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Wirtschaft - 16.11.2018

Ohne Streiks zum neuen Tarif

In dieser Woche beginnen die Tarifverhandlungen. Die Gewerkschaften fordern 7,5 Prozent für 160 000 Mitarbeiter der Bahn hierzulande.

Mehr Geld gibt es auf jeden Fall für die Bahnbeschäftigten. Und verteilt auf 24 Monate sind 7,5 Prozent gar nicht so abwegig.

Viel schlimmer geht es kaum: Die Lokführer streiken in der Vorweihnachtszeit und legen das halbe Land lahm, weil wieder einmal ein Tarifkonflikt bei der Bahn entgleist ist. Nur mit Hilfe der Schlichter Matthias Platzeck und Bodo Ramelow konnte in den vergangenen Jahren ein Kompromiss gefunden werden. In diesem Herbst wollen das die Tarifparteien alleine schaffen und mit gutem Willen vor Weihnachten einen neuen Tarifvertrag für rund 160 000 Mitarbeiter im DB-Konzern unterschreiben.

Personalvorstand Martin Seiler vermied am Montag die übliche Arbeitgeberrhetorik, mit der Forderungen der Gewerkschaften als „maßlos“ oder „unverantwortlich“ zurückgewiesen werden. Der Bahn liege „ein breiter Strauß an Forderungen vor, den es Schritt für Schritt zu bewerten und besprechen gilt“. Ziel des Managements: Ein Gesamtpaket schnüren, „dass sowohl die Leistungen der Mitarbeiter wertschätzt, als auch unser Kerngeschäft im Blick hat“. Soll heißen: Unbedingt Streiks vermeiden.

Die Bahn spricht von einer „komplexen“ Forderung

Das möchten die beiden Gewerkschaften auch. Die Eisenbahnverkehrsgewerkschaft (EVG) und die Gewerkschaft der Lokführer (GDL) fordern 7,5 Prozent mehr Geld. Das klingt viel, ist aber – verteilt auf 24 Monate, wie die GDL fordert – durchaus realistisch. Doch es geht nicht um Geld allein. Die GDL startet mit 43 Forderungen und die EVG mit 36 in die Verhandlungen, die Ende der Woche beginnen. Weitere Termine sind bis zum 20. November vereinbart – dann wird klar sein, ob es einen Großkonflikt gibt.

Beide Gewerkschaften sind sich nicht „grün“

Das Bahn-Management nennt das Forderungstableau der Gewerkschaften „komplex“; es geht unter anderem um diverse Zulagen, und Besetzungsregeln für die Züge. Dass die Gehälter ordentlich erhöht werden, steht außer Frage, in diesem Jahr gab es bislang kaum Tarifabschlüsse unter drei Prozent. Die Bahn will unbedingt die Verhandlungen mit den konkurrierenden Gewerkschaften synchronisieren und gleiche Ergebnisse für gleiche Berufsgruppen erzielen. Denn EVG und GDL organisieren mit Lokführern, Zugbegleitern, Lokrangierführern, Disponenten und Mitarbeitern der Bordgastronomie die gleichen Beschäftigtengruppen und versuchten sich über die Jahre wechselseitig Mitglieder abzuwerben. Für die Bahn war das eine schwierige Situation, weil ein Überbietungswettkampf in den Tarifkonflikten drohte. Die gesetzliche Klarstellung der Tarifeinheit durch die Bundesregierung in der vergangenen Legislaturperiode verschafft nun der größeren Gewerkschaft im Betrieb einen Vorteil, bei der Bahn ist das die EVG, und erhöht gleichzeitig den Druck auf die kleinere Gewerkschaft, sich in Tarifverhandlungen mit der größeren abzustimmen.


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Zuletzt gab es die Wahl: Geld oder Zeit

In der vergangenen Tarifrunde 2016/17 verständigten sich die Tarifparteien bei der Bahn auf ein Gesamtvolumen von 5,5 Prozent für 24 beziehungsweise 27 Monate. Dabei wurde für die zweite Stufe der Entgelterhöhung um 2,6 Prozent zum 1. Januar 2018 den Beschäftigten eine Wahloption eingeräumt: Entweder die Lohnprozente, eine Arbeitszeitverkürzung um eine Stunde auf 38 Wochenstunden oder sechs zusätzliche Urlaubstage. 58 Prozent der Tarifbeschäftigten nahmen die Urlaubstage, 40 Prozent das Geld und nur zwei Prozent die Arbeitszeitverkürzung.

Nach eigenen Angaben hat die DB wegen des Wahlmodells 1500 Mitarbeiter zusätzlich eingestellt. Insgesamt habe der Konzern 2018 bereits 17 000 Beschäftigte auf dem engen Arbeitsmarkt gewinnen können. Berücksichtigt man die Abgänge, wuchs die Bahn-Belegschaft hierzulande um 5500 Kollegen.

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