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Wirtschaft - 23.03.2019

Für Sportwetten sollen härtere Regeln gelten

Die Bundesländer wollen Anbieter ab 2020 regulieren. Für beliebte Live-Wetten könnte es das Ende bedeuten

Neben privaten Anbietern macht auch Lotto mit seinen Fußballwetten Werbung am Spielfeldrand.

 

Die Logos prangen an Stadionbanden, TV-Spots laufen in Dauerschleife – etwa solche, in denen Ex-Fußballer wie Oliver Kahn vermeintliche Passanten an der Bushaltestelle zu einer Wette animiert. An Werbung für Sportwetten kommen Fans nicht mehr vorbei. Dem Spiel von Tipico, Bet-at-home und Co. scheinen dabei keine Grenzen gesetzt. Während einer laufenden Fußballpartie können Fans auf das nächste Tor, das nächste Foul oder die nächste rote Karte spekulieren. Bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien bot manch ein Anbieter sogar die Wette an, dass der uruguayische Stürmer Suárez einen Gegenspieler auf dem Platz beißen wird – ganz zur Freude einiger Zocker, denn so kam es auch.

Was jedoch kaum einer weiß: Wer online oder in einer der vielen Filialen tippt, bewegt sich in einer rechtlichen Grauzone. Eine bundesweite Erlaubnis für ihr Geschäft haben private Anbieter nämlich bis heute nicht erhalten. Die Bundesländer wollen das wilde Treiben der Buchmacher ab dem kommenden Jahr legalisieren – und damit regulieren. Sie haben sich auf eine Änderung des Glücksspielstaatsvertrages geeinigt, diese soll bald von den Regierungschefs der Länder unterzeichnet werden.

Weniger Live-Wetten, weniger Werbung


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Mit der Änderung könnte das bisherige Geschäftsmodell vieler Anbieter aber auf der Kippe stehen. Besonders hart dürfte es Fans von Live-Wetten treffen. Diese wären nach bisheriger Planung ab dem kommenden Jahr nur noch eingeschränkt zugelassen. Dürfen Tipper derzeit zum Beispiel noch auf das nächste Tor oder die nächste Ecke wetten, während das Spiel schon läuft, könnte künftig nur noch der Live-Tipp auf das Endergebnis erlaubt sein. Für die Anbieter wäre das ein herber Schlag: Live-Wetten würden nämlich einen Geschäftsanteil von 60 bis 70 Prozent ausmachen, heißt es vom Deutschen Sportwettenverband (DSWV).

Zudem sollen härtere Vorgaben beim Spielerschutz gelten. Anbieter müssten sicherstellen, dass sich keine Minderjährigen anmelden. Bislang muss häufig nur sein Alter vorweisen, wer sich Gewinne auszahlen lassen will. Zudem sollen die Wettveranstalter diejenigen stoppen, die mehr als 1000 Euro im Monat einsetzen wollen. Und auch Werbung für Online-Casinos dürfte es keine mehr geben. Bislang scheint das jedoch eine wichtige Einnahmequelle der Sportwettenanbieter zu sein, die auf ihren Internetseiten auf die Angebote der Online-Wetthallen verweisen. Zudem würden für Fernsehwerbung striktere Regeln gelten. Ob die Reklame mit Oliver Kahn etwa noch kurz vor der Übertragung eines Spiels gesendet werden darf, scheint fraglich.

Sportwetten sind mittlerweile ein Milliardenmarkt

Die Anbieter begrüßen zwar, dass es künftig einen klaren Regulierungsrahmen gibt. Zugleich kritisieren sie aber unzeitgemäße Regeln. Sie fürchten, dass Fans künftig auf illegale Wetten ausweichen könnten: „Im digitalen Zeitalter sind unlizenzierte Angebote nur einen Klick auf dem Smartphone entfernt“, sagt Mathias Dahms, Präsident des DSWV. Würden die Spieler auf den Schwarzmarkt abwandern, hätten die Ministerpräsidenten dem Jugend- und Spielerschutz einen Bärendienst erwiesen. Dass es dazu kommt, glauben die Länder dagegen nicht. „Auch unter den Vorgaben des geltenden Glücksspielstaatsvertrages ist es möglich, ein attraktives Wettangebot legal anzubieten“, erklärt ein Sprecher der nordrhein-westfälischen Landesregierung.

