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Wirtschaft - 11.03.2019

Ein Flugtaxi made in Germany

Große Unternehmen und Metropolen setzen auf fliegende Shuttles. Volocopter aus Karlsruhe hebt schon ab

Extreme Bedingungen: Der Volocopter beim Testflug in Dubai.

Oft wünschen sich Autofahrer, Flügel ausklappen zu können und abzuheben. Über verstopfte Straßen einfach hinwegzuschweben, war bislang allerdings nur eine Fantasie im Stau oder blieb Bösewichten in James-Bond-Filmen vorbehalten. Doch schon im kommenden Jahr soll sich das ändern. Dann will das niederländische Unternehmen Pal-V die ersten Exemplare seines Flugautos ausliefern. Bei dem Gefährt kann man einen Rotor ausklappen und soll bis zu 500 Kilometer weit fliegen können. Neben dem Preis von einer halben Million Euro gibt es nur einen Haken: Auch wenn das Flugauto zugelassen wird, darf es nicht einfach auf der Autobahn abheben. Dazu müssen die Besitzer auf die Startbahn eines Flugplatzes – und so bleibt es eine Spielerei für vermögende Hobbypiloten, die, statt noch mal ins Auto umzusteigen, künftig direkt den Privatjet in der heimischen Garage parken können.

Das Lufttaxi von Airbus absolvierte gerade den Jungfernflug

Trotzdem könnte es schon in wenigen Jahren die ersten Lufttaxis geben. Sie sollen künftig die Mobilität in Metropolen verändern, wie einst S- oder U-Bahnen. „Vor hundert Jahren verschwand der Stadtverkehr unter der Erde, nun haben wir die technischen Möglichkeiten, ihn in die Luft zu bringen“, sagt Airbus-Chef Tom Enders. Zahlreiche Unternehmen arbeiten derzeit an solchen neuartigen Fluggeräten, von Start-ups wie Volocopter und Lilium über Airbus bis hin zum amerikanischen Taxischreck Uber. Meist sind es eine Art bemannte Drohnen, die mit Elektroantrieb senkrecht starten können. Verschiedene Prototypen haben bereits erfolgreiche Testflüge absolviert, erst vor wenigen Tagen hob das Lufttaxi Vahana von Airbus zum Jungfernflug ab.

Dabei ist der Flugzeugbauer vergleichsweise spät dran. Volocopter tüftelt schon seit sieben Jahren an seinem Fluggerät. Das Unternehmen sitzt im Örtchen Bruchsal, eine halbe Autostunde nördlich von Karlsruhe. Der Volocopter erinnert an einen Hubschrauber. Doch statt von einem riesigen Rotor wird er von insgesamt 18 kleinen angetrieben, die man sonst von Drohnen kennt. Dadurch soll der elektrisch angetriebene sogenannte Multikopter im Vergleich zu herkömmlichen Hubschraubern viel effizienter, sicherer und auch leiser sein. „Die Akzeptanz beim Einsatz in Städten wird auch stark von der Lautstärke abhängen“, sagt Alexander Zosel, Mitgründer und technisches Mastermind hinter dem Volocopter. Im Gegensatz zum infernalischen Rattern eines Helikopters erzeuge der Volocopter ein „angenehmes Brummen“.

Davon konnten sich Anfang Januar in Las Vegas auch die 5000 Besucher des Monte Carlo Theaters überzeugen. Brian Krzanich hielt hier die große Auftaktpräsentation zur weltgrößten Elektronikmesse CES. Der Chef des Chipherstellers Intel fragte dabei, wie es wäre, wenn man sein Smartphone herausziehen und ein fliegendes Taxi rufen könnte? „Diese Science-Fiction-Vision ist näher, als wir denken“, sagte Krzanich. Und ließ die Macher zum Beweis den Volocopter direkt auf der Bühne abheben. Der Applaus der jubelnden Zuschauer war dabei deutlich lauter als das Surren der Rotoren. Dabei gelang die Flugshow buchstäblich in letzter Minute. Während Musiker und Tänzer im Vorprogramm dem Publikum schon eine spektakuläre Show lieferten, kam die Nachricht mit der Erlaubnis. Denn durch die Luftturbulenzen, die die Rotoren erzeugen, ist so ein Flug in geschlossenen Räumen ziemlich riskant.

