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel.

Welche Folgen aber hätte es, wenn China und die USA sich nicht einigen?

Die Folge wäre ein voller Handelskrieg. Das hieße, dass die Amerikaner sämtliche Waren aus China mit Zöllen in Höhe von 25 Prozent belegen würden, so wie Trump es angedroht hat. Und es hieße, dass die Chinesen ihrerseits alle US-Produkte mit ebenso hohen Zöllen belasten würden. Der Schaden dadurch wäre auf Seiten Chinas allerdings drei Mal so groß als auf Seiten der USA. Denn während die Amerikaner im Jahr Waren im Wert von 540 Milliarden Dollar aus China importieren, kauft China nur Waren im Wert von 120 Milliarden Dollar in den USA ein.

Würde auch der Welthandel leiden?

Ja. Zwar käme es im Fall einer Eskalation des Handelsstreits zwischen China und den USA zu Handelsumlenkungen. Die Amerikaner würden dann vermutlich mehr Waren in Europa einkaufen. Doch diese Profite sind lächerlich klein im Vergleich zu dem Schaden, der entsteht.

Auch die Europäer verhandeln noch mit den Amerikanern über Zölle. Was bedeutet der Konflikt mit China für die Gespräche zwischen Brüssel und Washington?

Wenn wir sehen, dass die Amerikaner gegenüber China nur eine Woche vergehen lassen von der Drohung bis zur Einführung der Zölle, dann macht das natürlich auch uns Europäer nervös. Zumal weiterhin Zölle auf EU-Autos im Raum stehen. Das müssen wir ernst nehmen.

Wie sollten die Europäer also gegenüber den USA auftreten?

Das Problem ist, dass man bei Trump mit einer ausgeklügelten Verhandlungsstrategie nicht weit kommt. Zu viel hängt bei ihm davon ab, ob man zufällig die richtigen Worte wählt. Ob man im richtigen Moment den passenden Witz macht.

Wirtschaftsminister Peter Altmaier fordert, mehr europäische Champions zu schaffen und wichtige Konzerne zu schützen. Ist das der richtige Ansatz?

Nein, wir müssen nicht Konzerne schützen sondern die Wertschöpfung in Europa. Und das geht nicht, indem man das europäische Wettbewerbsrecht aushebelt, wie Herr Altmaier es vorschlägt.

Was schlagen Sie vor?

Wir müssen unseren Handelspartnern – ob nun in den USA oder China – zeigen, wo unsere Grenzen liegen. Deshalb war es richtig, dass die Europäer im letzten Sommer auf die US-Zölle auf Stahl und Aluminium mit Gegenzöllen reagiert haben. Gleichzeitig sollten wir aber auch den EU-Binnenmarkt stärken. Je stärker der Binnenmarkt ist, desto mehr Verhandlungsmacht haben wir.

Wie können wir den Binnenmarkt stärken?

Indem wir auf die Briten zugehen. Wenn sie aus der EU austreten, schrumpft der Binnenmarkt um fast ein Fünftel. Deshalb sollten wir ihnen allein schon aus geopolitischen Überlegungen heraus anbieten, zumindest in wichtigen Teilen des Binnenmarktes weiter an Bord zu bleiben. Eine Lösung wäre die Schaffung eines europäisch-britischen Zollvereins.

Gabriel Felbermayr ist seit März Präsident des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel. Zuvor hat er das Zentrum für Außenwirtschaft am Ifo Institut geleitet.

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