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Wirtschaft - 16.11.2018

Lebensversicherung darf weniger zahlen

Bundesgerichtshof urteilt zur Kürzung der Bewertungsreserven. Regierung erwägt einen Provisionsdeckel für die Versicherungen.

Ein paar tausend Euro könnten am Ende weniger ausgezahlt werden als ursprünglich von der Lebensversicherung angegeben. Es geht…

Wer aus der Lebensversicherung ausscheidet, muss weiterhin mit gekürzten Auszahlungsbeträgen rechnen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am Mittwoch die Gesetzesänderung gebilligt, die Lebensversicherern eine neue Berechnung erlaubt. Diese führt zu Abschlägen von oft einigen tausend Euro. Das Gesetz von 2014 ist nach Ansicht des BGH gerechtfertigt und verfassungsgemäß, weil angesichts niedriger Zinsen die Zahlungsverpflichtungen der Versicherer bedroht gewesen wären. Allerdings entschied der BGH weiter, dass die Versicherungen gegenüber dem Kunden die Kürzungen begründen müssen. Da es im konkreten Streitfall daran fehlte, wurde das Verfahren noch einmal an das Landgericht Düsseldorf zurückverwiesen. Kann die Victoria-Lebensversicherung die Notwendigkeit darlegen, ist die Kürzung von rund 2650 Euro jedoch endgültig. Das Piloturteil betrifft Tausende weitere Kunden mit einer Lebensversicherung, die bald fällig wird.

Von 2800 Euro blieben 150 Euro

Im konkreten Fall hatte ein Kunde eine Lebensversicherung abgeschlossen, die zum 1. September 2014 fällig wurde. Noch wenige Monate vor dem Auszahlungstermin wurde ihm ein Betrag in Höhe von 50 274 Euro angekündigt. Davon entfielen rund 2800 Euro auf die sogenannten Bewertungsreserven. Wie immer war der Vermerk enthalten, dass der Betrag vorläufig ist. Nach der Gesetzesänderung betrug die endgültige Versicherungsleistung dann nur rund 47 600 Euro. Der Abschlag ging auf die veränderte Berechnung der Bewertungsreserven zurück: Von den ursprünglichen 2800 Euro blieben knapp 150 Euro.

Die Niedrigzinsphase macht zu schaffen

Bewertungsreserven entstehen, wenn die Versicherung Gelder aus den Versicherungsprämien anlegt, größtenteils in festverzinsliche Wertpapiere, aber auch in Aktien und Immobilien. Sind die Anlagen bei Auszahlung der Lebensversicherung mehr wert als beim Ankauf, zählt der Überschuss als Bewertungsreserve. Die steht dem Versicherungskunden grundsätzlich zur Hälfte zu. Das entschied das Bundesverfassungsgericht 2005, erst danach wurden sie überhaupt hälftig ausgezahlt. Einige Jahre später begann aber die Niedrigzinsphase, und die macht den Lebensversicherungen Probleme. Sie haben in ihren Altverträgen noch Zinsen bis zu vier Prozent garantiert. Da die Versicherer aber keine Zinsen mehr in dieser Höhe erwirtschaften, sehen sie ihre Zahlungsverpflichtungen bedroht. Auch die Finanzaufsicht riet zu einer Gesetzesänderung, die dann im August 2014 erfolgte. Seither können die Lebensversicherer die Bewertungsreserven, die aus dem Kauf festverzinslicher Wertpapiere stammen, mit ihren Zahlungsverpflichtungen verrechnen. Nur was nach Sicherung der Zahlungsverpflichtungen übrig bleibt, steht jetzt noch zur Hälfte dem ausscheidenden Kunden zu. Deshalb schmolz im konkreten Fall der Betrag von 2800 Euro auf 150 Euro.

Jetzt geht es vor das Bundesverfassungsgericht

Erwartungsgemäß begrüßte die Versicherungswirtschaft das Pilot-Urteil des BGH. „Die aktuelle Regelung dient dem angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen ausscheidender und verbleibender Versicherungsnehmer“, sagte Peter Schwark vom Versicherungsverband. Falsch ist das übrigens nicht. Jüngere Versicherte, deren Lebensversicherung erst in Jahrzehnten fällig wird, fürchteten um ihre Absicherung. Wenn die Bewertungsreserven bei Altverträgen reichlich flössen, bliebe für sie nichts mehr. Kunden mit Altverträgen verwiesen dagegen auf die Zusagen der Versicherer.


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Axel Kleinlein vom Bund der Versicherten kritisierte die Entscheidung. Dass der BGH die Gesetzesänderung für verfassungskonform erklärte, bedeute eine „Enteignung der Kunden“. Die Verbraucherorganisation will auch noch das Bundesverfassungsgericht anrufen, kündigte Kleinlein am Mittwoch nach der Urteilsverkündung in Karlsruhe an.

Maximal 2,5 Prozent Provision

Unterdessen will die Bundesregierung Kunden von Lebensversicherungen entlasten. „Mit einem Provisionsdeckel sollen mögliche Fehlanreize durch zu hohe Vergütung begrenzt werden“, heißt es in einem Papier des Finanzministeriums, das am Mittwoch im Finanzausschuss des Bundestages diskutiert wurde. Eine genaue Höhe wurde nicht genannt.

Ein Modell der Finanzaufsicht Bafin sieht vor, dass Versicherer höchstens 2,5 Prozent der Beiträge, die Kunden während der Laufzeit des Vertrages zahlen, als Provision ausgegeben dürfen. Hinzu können weitere 1,5 Prozent kommen, wenn der Vermittler bestimmte Qualitätskriterien erfüllt. Das Finanzministerium schlägt ferner Entlastungen der Branche beim Aufbau eines zusätzlichen Kapitalpuffers vor. Der Aufbau soll in kleineren Schritten erfolgen. Um die Zinsgarantien für Altverträge abzusichern, müssen die Versicherer seit 2011 finanziell Vorsorge treffen. Ende 2017 lag das Volumen bei knapp 60 Milliarden Euro. mit dpa

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