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Wirtschaft - 21.02.2019

Gegen Schwarzarbeit und Kindergeldmissbrauch

Der Zoll soll mehr Mitarbeiter und Befugnisse erhalten. Bundesfinanzminister Scholz hat dafür jetzt einen Gesetzentwurf vorgelegt.

Zollbeamte betreten bei einer Razzia gegen Schwarzarbeit eine Baustelle.

Tagsüber für ein paar Euro schuften, nachts in einer Bruchbude schlafen: Ausländische Arbeiter auf dem Bau leben zum Teil unter furchtbaren Bedingungen. Mit mehr Personal und Befugnissen soll der Zoll auch deswegen härter gegen Schwarzarbeit vorgehen. „Illegale Beschäftigung ist keine Lappalie“, sagte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) am Mittwoch, nachdem das Kabinett seinen Gesetzentwurf angenommen hatte. Allein in den vergangenen beiden Jahren hat der Zoll nach Angaben seines Ministeriums Schäden durch verbotene Beschäftigung, Schwarzarbeit und Sozialleistungsbetrug in Höhe von rund 1,8 Milliarden Euro aufgedeckt.

Ein extremer Missstand seien die Arbeiterstriche. An entlegenen Straßen warteten Männer und Frauen darauf, für harte körperliche Tätigkeiten angeheuert zu werden. Den Zuschlag bekommen meist jene, die bereit sind, für den niedrigsten Lohn zu arbeiten. Schon bei der Anbahnung solcher Arbeitsverhältnisse soll der Zoll in Zukunft eingreifen dürfen – zum Beispiel mit Platzverweisen – und nicht wie bislang erst, wenn jemand erwischt wird. Beim Verdacht auf Ausbeutung, Zwangsarbeit oder Menschenhandel sollen die Beamten außerdem die Polizei unterstützen dürfen.

Verbessert werden sollen auch die Unterkunftsbedingungen von ausländischen Arbeitern. Dem Finanzministerium zufolge soll verhindert werden, dass diese in überfüllten „Schrottimmobilien“ zu überteuerten Mieten untergebracht werden. In einigen Großstädten werde beobachtet, dass sie auf Obdachlosenunterkünfte ausweichen müssten. Scholz erzählte von „unerträglichen Bedingungen“ in Matratzenlagern, die keinerlei Vorschriften entsprächen.

Missbrauch bei Kindergeld eindämmen

Worum sich der Zoll noch intensiver kümmern soll, sind Scheinrechnungen und obskure Firmenstrukturen im Baugewerbe. Die Beamten dürfen künftig unter anderem die Telekommunikation Verdächtiger leichter überwachen können und bei Briefkastenfirmen auch dann aktiv werden, wenn der konkrete Arbeitsort unklar ist. Die Branche steht auch deswegen im Fokus, weil mit Hilfe von Subunternehmen immer mal verschleiert wird, wer für die eingesetzten Arbeiter tatsächlich verantwortlich ist, um so Steuern und Abgaben zu hinterziehen. Für die Arbeitsbedingungen von Beschäftigten im Sicherheitsgewerbe soll es indes schärfere Dokumentationspflichten geben.


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Eingedämmt werden soll auch der Missbrauch bei Sozialleistungen. Dem Finanzminister zufolge beobachten Familienkassen immer häufiger einen organisierten Betrug beim Kindergeld. Kriminelle Netzwerke würden EU-Ausländer nach Deutschland bringen und mit gefälschten Dokumenten ausstatten, mit denen sie dann unberechtigt Kindergeld beantragen können. Allein die von den Jobcentern festgestellten Schäden durch den bandenmäßigen Sozialbetrug summierten sich 2017 auf 50 Millionen Euro. Die Dunkelziffer ist viel höher.

Mit dem neuen Gesetz sollen zugezogene Bürger aus anderen EU-Ländern drei Monate lang kein Geld erhalten, wenn sie nicht nachweisen können, in Deutschland zu arbeiten. „Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass vom Kindergeld eine nicht beabsichtigte Anreizwirkung für einen Zuzug aus anderen Mitgliedstaaten ausgeht“, heißt es im Entwurf. Arbeitnehmer genießen in der EU Freizügigkeit und haben somit einen Anspruch auf die Geldleistung. Bisher wurde aber kaum überprüft, ob ein Antragsteller auch wirklich einen Job hat. Das will Scholz ändern.

Die Familienkasse der Bundesagentur für Arbeit (BA), die das Geld auszahlt, soll eine „eigene Prüfungskompetenz“ erhalten. In Zweifelsfällen kann sie Zahlungen vorläufig einstellen. Darüber hinaus sollen die Behörden – wie zum Beispiel BA und Ausländerbehörde – Informationen austauschen können.

Mehr Aufgaben mit zu wenig Personal

Der Zoll musste in den letzten Jahren immer mehr Aufgaben übernehmen: Kontrolle von Schwarzarbeit und Mindestlöhnen, Eintreiben der Kfz-Steuer, Kampf gegen Geldwäsche. Gleichzeitig ist im Kerngeschäft gut zu tun: Immer mehr Pakete kommen aus dem Ausland wegen des Online-Handels an. Der Rauschgiftschmuggel soll stetig zunehmen. Die Gewerkschaft klagt deswegen schon lange über einen enormen Personalmangel. Auch deswegen, weil in den kommenden zehn Jahren 40 Prozent der Zollbeamten pensionshalber aus dem Dienst scheiden. Bislang war eine Aufstockung des Personals bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit von heute rund 7900 auf mehr als 10000 Stellen im Jahr 2026 vorgesehen. Nun sollen weitere 3500 Stellen hinzukommen.

Dieter Dewes, Bundesvorsitzender der Deutschen Zoll- und Finanzgewerkschaft, begrüßt das Gesetz zwar. „Bei all den neuen Aufgaben brauchen wir aber 15000 Mitarbeiter“, sagt er – und die müssten auch erst noch rekrutiert und ausgebildet werden. Geht es nach Olaf Scholz, soll das Gesetz noch vor der parlamentarischen Sommerpause in Kraft treten.

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