Erste Volocopter-Strecke schon in zwei Jahren?

Doch mit schwierigen Bedingungen kennt sich Zosel aus. Vergangenen September hatte das Emirat Dubai die Deutschen für einen Testflug eingeladen. Auch der Kronprinz kam dazu, konnte jedoch nur um 14 Uhr. „Während der Mittagshitze in der Wüste herrschen nicht die optimalsten Bedingungen“, sagt Zosel. Man kam aber auch mit den schwierigen Verhältnissen der aufgeheizten Luft zurecht. Das sollte das Team allerdings auch, schließlich hoffen die Deutschen auf einen Großauftrag in Dubai. Das Emirat will 2030 ein Viertel des gesamten Verkehrs autonom abwickeln und einen Teil davon auch in der Luft. In den kommenden Jahren will Dubais Verkehrsbehörde dafür mit Volocopter den Aufbau eines Lufttaxi-Dienstes testen. Doch auch andere Metropolen sind interessiert. „Ich gehe davon aus, dass es in zwei, drei Jahren die ersten kommerziellen Demonstrationsstrecken gibt“, sagt Zosel.

Sieht man sich das erste Video der Karlsruher an, ist das kaum vorstellbar. 2011 hatten sie einen Sitz auf einem Gymnastikgummiball befestigt und dazu ein Gestänge mit Rotoren. Doch die Konstruktion hob ab. Zwei Jahre später sammelten sie dann schon 1,2 Millionen Euro von Kleinanlegern auf der Crowdfunding-Plattform Seedmatch ein – damals ein Rekord.

Fliegender Gummiball: Erstes Volocopter-Konzept aus dem Jahr 2011

Zu dieser Zeit hatte das Start-up noch geplant, den Volocopter für etwa 250 000 Euro an flugbegeisterte Privatpersonen zu verkaufen. Doch inzwischen verfolgen sie die Vision eines Taxi-Shuttle-Dienstes. Auch der Fahrdienstleister Uber hat dafür ein Konzept erarbeitet und will damit möglichst 2023 starten. Das Unternehmen arbeitet dabei mit dem US-Helikopterhersteller Bell zusammen.

Auch der Daimler-Chef träumt vom Fliegen

Volocopter hat inzwischen ebenfalls hochkarätige Partner und Geldgeber: Im Sommer sind Intel und Daimler bei Volocopter eingestiegen und haben mit anderen Geldgebern insgesamt 25 Millionen Euro investiert. „Aus dem Traum vom Fahren wird der Traum vom Fliegen“, sagte Daimler-Chef Dieter Zetsche. Und so wie jetzt die meisten klassischen Taxis von Daimler stammen, wollen die Stuttgarter auch dabei sein, wenn sich der Verkehr tatsächlich einmal „in die dritte Dimension“ verlagert. Intel-Chef Krzanich war Anfang Dezember in Deutschland zu Besuch und flog in einer großen Halle erstmals selbst mit dem Volocopter.

Ein großer Knackpunkt ist noch die Regulierung. Die Flugtaxis sollen im niedrigen Luftraum, also unterhalb von sonstigen Flugzeugen, unterwegs sein. Luftfahrtbehörden in verschiedenen Ländern beschäftigen sich bereits mit möglichen Regularien. Eine Herausforderung dabei ist, dass fast alle Konzepte auf autonom fliegende Taxen zielen – auch aus Kapazitätsgründen. So ist der Volocopter derzeit für zwei Passagiere ausgelegt. „Am Anfang wird es aber sicher noch einen Piloten geben“, sagt ein Airbus-Sprecher.

Alexander Zosel ist aber optimistisch, dass auch Behörden und Regierungen dem neuen Luftverkehr den Weg ebnen. Denn während Straßen und Schienen Milliarden kosten, sind die Luftwege umsonst.

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