Mit der Regulierung wollen die Länder auch etwas gegen Spielsucht unternehmen. Suchtgefährdung sei nämlich auch bei Sportwetten gegeben, erklärt Christine Köhler-Azara, Landesdrogenbeauftragte in Berlin. Nicht nur Fans würden Geld auf ihre Lieblingsmannschaft wetten. Der Nervenkitzel locke auch andere an, die teils erhebliche Geldsummen einsetzen würden. Sportwetten haben sich längst zum Milliardenmarkt entwickelt. Im vergangenen Jahr sollen die Wetteinsätze ein neues Rekordhoch erreicht haben, auch aufgrund wichtiger Ereignisse wie der Fußball-Weltmeisterschaft in Russland. Insgesamt 8,8 Milliarden Euro hätten Zocker hierzulande auf Sportveranstaltungen gesetzt, wie eine Studie der Beratungsfirma Goldmedia zeigt. Nur fünf Prozent davon landeten bei der staatlichen Marke Oddset, die von den Lottogesellschaften getragen wird und lange Zeit ein Monopol auf Sportwetten besaß. Der Rest floss an die privaten Betreiber.

Regulierung ist Ländersache

Das gute Geschäft haben Tipico, Bet-at-home und Co. wohl auch der fehlenden Regulierung zu verdanken. Die Gründe dafür liegen im Rechtsstreit zwischen einzelnen Buchmachern und den Bundesländern sowie im jahrelangen Streit der Länder untereinander. Die Regulierung von Glücksspielen ist weitgehend Ländersache. Damit allerdings nicht jede Staatskanzlei eigene Regeln schafft, hatten sich die Länder im Jahr 2011 auf einen gemeinsamen Glücksspielstaatsvertrag geeinigt. Dieser sah vor, dass private Sportwettenanbieter eine Lizenz beantragen müssen und sich damit auch an Vorgaben halten sollen.

Das Problem: Der Vertrag beinhaltete ein begrenztes Kontingent für Lizenzen, nur 20 Bewerber sollten ursprünglich eine bekommen. Dagegen hatten aber benachteiligte Anbieter geklagt. Und solange es hier keine endgültige Entscheidung gibt, kann das zuständige Innenministerium in Hessen auch keine Konzessionen vergeben. Die Anbieter berufen sich aber zeitgleich auf die EU-Freizügigkeit. Viele von ihnen besitzen nämlich stattdessen Lizenzen aus Steuerleichtgewichten wie Malta oder Gibraltar.

Im dritten Anlauf hat es geklappt

Hinzu kommt, dass sich die Bundesländer nie richtig einig geworden sind. Schleswig-Holstein etwa ging die geplante Liberalisierung nicht weit genug. Die Norddeutschen forderten, zusätzlich auch Online-Casinos zu legalisieren. Statt also den Glücksspielstaatsvertrag von 2011 zu unterzeichnen, hat das Land kurzerhand eigene Lizenzen verteilt, ehe es dem Vertrag nach dem Regierungswechsel zwei Jahre später doch zustimmte. Und auch ein zweiter Änderungsversuch im Jahr 2017 scheiterte am Willen der schleswig-holsteinischen Landesregierung – wieder nach einem Regierungswechsel. Dieser sah vor, unbegrenzt viele Lizenzen auszugeben, um dem Rechtsstreit mit den Anbietern zu entgehen.

Im dritten Anlauf haben die Bundesländer die Änderung im Staatsvertrag nun aber beschlossen. Nach der Unterzeichnung der Länder-Regierungschefs müssen die einzelnen Landesparlamente die Änderung allerdings noch ratifizieren. Und auf noch einen Punkt haben sich die Beteiligten geeinigt: Ab Juli 2021 soll ein gänzlich neuer Vertrag her. Darüber, was drinstehen soll, müssen sich die Länder aber noch verständigen.

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